• Leben und Werk

    Lebenslauf
    16.01.1870 geboren in Petershagen bei Minden Vater: Julius Normann Rektor der Volksschule und Selekta in Petershagen 30 Jahre alt Mutter: Luise Normann, geborene Siveke 32 Jahre alt
    06.03.1870 Taufe in der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche Petershagen auf die Namen: "Carl Peter Wilhelm Theodor"
    08.05.1872 Geburt der Schwester Klara
    1872-1879 in Herford (Julius Normann war als Kaufmann im Geschäft seines Schwagers Gustav Siveke in der Bäckerstraße)
    31.03.1877 Besuch der Vorschule und ab Ostern 1879 der Sexta des Friedrichs-Gymnasiums in Herford
    1877 Trommler in der von seinem Vater Julius Normann 1876 gegründeten Kapelle der freiwilligen Feuerwehr Herford.
    1880 Der Vater Julius Normann erhält eine Lehrerstelle an der städtischen Mittelschule in Kreuznach, Besuch des königlichen Gymnasiums in Kreuznach
    27.03.1888 Abgang mit Erwerb der Primareife
    07.04.1888 Eintritt in die "Herforder Maschinenfett und Ölfabrik Leprince & Siveke" in Herford. (Firmengründer Wilhelm Siveke ist ein Bruder seiner Mutter Luise Siveke)
    27.09.1888-April 1890 Leiter der Filiale der Herforder Firma im Hamburger Freihafen
    1889? Aus einem Brief an seinen Vater: "so geht es hier nicht weiter, wenn was ordentliches aus mir werden soll, muß ich Chemie studieren, denn ein "Ober-Schachtsiek" wollte er nicht werden und zu etwas anderem brächte er es dort nicht".
    April 1890-Herbst 1891 Studium der Chemie am Laboratorium Prof. Fresenius in Wiesbaden.
    5.12.1891-01.04.1892 Volontär in der Braunkohleindustrie in Zeitz
    April 1892-Sommer 1892 Fortsetzung des Studiums in der Abteilung Ölprüfung der "Königlichen Mechanisch-technischen Versuchsanstalt in Berlin-Charlottenburg (unter Prof. D. Holde) und Weiterarbeit in der Herforder Firma
    1890-1910 Mitglied der Herforder Schützengesellschaft, Mitglied und Geschäftsführer der Gesellschaft "Krokodil" im Weinklub in Herford, Geschäftsführer im Musikverein Herford
    April 1895-1900 Studium der Chemie (bei Prof. CIaus und Prof. Willgerod) und Geologie (bei Prof. Steinmann) an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau.
    06.03.1900 Promotion zum Doktor der Philosophie an der Universität Freiburg mit einer Arbeit über: "Beiträge zur Kenntnis der Reaktion zwischen unterchlorigsauren Salzen und primären aromatischen Aminen"
    1900 Aus einem Aufsatz über Normann von Schierholz: "Seit diesem Jahre beschäftigte sich der Webereibesitzer Rudolf Linkmeyer in Herford mit Verbesserungen der Kunstseide. Dr. Normann stand beratend zur Seite".
    1901 Ernennung zum Korrespondenten der geologischen Landesanstalt.
    1900-1909 Leitung des Laboratoriums und Fortführung der Untersuchungen über Fette und Öle bei der Firma "Leprince & Siveke" in Herford. Wohnung: Herford, Schillerstraße 12
    1901 las er in der Chemiker-Zeitung von den Versuchen des Franzosen Sabatier, katalytisch Wasserstoff an leichtflüssige Teeröle anzulagern. Sabatier hatte behauptet, daß sein Verfahren nur bei verdampfbaren organischen Verbindungen anwendbar sei. (Text) Diese Bemerkung veranlasste ihn, selbst Versuche anzustellen. Er widerlegte die Ansicht von Sabatier, als es ihm gelang, flüssige Ölsäure durch katalytische Hydrierung mit feinverteiltem Nickel in feste Stearinsäure zu überführen
    27.02.1901 Erfindung der Fetthärtung
    28.02.1901 aus einem Brief an seinen Freund Wilhelm Meigen: "Die beschriebene Eigenschaft des Ni, H-übertragend zu wirken, ist aber richtig. Ich habe bei 160 °C aus chemisch reiner Ölsäure quantitativ und ohne Verharzung Stearinsäure gemacht! Ich bitte Dich aber, hierüber mit niemand zu sprechen und die ganze Sache für Dich zu behalten, denn ich habe starke Hoffnung und versuche dieses Verfahren für die technische Benutzung auszuarbeiten."
    30.07.1902 Aus einem Brief an seine Eltern: "Ich habe nämlich augenblicklich eine Arbeit vor, oder bin vielmehr mit den Vorarbeiten schon fertig, daß vielleicht ein brauchbares Patent dabei herauskommt, ich fürchte aber aus verschiedenen Gründen, daß mir irgend jemand zuvor kommen könnte, wenn ich die Sache nicht beeile".
    14.08.1902 Erteilung des Deutschen Reichspatentes Nr. 141 029 an die Firma "Leprince & Siveke": "Verfahren zur Umwandlung ungesättigter Fettsäuren oder deren Glyceride in gesättigte Verbindungen"
    1902-1905 Versuche zur praktischen Durchführung der Erfindung und eigenes Ersinnen der dazu benötigten Apparatur in der Herforder Firma.
    21.01.1903 Erteilung des britischen Patentes Nr. 1515 : "Process for Converting Unsaturated Fatty Acids or their Glycerides into Saturated Compounds" an Dr.Wilhelm Normann.
    23.02.1903 Aus einem Brief an Meigen: "Im Geschäft habe ich ...hauptsächlich an einer Verbesserung unserer Ölraffination zu thun. ... In der Raffinationssache habe ich die "Freude" erlebt, daß die Reaktion im Reagenzglase sehr schön ging und im Großen gar nicht. Jetzt kann ich wieder von vorn anfangen und herausknobeln, woran das liegt".
    1905-1910 Auf- und Ausbau einer Anlage zur Fetthärtung in der Firma in Herford, gleichzeitig Einführung der Erfindung und Ausbau zu einer Großanlage bei der Firma "Joseph Crosfield & Sons Ltd." in Warrington, England.
    1905-1906 Erfahrungsaustausch und gegenseitige Besuche mit der Firma in Warrington (Chemiker E.C.Kayser).
    31.04.1906 Aus einem Brief an Meigen: "Nachdem ich hier geologisch die Nachbarschaft so weit abgeklappert habe, daß ich nur gelegentlich die alten Fundorte wieder aufzusuchen brauche, bin ich mit Rosenberg zusammen eifriger Botaniker geworden". Seine umfangreiche geologische Stein- und Fossilien-Sammlung, insbesondere auch mit zahlreichen Funden vom Doberg bei Bünde, vermacht er später dem Herforder Heimatmuseum.
    01.07.1907 Eineinhalb Monate in Warrington.
    25.05.1909 Verhandlungen der Firma in Warrington mit Wilhelm Siveke, dem Inhaber der Firma Leprince & Siveke, über eine Lizenz für das Fetthärtungsverfahren.
    15.08.1909 Zerwürfnis mit seinem Onkel Wilhelm Siveke (Inhaber der Firma Leprince & Siveke in Herford) und Ausscheiden aus der Firma. Aus einem späteren Schreiben von Klara Normann: "Durch den Bruch mit der alten Firma wurde Wilhelm frei und konnte die Erfindung in den Ländern, welche unter keinem Patent standen, verkaufen".
    1909 in Warrington.
    11.03.1910-30.09.1910 In Warrington zur Unterstützung der Firma Crosfields.
    02.12.1910 Vertrag mit den Niederländern in Warrington: "Die Herren Jürgens von den Jürgenswerken in Holland waren auch da und schlossen mit Wilhelm einen Vertrag, wonach er auch für dieses Werk eine Fetthärtung anlegen soll".
    01.01.1911-31.01.1922 Wissenschaftlicher Leiter der vom niederländischen Jürgens-Konzern in Emmerich am Rhein errichteten "Ölwerke Germania" (heute Uniquema)
    29.02.1912 In England (Warrington) erstes Hartfett fabriziert.
    12.09.1916 Heirat mit Martha Uflerbäumer aus Herford.
    1922-31.11.1924 Gesellschafter und leitender Chemiker der in eine 1924 31.11. Aktiengesellschaft umgewandelten Fabrik "Leprince & Siveke" in Herford
    08.06.1922 Verleihung der Liebig-Denkmünze durch den Verein Deutscher Chemiker.
    1924-1927 Berater für Fetthärtungsanlagen auch für ausländische Firmen
    29.07.1926 Geburt des Sohnes Wilhelm Normann
    1927-1928 Errichtung und Inbetriebsetzung der Fetthärtungsanlage der für Indien arbeitenden Margarinefabrik "SAPA Societe anonyme des grasses, huiles et produits africaines" in Antwerpen als Technischer Leiter im Auftrag der Belgischen Kolonialgesellschaft.
    21.10.1929-31.12.1938 Arbeit als Chemiker in der Firma für Textil-Veredelungsmittel "H.Th.Böhme Aktiengesellschaft, Chemische Fabrik Chemnitz" in Chemnitz. Chefchemiker: Dr. Heinrich Bertsch. Eingestellt hauptsächlich für die Ausarbeitung neuer Hydrierungsverfahren. Erfolgreiche Bearbeitung eines neuen Problemes auf dem Gebiet der Hochdruckhydrogenierung von Fettalkoholen zu Fettalkoholsulfonaten.
    16.04.1935 Die Firma "H.Th.Böhme" wird vom der Firma Henkel & Cie. übernommen und in die "Böhme Fettchemie GmbH" umgewandelt. Aus einem Bericht der Böhme Fettchemie GmbH.: "Den entscheidenden Erfolg brachte das Sulfonieren von Fettalkoholen zu Fettalkoholsulfonaten. Diese besitzen außerordentlich wertvolle Eigenschaften für die Textilveredelung. Die typischen Vertreter unter den Waschmitteln sind für technische Zwecke die Gardinole, für die Verwendung im Haushalt das Feinwaschmittel "Fewa", zu dem neuerdings das Geschirrspülmittel "Pril" gekommen ist".
    01.01.1939 Beginn des Ruhestandes
    21.01.1939 aus einem Brief an seinen Freund Erhard Brand: "Zunächst will ich meine Papiere und Notizen ordnen und sichten und dann will ich mich literarisch betätigen". Der Ruhestand sollte dienen zur Ausführung und Lösung lang gehegter Pläne und Probleme auf wissenschaftlichem Gebiet
    Februar 1939 Beantragung der Verleihung des Ehrendoktors der Naturwissenschaften (Dr.rer.nat.h.c.) durch die Naturwissenschaftliche Fakultät und den Senat der Universität Münster in Westfalen. Wilhelm Normann starb, bevor die Verleihung offiziell erfolgte.
    Frühjahr 1939 Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Fettforschung, Münster (Präsident: Prof.Dr. Hans-Paul Kaufmann).
    01.05.1939 Gestorben in Chemnitz nach langer Krankheit im Küchwald-Krankenhaus im Alter von 69 Jahren.
    05.05.1939 Beigesetzt auf dem Familiengrab in Herford auf dem Friedhof an der Hermannstraße
    Ein Leben in Bildern
    Portrait 1875
    Portrait 1875

    Portrait 1885
    Portrait 1885

    Labor 1888
    Labor 1888

    1894 Freiburg
    1894 als Student in Freiburg

    Portrait 1900
    Portrait 1900

    Promotion 1900
    Promotion 1900

    "Beiträge zur Kenntnis der Reaktion zwischen unterchlorigsauren Salzen und primären aromatischen Aminen"
    Labor 1903
    Labor 1903

    Portrait 1905
    Portrait 1905

    Zeichnung 1906
    Zeichnung 1906

    Zeichnung 1906
    Zeichnung 1906

    Labor 1914
    Labor 1914

    Portrait 1931
    Portrait 1931

    Labor 1938
    Labor 1938

    Portrait 1938
    Portrait 1938

    Todesanzeige 1939
    Todesanzeige 1939

    Nachruf des DGF-Präsidenten H.P. Kaufmann (1939)

    Nachruf des DGF-Präsidenten H.P. Kaufmann (1939) auf W. Normann


    veröffentlicht in der DGF-Zeitschrift "Fette und Seifen", 46, S. 259-264 (1939)

    Am 1. 5.1939 schloß Deutschlands bekanntester Fettforscher, Dr. Wilhelm Normann, die Augen für immer. Mit ihm ist ein Chemiker von uns gegangen, über dessen Geschick als Erfinder und Forscher eine tiefe Tragik waltete. Die Fetthärtung war eine technische Großtat, wie sie die gesamte Chemie in Jahrzehnten nur einmal aufzuweisen hat. Sie warf der beteiligten Industrie Millionengewinne in den Schoß, aber ihr Schöpfer mußte zeitweise mit wirtschaftlichen Sorgen kämpfen. Und auch die wissenschaftliche Anerkennung seiner Leistungen ist ihm nicht in dem Maße zuteil geworden, wie er es verdient hätte.

    Zwar ehrte ihn der Verein Deutscher Chemiker 1922 durch Verleihung der Liebig-Gedenkmünze, und befreundete Fachgenossen setzten sich voll und ganz für den Erfinder Normann ein1). Ich erinnere mich auch noch der spontanen Huldigung, die ihm die rund 1000 Besucher der 1. Hauptversammlung der DGF 1937 in Berlin darbrachten, als ich bei der Eröffnungsansprache der Freude Ausdruck gab, ihn so frisch unter uns zu sehen. Aber von amtlicher Seite blieb die Anerkennung eines Mannes, dessen Leistungen früher eines Nobelpreises würdig gewesen wären, leider aus. Die diesjährige, mit der X. Sitzung der Internationalen Kommission zum Studium der Fettstoffe verbundene Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Fettforschung sollte das Versäumte nachholen.

    Die DGF beabsichtigte, in öffentlicher Sitzung die Urkunde der Ehrenmitgliedschaft zu überreichen, die sie Normann als erstem Chemiker jüngst verliehen hat. Darüber hinaus war der Verstorbene für die höchste Ehre in Aussicht genommen worden, die von deutschen Hochschulen vergeben werden kann. Die Universität Münster, seit E. König und A. Bömer mit der Fettforschung eng verbunden, zugleich die Landesuniversität Westfalens, hatte dem Sohn ihrer engeren Heimat die Würde eines Ehrendoktors der Naturwissenschaften zugedacht. Der bereits im Februar ds. Js. eingereichte Antrag fand die verständnisvolle Billigung von Fakultät und Senat, und an der ministeriellen Genehmigung war nicht zu zweifeln. Aber ein unbarmherziges Geschick warf W. Normann auf das Krankenlager und ließ ihn diese Ehrungen in offizieller Form nicht mehr erleben.

    Es ist uns ein, wenn auch schwacher Trost, daß die Nachricht der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der DGF und des Dr. h. c. der Universität Münster für ihn eine letzte Freude war und ihm zugleich den Beweis erbrachte, daß die deutsche Wissenschaft und zahlreiche Freunde seiner in Verehrung und Dankbarkeit gedachten. Solchen Empfindungen auch an dieser Stelle in einem Nachruf Ausdruck zu verleihen und des Verewigten als Forscher und Menschen zu gedenken, ist mir Ehrenpflicht.

    Am 16. 1. 1870 wurde Wilhelm Normann in Petershagen in Westfalen als Sohn des Rektors Julius Normann geboren, der eine sehr umfangreiche Chronik der Stadt Herford geschrieben und sich durch die Übersetzung eines, auf den Gesetzen des Sachsenspiegels fußenden und in mittelniederdeutscher Sprache geschriebenen Herforder Rechtsbuches verdient gemacht hat. Seine Arbeiten weisen den gleichen Fleiß und die gleiche liebevolle Vertiefung in die Sache auf, wie wir sie später bei dem Sohn beobachten können. Fantasie und Neigung zum Experimentieren stammen aber wohl von der klugen Mutter, Luise Siveke, deren Geschlecht schon 1617 in Herford ansässig war und großes Ansehen genoß.

    In Herford besuchte der junge Normann das Friedrich-Gymnasium und trat 1888 mit der Primareife in die einem Verwandten gehörende Herforder Maschinenfett- und Ölfabrik Leprince und Siveke ein. Seine Neigung zur Wissenschaft zog ihn aber bereits 1890 zu systematischem Studium der Chemie nach dem Laboratorium Fresenius in Wiesbaden. "Die Fortschritte des Herrn Normann waren sehr gut", bezeugte 1891 sein Lehrer Prof. Fresenius. In den folgenden Jahren sehen wir Normann wieder in dem Herforder Betrieb, der insbesondere konsistente Maschinenfette herstellte, tätig, zwischendurch aber Kurse der damaligen "Königl. Mechan.-techn. Versuchsanstalt" in Charlottenburg, und zwar in der "Abteilung Öl-Prüfung" von D. Holde besuchen.

    Von 1895-1900 bezog Normann die Universität Freiburg, wo er bei Claus und Meigen Chemie studierte. Nebenher galt sein besonderes Interesse der Geologie, die damals Steinmann lehrte. Mit einer unter Leitung von Claus durchgeführten Dissertation promovierte Normann im Jahre 1900. Seine Zulassung zur Doktorprüfung ohne Abiturientenexamen beweist die Wertschätzung und wissenschaftliche Anerkennung, deren er sich erfreute.

    Anschließend kehrte er wieder in die Herforder Fabrik zurück, wo ihm 1901 die Erfindung der Fetthärtung gelang. Mit dieser ist sein ferneres Geschick aufs engste verbunden. Sie führte ihn nach England, dann zurück nach Deutschland in die Ölwerke Germania G.m.b.H., Emmerich, deren wissenschaftlicher Leiter er 1911-1922 war. Während der Kriegs- und Inflationsjahre verlor er, der sein gesamtes Vermögen in Kriegsanleihe angelegt hatte, den bescheidenen Gewinn seiner Erfindung. Dann sehen wir ihn bis 1926 als Berater für ausländische Fetthärtungsanlagen wieder in Herford; zugleich war er technischer Leiter der in eine Aktiengesellschaft umgewandelten heimatlichen Fabrik. In gleicher Eigenschaft wirkte er 1927-1929 bei der Soc. anonyme d'Huiles, Graisses et Produits Africains ("Sapa") in Antwerpen, bis sich ihm im Jahre 1929 bei der H. Th. Böhme A.-G., der jetzigen Böhme-Fettchemie G.m.b.H., Chemnitz, deren Leitung Normann menschlich und beruflich ein dankenswertes Verständnis entgegenbrachte, ein ersprießliches Wirkungsfeld erschloß. Am 31. 12. 1938 trat er in den wohlverdienten Ruhestand, dessen er sich aber leider nicht lange erfreuen durfte.

    Das unvergängliche Lebenswerk Normanns ist die Erfindung der Fetthärtung. Die Beschäftigung mit konsistenten Maschinenfetten führte Normann schon früh zu dem Problem der Überführung flüssiger Fette und Fettsäuren in solche höherer Schmelzpunkte. Diese, ursprünglich mit der Stearingewinnung für die Kerzenindustrie verknüpfte Aufgabe, von verschiedenen Seiten her angegriffen, harrte einer endgültigen Lösung. Nur ein einfaches und wirtschaftliches Verfahren konnte auf Erfolg hoffen. Daß es sich im wesentlichen um die Anlagerung von Wasserstoff an die mehrfachen Bindungen der Fettsäuren handeln mußte, lag auf der Hand. Hier hatte die Katalyse bereits auf anderen Gebieten der organischen Chemie den Weg gewiesen.

    Sabatier und Senderens gelang es, die Dämpfe organischer Verbindungen bei Gegenwart von Nickel mit Wasserstoff zu hydrieren. Es liegt mir fern, die Verdienste der französischen Forscher schmälern zu wollen - aber von ihren Versuchen bis zur Fetthärtung war noch ein weiter Weg! Dies zeigt schon allein die Tatsache, daß Glyceride wegen ihrer Nichtflüchtigkeit nach Sabatier nicht zu hydrieren sind, ja die Fetthärtung mußte in der von Normann erfundenen Weise nach den Auffassungen der französischen Forscher als unmöglich erscheinen, da letztere eine Aufhebung der Wirkung der Katalysatoren bei Benetzung mit Flüssigkeiten annahmen. Normanns Erfindung ist also durchaus neu und eigenartig. Das Eintragen des in besonderer Weise hergestellten Katalysators in das erwärmte flüssige Fett und die innige Vermischung mit eingerührtem Wasserstoff ermöglichten die technische Fetthärtung. Das Dreiphasensystem: flüssiges Fett - fester Katalysator - gasförmiger Wasserstoff ist Normanns alleiniges und unbestreitbares Erfindungsgut. Es berechtigt uns, ganz abgesehen von der zu jener Zeit nicht einfachen, unter seiner Mitwirkung zustandegekommenen technischen Durchbildung des Verfahrens, die Fetthärtung als deutsche Erfindung in Anspruch zu nehmen.

    Die grundlegenden Versuche der Hydrierung von Ölsäure und Rüböl führte Normann im Jahre 1901 aus. Er hat sie 1937 in einem Vortrag2) selbst geschildert: "Ich stellte mir durch Erhitzen von Nickelnitrat nach Sabatiers Vorgang Nickeloxyd her und reduzierte dieses in einem Glasrohr im Wasserstoffstrom zu einem feinen Pulver. Letzteres erwies sich als pyrophorisch und geriet ins Glühen, wenn es an die Luft kam. Ich brachte nun einige Kubikzentimeter reine Ölsäure in ein Reagenzglas, fügte frisch reduziertes Nickel hinzu und leitete unter Erhitzung im Ölbad auf 160 Grad aus einem Kippschen Apparat Wasserstoff in kräftigem Strom hindurch.

    Gleich der erste Versuch gelang. Am Erstarren eines mit einem Glasstab herausgenommenen Pröbchens ließ sich die Umwandlung erkennen. Die angewandte Ölsäure war praktisch vollständig in Stearinsäure umgewandelt worden. Nach meinen Notizen war dies am 27. Februar 1901, der somit der eigentliche Geburtstag der Fetthärtung ist. Diese allererste durch Härtung erzeugte Stearinsäure steht heute im Präparatenschrank des Deutschen Museums in München". Daß Normann die große praktische Bedeutung des Verfahrens sofort erkannte, geht aus dem grundlegenden, im folgenden Jahr angemeldeten DRP 141029 hervor. In dessen Beschreibung heißt es: "Gibt man feines Nickelpulver, durch Reduktion im Wasserstoffstrom erhalten, zu chemisch reiner Ölsäure, erwärmt im Ölbad und leitet einen kräftigen Strom von Wasserstoffgas längere Zeit hindurch, so wird die Ölsäure bei genügend langer Einwirkung vollständig in Stearinsäure übergeführt. Die Menge des zugesetzten Nickels und die Höhe der Temperatur sind unwesentlich und beeinflussen höchstens die Dauer des Prozesses. Die Reaktion verläuft, abgesehen von der Bildung geringer Mengen Nickelseife, die sich mit verdünnten Mineralsäuren leicht zerlegen läßt, ohne Nebenreaktion. Dasselbe Nickel kann wiederholt gebraucht werden. Ebenso wie die freien Fettsäuren verhalten sich auch deren in der Natur vorkommende Glyceride, die Fette und Öle. Aus Olivenöl entsteht nach dem beschriebenen Verfahren eine harte, talgartige Masse, ebenso aus Leinöl und Tran. Es lassen sich also auf dem beschriebenen Wege alle Arten von ungesättigten Fettsäuren und deren Glyceride hydrogenisieren.

    Dieses Patent erschloß ein gewaltiges Arbeitsgebiet. Organische Verbindungen verschiedenster Art konnte man nun in einfacher Weise hydrieren, und tatsächlich bauten sich in der Folgezeit zahlreiche Verfahren auf dieser Art der Katalyse auf, von denen nur die T etralin- und Dekalin-Herstellung genannt seien. Auf dem Fettgebiet eröffnete sich die Möglichkeit, die überwiegend in flüssiger Form vorhandenen Fette des Tier- und Pflanzenreiches in solche fester oder streichfähiger Beschaffenheit umzuwandeln, sie so der Ernährung oder der technischen Verwendung zuzuführen und sie gleichzeitig beständiger und lagerfähig zu machen. Der Weg vom Laboratorium zum Großbetrieb war aber noch weit. Heute erscheint uns die Fetthärtung als ein technisch verhältnismäßig leicht durchführbares Verfahren. Versetzen wir uns aber einmal in die Zeit der Jahrhundertwende zurück, so wird uns der dornenvolle Weg, den Normann gehen mußte, verständlich. Vor allem fehlte es an der großtechnischen Herstellung von Wasserstoff.

    Das Messerschmitt-Verfahren oder die Herstellung von Elektrolyt-Wasserstoff in großtechnischem Ausmaß gab es noch nicht. So war Normann genötigt, sich auch mit der Gewinnung von Wasserstoff zu befassen. Weiter mußten die Schwierigkeiten der Darstellung geeigneter Katalysatoren in großem Ausmaß, ihrer Filtration und häufigen Wiederverwendung gelöst werden. Auch die Apparaturfrage bot einige Schwierigkeiten. Ohne Mitarbeiter, mit den bescheidensten Hilfsmitteln hat Normann die kleintechnische Lösung erfolgreich durchgeführt und später die Großherstellung richtunggebend beeinflußt. Wir verdanken ihm eine kurze Schilderung der Entwicklung der Fetthärtung und ihrer Geschichte, zu der sich der bescheidene Erfinder aber erst nach wiederholtem Drängen bereit fand3).

    Daß die mit verhältnismäßig geringen Mitteln arbeitende kleine Fabrik von Leprince und Siveke das Wagnis der technischen Ausarbeitung der Fetthärtung nicht übernahm, ist vielleicht verständlich. Leider lehnte aber auch eine führende deutsche Fabrik, E. de Haen in Seelze-Hannover, das Verfahren ab, da der Katalysator nach jedesmaligem Gebrauch an Wirkung verlor. Niemand kann es daher Normann verübeln, wenn er nunmehr mit ausländischen Firmen in Beziehung trat. So ging die Fetthärtung nach England, um von dort später nach Deutschland zurückzukehren. Die englische Firma Jos. Crosfields & Sons Ltd. in Warrington erkannte die große Bedeutung der Normannschen Erfindung. Ihre Verdienste um die großtechnische Durchführung der Fetthärtung müssen anerkannt werden. Durch die Patentschrift auf das Verfahren aufmerksam geworden, richtete sie eine Anfrage an die Firma Leprince und Siveke, unter deren Namen das deutsche Patent genommen worden war. Normann stellte ein Muster gehärteten Fettes zur Verfügung.

    Daraufhin schickte die englische Fabrik ihren Chemiker E. C. Kayser nach Herford, schloß einen Lizenzvertrag mit Normann und lud ihn, als die Versuche von Kayser fehlschlugen, nach England ein, um dort in Gemeinschaft mit letzterem das Verfahren technisch auszubauen. Die erste große Versuchsanlage wurde mit einer Nutzfüllung von 1t erstellt, wobei ein liegender Härtekessel zur Anwendung kam. Wasserstoff entwickelte man auf Normanns Veranlassung aus glühenden Eisenspänen und Wasser in liegenden Eisenretorten. Der Katalysator wurde, einer Anregung des sich für die technische Durchführung des Normannschen Verfahrens trotz aller Zweifel - der angesehene englische Fettchemiker Lewkowitsch bezeichnete noch 1906 die Fetthärtung als praktisch undurchführbar! - unbeirrt einsetzenden Leiters der englischen Firma, des Dr. Markel (eines geborenen Deutschen), entsprechend, auf Kieselgur niedergeschlagen, ein Versuch, den Normann bereits vorher gemacht hatte, der aber infolge der mangelhaften Beschaffenheit des zur Verfügung stehenden Trägers fehlschlug.

    Die Verwendung von Nickel-Kieselgur erfolgte anfangs auf Grund der damals schwierigen Filtration des fein verteilten Metalles. Dabei zeigte sich bald der Vorteil, daß man mit weniger Nickel auskam. Wie ich aus hinterlassenen Aufzeichnungen, die mir Frau Martha Normann in entgegenkommender Weise zur Verfügung stellte, ersehe, gelang es Normann nach seiner Rückkehr von England, seinen Onkel Wilhelm Siveke zur Einrichtung einer Härtungsanlage von etwa 10t Wochenleistung zu bewegen. Er ließ eine Anzahl verschiedener Apparatemodelle bauen und stellte u. a. fest, daß die Einwirkung von Wasserstoff unter Druck vorteilhaft ist. Im Frühjahr 1908 reiste er wiederum nach Warrington, um die dortige Anlage im Hinblick auf die inzwischen in Herford gefundenen neuen Gesichtspunkte umzugestalten und gleichzeitig, um den an Kaysers Stelle getretenen Betriebsleiter Fox kennenzulernen. Im Sommer konstruierte und baute er dann in Herford eine Versuchsanlage nach seinen eigenen Ideen. Sie unterschied sich von der Crosfieldsschen im wesentlichen durch den aufrecht stehenden Härtungsapparat, die Anwendung schwach komprimierten Wasserstoffs und die Wiedergewinnung des Überschusses desselben.

    Normann hatte die Freude, festzustellen, daß die getroffenen Änderungen und Neuerungen sich bewährten. Die Herren Crosfields und Fox besichtigten diese Apparatur Ende 1908 und legten sie ihrer in Aussicht genommenen 100t -Anlage zugrunde. Nun handelte es sich darum, für das neue Produkt Abnehmer zu finden. Die Firma Leprince und Siveke trat mit verschiedenen Verbrauchern und auch Händlern in Verbindung, ohne Erfolg zu haben. Die Firma 0verbeck in Dortmund lehnte das gehärtete Fett ab. Die rührige Firma Sudfeldt in Melle war lebhaft interessiert und schloß einen Kaufvertrag ab. Es blieb aber bei dem Bezug von einigen Tonnen. Durch Vermittlung von Sudfeldt besuchte Normann die Seifen- und Kerzenfabrik Siegle in Neuwied, die sich ziemlich ungünstig über ihre Erfahrungen aussprach und auch nur Preise zahlen wollte, die nicht über die Selbstkosten von Leprince & Siveke hinausgingen. Normann berichtet weiter über die charakteristische Antwort eines Seifenfabrikanten in Minden: "Es werden in den letzten Jahren soviel neue Seifenfette angeboten, die sich alle nicht bewähren, daß wir Seifenfabrikanten gegen jedes weitere Neue das allergrößte Mißtrauen haben". Auch die Firmen Homann in Dissen und Meyer in Lippinghausen, die zu den größeren deutschen Margarinefabriken zählten, besuchte Normann und lieferte ihnen Proben gehärteter Fette. Da man aber mit der Art der Verwendung derselben noch keine Erfahrungen hatte, vielleicht auch zu weitgehend gehärtete Fette benutzte, kam ein größerer Bezug nicht zustande.

    Das inzwischen in einer Menge von etwa 20t hergestellte gehärtete Fett wurde schließlich anstelle von Talg im eigenen Betrieb auf konsistentes Maschinenfett verarbeitet. Im August 1909 trat Normann aus der Firma Leprince und Siveke aus. Damit kam gleichzeitig deren Härtung zum Erliegen. Später dürfte W. Siveke klar geworden sein, welche großen Möglichkeiten er aus der Hand gegeben hatte. Die ungünstigen Erfahrungen in Bezug auf den Absatz gehärteter Fette konnten aber das Vertrauen der englischen Firma nicht erschüttern. Sie baute vielmehr nicht nur die bereits erwähnte 100t-Anlage, sondern ersetzte auch den mit Leprince & Siveke abgeschlossenen Lizenzvertrag durch den Ankauf des englischen Patentes. Im Frühjahr 1908 bemühten sich gleichzeitig die russische Firma Persitz und die Rotterdamsche Soda- & Chemikalien-Fabrik, deren Inhaber Verwandte in Herford hatten, bei Normann um den Erwerb des Verfahrens. W. Siveke gab seine Zustimmung zu einem Vertragsabschluß mit der russischen Firma, nicht aber mit der holländischen. Leider waren aber die Erfahrungen, die Normann mit erstgenannter Fabrik machte, recht trübe. Ihr Ingenieur, M. Wilbuschewitsch, der Deutschland bereiste, "um technische Neuheiten kennenzulernen", ließ sich in Herford das Verfahren, die Herstellung des Nickel-Kieselgur-Katalysators den dabei angewandten Trockenröster und alle Einzelheiten erklären. Normann besorgte anschließend den Härtungsautoklaven für die russische Fabrik. Die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf die Entschädigung Normanns wurden aber nicht nur gebrochen, sondern Wilbuschewitsch benutzte die vertraulich erworbenen Kenntnisse zu eigenen Patentanmeldungen, teilweise unter Verwendung der von Freysoldt bereits 1901 beschriebenen "dissiparischen" Arbeitsmethode. Die natürlich von Normanns Patent abhängigen Verfahren verkaufte Wilbuschewitsch 1911 für eine Million Mark an die Bremen-Besigheimer Ölfabriken. Über diesen, heute kaum noch verständlichen Vorgang hat sich Normann stets mit begreiflicher Entrüstung geäußert.

    Die in der Folgezeit eingeleiteten Patentprozesse endeten schließlich damit, daß der holländische Jurgens-Konzern, der das Normannsche Verfahren von Crosfields gekauft hatte, die Bremen-Besigheimer Ölfabriken erwarb. Dieser Konzern, der die Margarine-Fabrikation in großem Umfang betrieb, gründete auf deutschem Boden, in Emmerich, 1911 die Ölwerke Germania und unterstellte sie der wissenschaftlichen Leitung Normanns. Sie härteten bereits vor dem Kriege 100t Fett pro Tag. Die Bremen-Besigheimer Ölfabriken hatten 1912 mit ausländischen Kapitalisten zusammen die De-No-Fa in Friedrichstadt in Norwegen ins Leben gerufen. Gleichzeitig erfuhr die Erzeugung von Wasserstoff, die auch für die Luftschiffahrt des Grafen Zeppelin von großer Bedeutung war, eine industrielle Vervollkommnung. Der ständig wachsende Erfolg der Fetthärtung rief eine große Zahl von Erfindern auf den Plan, die sich z. T. mit der Apparatur, besonders aber mit dem Katalysator der Fetthärtung beschäftigten. Die Frage, ob Nickeloxyd (das schon Ipatieff zur Hydrierung organischer Verbindungen benutzt hatte), Nickelkarbonat usw. ohne. Entstehung von metallischem Nickel als Katalysator wirken, führte zu unerquicklichen, viel Arbeitskraft und kostbare Zeit in Anspruch nehmenden Streitigkeiten, bei denen aber Normann obsiegte. Die Ansicht seines besonders hervorgetretenen Gegners Erdmann, daß Nickeloxyd oder das hypothetische Nickelsuboxyd die Katalysatoren seien, konnte er mit Erfolg widerlegen. Auch Nickelkarbonat, von Fuchs-Granichstätten4) eingeführt, sowie das von Wimmer - Higgins5) vorgeschlagene Nickelformiat wirken gIeichfalls nur durch das in Freiheit gesetzte Metall Nickel.

    Wenn diese Verbindungen auch durch die Reduktion in Öl in der Technik eine Bedeutung erlangten und besonders das Formiat sich heute großer Beliebtheit erfreut, so handelt es sieh doch nur um Variationen des Katalysators und der Apparatur, durch die an den Grundzügen des Normannschen Verfahrens nichts geändert wird. Sie fallen alle unter den sehr weit gefaßten Patentanspruch des DRP 141029, der die Hydrierung von Fettprodukten mit Wasserstoff bei Gegenwart feinverteilter Metalle unter Schutz stellte. Alle Verfahren benutzen das von Normann angegebene Dreiphasen-System. Auch wenn man nicht Wasserstoff in Fette einrührt, sondern letztere verspritzt, wird es verwandt. Es ist daher abwegig, drei Verfahren (Normann, Erdmann und Wilbuschewitsch) nebeneinander zu stellen. Die neuzeitliche Fetthärtung arbeitet auch heute noch, trotz mehrerer hundert Patente, im Wesentlichen nach Normanns Angaben. Wer sich über die geschichtliche Entwicklung der Fetthärtung unterrichten will, sei auf die bereits erwähnte Schilderung Normanns in dieser Zeitschrift verwiesen6).

    Heute ist jedem mit Fragen der Fettchemie, und zwar sowohl von dem Standpunkt der Ernährung, als auch der technischen Anwendung, in Berührung kommenden Fachmann die Bedeutung der Fetthärtung bekannt. Das anfängliche Mißtrauen ist auf allen Gebieten verschwunden. Die Seifenindustrie verwendet gehärtete Fette und Fettsäuren zur Herstellung konsistenter und haltbarer Seifen, die Einwände zu geringer Schaumwirkung sind widerlegt. Aber auch auf dem Ernährungsgebiet ist es das Verdienst Normanns, bahnbrechend gewirkt zu haben. Von ihm stammt der Vorschlag, gehärtete Fette in der Margarine zu verkirnen und somit flüssige Fette streichbar zu machen oder schlecht genießbare flüssige Fette der Ernährung zuzuführen. Schon 1909 regte er bei zwei westfälischen Fabriken an, gehärtete Fette der Margarine beizumischen. Vom Baumwollsamenöl gelangte man zum Walöl. Daß gut raffinierte Fette weniger Nickel enthalten als manche natürliche Nahrungsmittel, habe ich 1927 mit M. Keller bewiesen7). An der Bekömmlichkeit der mit gehärtetem Fett hergestellten Margarine wird heute nicht mehr gezweifelt. Aber zu jener Zeit mußte das Vorurteil "chemisch behandelter" Fette, zumal wenn es sich um Wal-"Tran" handelte, erst überwunden werden.

    So kam es, daß die eigentliche Geburtsstunde der Verwendung gehärteter Fette in der Margarine erst spät bekannt wurde. Heute liegt sie genau 30 Jahre zurück! Da Walöl ohne Härtung in der Margarinefabrikation nicht verwendbar ist, muß Normann im Hinblick auf den Walfang - und besonders den deutschen - ein großes Verdienst zuerkannt werden. Daß außerdem während des Weltkrieges gerade die Fetthärtung bei der Veredlung von flüssigen Fetten eine große Rolle spielte, ist bekannt. Gehärtet wurden im Kriege Walöl, Fischöle, Rüböl, Leinöl, Rapskuchenöl und viele andere, sonst nicht genußfähigen Fette. Wurde doch in den letzten Kriegsjahren ein Drittel der gesamten Nahrungsfette gehärtet, womit man die verfügbaren Mengen um die Hälfte steigerte! Das Verfahren Normanns in seiner umfassenden Auswirkung für industrielle und zur Ernährung bestimmte Fette wird nach menschlichem Ermessen auch für die Zukunft ein Grundpfeiler der Fettverarbeitung bleiben.

    Normanns Arbeiten erschöpfen sich aber keineswegs nur in der Fetthärtung und deren technischer Gestaltung. Er besaß vielmehr eine ausgesprochene Neigung zur Forschung, auch ohne Rücksieht auf praktische Anwendung. Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieser Mann, wenn man ihm ein Forschungsinstitut mit einer genügenden Anzahl Mitarbeiter und neuzeitlichen Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt hätte, auch auf anderen Gebieten Bedeutendes geleistet hätte. Wie vielseitig seine Interessen waren, möge aus einer kurzen Zusammenstellung seiner verschiedenen Veröffentlichungen hervorgehen. In seiner ersten Veröffentlichung behandelte Normann unter Nachprüfung des DRP 78748 die Einwirkung unterchloriger Säure auf aromatische Amine8). Nur bei ß-Naphthylamin und seinen Derivaten konnten, den Angaben - des Patentes entsprechend, Azine - nachgewiesen werden. Bei den Abkömmlingen des Anilins handelte es sich in Wirklichkeit um Azoverbindungen. Nach einer kürzeren Untersuchung über Kupferalkalizellulose9) beginnt dann eine stattliche Reihe von Veröffentlichungen Normanns auf dem Fettgebiet. Zunächst sei der die Fragen der Fetthärtung behandelnde Teil derselben zusammengestellt:

    Wirkt Osmiumdioxyd als Fetthärtungskatalysator? (mit F. Schick), Arch. Pharmaz. 252, 208 [1914].

    Zur Kenntnis der katalytischen Wasserstoffanlagerung an ungesättigte Verbindungen. Nachweis von metallischem Nickel bei der Ölhärtung unter Anwendung von Nickeloxyd und anderen Nickelverbindungen. (mit W. Pungs), Chemiker-Ztg. 39, 29, 41 [1915].

    Nickelborat als Fetthärtungskatalysator. Seifensieder-Ztg. 42, 657 [1915]

    Katalytische Wasserstoffanlagerung an ungesättigte Verbindungen. Chemiker-Ztg. 39, 577 [1915].

    Beitrage zur Kenntnis der Fetthärtung. Chemiker-Ztg. 40, 381 [1916].

    Vergleichende Versuche über Fetthärtung unter Anwendung von Nickelmetall und von Nickeloxyden. Chemiker-Ztg. 40, 757 [1916].

    Die katalytische Fetthärtung. Seifensieder-Ztg. 43, 804 [1916].

    Über die Bestimmung des Glycerins in gehärteten Fetten. (mit E. Hugel), Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 23 45 [1916].

    Zur Analyse gehärteter Öle. (mit E. Hugel), Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 23, 131 [1916].

    Zur katalytischen Wasserstoffanlagerung. Einfluß des Sauerstoffs auf den Katalysator. Ber. dtsch. chem. Ges. 55, 2193 [1921].

    Katalytische Wasserstoffabspaltung. Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 30, 3 [1923].

    Zur Härtung oxydierter Öle. Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 36, 81 [1929].

    Ölhärtung bei niedriger Temperatur. Chem. Umschau, Fette, Öle, Wachse, Harze 38, 289 [1931].

    Nickelcarbonyl bei der Fetthärtung. Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 39, 126 [1932].

    Zur Herstellung von Nickel-Kieselgur-Katalysatoren. Fette u. Seifen 43, 133 [1936].

    Zur Entstehung der Fetthärtung. Chemiker-Ztg. 61, 20 [1937].

    Über einige Probleme der Fetthärtung. Fette u. Seifen 44, 330 [1937].

    Die Härtung von Walöl und die Verwendung von gehärtetem Walöl in der Margarineherstellung. Fette u. Seifen 45, 73 [1938].

    Auch die Fettanalyse hat W. Normann mit wertvollen Untersuchungen bereichert. Hier kommen seine Experimentierkunst und seine kritische Beobachtungsgabe voll zur Geltung. Von physikalischen Methoden bearbeitete er die Molekulargewichtsbestimmung 10), das spezifische ewicht der Fette11), die Konsistenzmessung von Maschinenfetten12), die er schon früher auf ihr chemisches Verhalten prüfte13), die Viskositätsmessung von Ölen14) und die Schmelzausdehnung in einem besonders konstruierten Dilatometer14). Mehrere Arbeiten beschreiben die Wasserbestimmung in Fetten, Fettsäuren und Glycerin15) sowie andere Fragen, die sich aus der Praxis ergaben, wie die Bestimmung von Kohlenwasserstoffen in Fetten16), die Untersuchung extrahierter Fette17) oder von Bleicherden18). Auch einzelne Fette19) machte Normann zum Gegenstand einer näheren Prüfung, zum Teil im Auftrage des Kriegsausschusses für Öle und Fette, den er mit seinem wertvollen Rat tatkräftig unterstützte.

    Von bleibendem Wert sind die Untersuchungen über die Acetylzahl- bzw. Hydroxylzahl-Bestimmung20). Noch zu Anfang dieses Jahres sandte Normann eine Studie über die Jodzahl-Bestimmung ein, die in diesem Heft abgedruckt ist. Zwei Patente behandeln die Umesterung der Fette, insbesondere durch Einführung niedrigmolekularer Fettsäuren in Fette hohen Schmelzpunktes (DRP 407 180, 417 215). Sie sind für spätere Bearbeiter richtunggebend geworden. Apparative Fragen von Laboratoriumsapparaten bis zu großtechnischen Anlagen haben stets lebhaft beschäftigt. Auch darüber liegt eine Anzahl von Veröffentlichungen vor21). Sie sind gekennzeichnet durch das Bestreben, mit einfachen Hilfsmitteln ein Höchstmaß von Wirkung, zu erzielen. Man prüfe z. B. die einfache und doch höchst zweckmäßige Rührvorrichtung Normanns für Reaktionen von Gasen mit Flüssigkeiten22); sie bewährt sich vorzüglich.

    Im letzten Jahrzehnt, gleichsam als Abschluß seiner Erfindertätigkeit, erreichte Normann noch einmal einen Höhepunkt seines Schaffens. Und wieder war es die katalytische Hydrierung, die als Arbeitsmethode diente, und zwar zur Hochdruckhydrierung von Fettsäuren und Fetten zwecks Gewinnung der Fettalkohole. Verschiedene Bearbeiter haben dieses Problem unabhängig voneinander zur Lösung gebracht. Normann, mit der Erfahrung von Jahrzehnten ausgerüstet, veröffentlichte als erster23) eine scharfsinnige Untersuchung "Über die katalytische Reduktion der Carboxylgruppe". Es schmälert seine Verdienste nicht, daß ihm unbekannte, zwar früher unter Patentschutz gestellte, aber erst später ausgelegte Verfahren den gleichen Gegenstand behandeln. Neidlos hat Normann auch das Verdienst W. Schrauth's, die erste großtechnische Durchführung der Hochdruckhydrierung betreffend, anerkannt und ist mit ihm in einen freundschaftlichen Gedankenaustausch eingetreten24). Die Ergebnisse Normann's sind in einer Anzahl von Patenten der Böhme Fettchemie25) niedergelegt. Sie betreffen die Hochdruckhydrierung mit metallischem Kupfer oder Kupfercarbonat in verschiedenen Ausführungsarten. Die Bedeutung der Fettalkohole als Ausgangsstoffe der sulfonierten Waschmittel ist hinreichend bekannt. Zur theoretischen Deutung der Alkoholbildung aus Estern nimmt Normann die primäre Entstehung eines Halbacetals durch Wasserstoffanlagerung an: R·COO·R1+ H2 = R·CH·(OH)·0·R1, das nunmehr in zwei Richtungen weiter zu reagieren vermag. Einmal kann bei weiterer Reduktion unter Wasserabspaltung der Äther R·CH2·O·R1 entstehen, der in den entsprechenden Alkohol und einen Kohlenwasserstoff zerfällt. Oder es wird das Halbacetal ohne Wasserabspaltung in zwei Alkohole zerlegt: R·CH·(OH)·0·R1+H2 = R·CH2OH+R1OH. Schließlich ist an die Aufspaltung des Esters in Kohlenwaserstoff und freie Fettsäure zu denken, die dann zum Alkohol reduziert wird: R·COO·R1+H2 = R·COOH+R1·H. Die zu erwartenden Spaltstücke hat Normann isolieren oder indirekt nachweisen können. So entsteht aus Glyceriden Propylalkohol. Die Alkoholbildung steht aber bei der technischen Durchführung der Hochdruckhydrierung durchaus im Vordergrund.

    Wie wir sehen, hat die wissenschaftliche und technische Arbeit Normanns reiche Früchte getragen. Sein Lebensbild wäre aber unvollständig, wollte man nicht auch der menschlichen Eigenschaften gedenken. Gerade und aufrecht in seiner Gesinnung, war Normann von einer außergewöhnlichen Bescheidenheit. Seine sachliche, kritische Art legte an sich selbst den gleichen strengen Maßstab wie an die Leistungen anderer. Seine Pläne verfolgte er mit zäher Energie und verteidigte den einmal eingenommenen wissenschaftlichen Standpunkt oft mit einer, dem Westfalen eigenen Hartnäckigkeit. Die mit peinlichster Genauigkeit durchgeführten Arbeiten spiegeln die Zuverlässigkeit seines Charakters wieder. Im Grunde war Normann mehr Forscher und Wissenschaftler als Techniker, wenn er auch beide Eigenschaften in glücklicher Weise verband. Trotz vieler Enttäuschungen und der Mißgunst des Schicksals bewahrte er sich einen, im engeren Kreise sich offenbarenden liebenswürdigen Humor. Seit 1916 in glücklicher Ehe mit Martha Uflerbäumer verheiratet, die ihm eine treue und verständnisvolle Lebensgefährtin war und dem schon in reifen Jahren stehenden Manne einen Sohn schenkte, suchte und fand er geistige Entspannung und Erholung im Schoß der Familie.

    Der Fettforschung galt Normanns ganzes Interesse. Im Verein Deutscher Chemiker gründete und leitete er die Fachgruppe Fettchemie. Als die Deutsche Gesellschaft für Fettforschung zusammentrat, war es selbstverständlich, daß Normann in den Vorstandsrat berufen wurde. Ihre sämtlichen Tagungen besuchte er und gehörte auch der Delegation. an, die im Rahmen der Internationalen Kommission zum Studium der Fettstoffe die deutschen Interessen vertrat. Unterstützt durch das weitblickende Entgegenkommen seiner Firma, der Böhme Fettchemie G.m.b.H., konnte Normann an den internationalen Sitzungen in Luzern, Paris und Rom teilnehmen und oft mit seinem erfahrenen Rat fördernd eingreifen. Die deutsche Fettchemie hat, am gleichen Maitage dieses Jahres, noch einen zweiten Forscher von Ruf, Walther Schrauth, verloren. H.Bertsch gedenkt seiner in dieser Zeitschrift an anderer Stelle. Gerade heute, im Zeichen des Kampfes um die Rohstoff-Freiheit und leider auch des Nachwuchsmangels, trifft uns und auch die Allgemeinheit der Ausfall solcher Könner besonders schmerzlich. Auch wenn wir die Reihen dichter schließen, mit dem Entschluß zu unermüdlichem weiteren Schaffen, müssen wir eindringlich und immer wieder an die Verantwortlichen die Mahnung richten, der noch viel zu wenig beachteten Fettforschung die Wege zu ebnen.

    Ohne Forschung kein Erfolg! Was sie erreichen kann, zeigt das Lebenswerk der beiden Männer, die uns nun für immer verlassen haben. Sie sollen uns ein Beispiel sein, dem unbeirrt nachzufolgen, wir die Pflicht haben, zum Besten unseres Volkes und zum Ruhm deutscher Wissenschaft und Technik! Der Name Wilhelm Normann ist mit der Fettchemie untrennbar verbunden. Darüber hinaus werden seine Freunde und wird die DGF, Treue um Treue gebend, des genialen Erfinders und des charaktervollen Menschen stets in Dankbarkeit gedenken.

    H.P. Kaufmann

    1) Siehe z. B. H. Stadlinger, Chemiker-Ztg. 63, 8-9 [1939]
    2) Gehalten am 22. Xl. 1937 in der Ortsgruppe Chemnitz des V. d. Ch. Diese Angaben decken sich fast wörtlich mit den Aufzeichnungen des Laboratoriumsjournals Normanns ans der damaligen Zeit (27. u. 28. Il. 1901), in das ich Einsicht nehmen konnte.
    3) Chem. Ztg. 61, 20, 1937; Fette u. Seifen 45, 73 [1938)
    4) Engl. Patent 11542
    5) DRP 312 668
    6) Fette u. Seifen 45, 73 [1938]
    7) H.P.Kaufmann, Studien auf dem Fettgebiet. Verlag Chemie, Berlin 1935, S. 192
    8) Veröffentlicht mit W. Meigen in den Ber. dtsch. chern. Ges. 33, 2711 [1900); vgl. Diss. Normann, Freiburg 1900
    9) Chemiker-Ztg. 30, 584 [1906)
    10) Chemiker-Ztg. 31, 211 [1907]
    11) Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 38, 17, 22 [1931]; 56, 297 [1932]
    12) Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 32, 115 [1925]
    13) Chem. Rev. Fett- u. Harz-Ind. 16, 99 [1909]
    14) Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 43, 9 [1936)
    15) Z. angew. Chem, 38, 380, 592 [1925]; Z. dtsch. Öl- u. Fett-Ind. 45, 261 [1925]
    16) Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 26, [1919]; mit E. Hugel
    17) Seifensieder-Ztg. 43, 456 [1916] mit E. Hugel
    18) Seifensieder-Ztg. 52, 125 [1925) mit F. Piekenbrock
    19) Chinesisches Holzöl. (Chemiker-Ztg. 31 188 [1907]); Öl des Hartriegels. (Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 25, 49 [1918])
    20) Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 19, 205 [ 1912] u. 40, 194 [1933) mit E. Schildknecht.
    21) Chemiker-Zt. 45, 712, 975 [1921]; Chem. Apparatur 12, 2, 15, 21, 34, 42, 54 63 [1925]; Chem. Umschau Fette, Öle, Wachse, Harze 32, 269 [1926); Chemiker-Ztg. 54, 744, 896 [1930)
    22) Fette u. Seifen 45, 664 [1938)
    23) Z. angew. Chem. 44, 714 [1931]; versiegeltes Manuskript vom 27.10.1930
    24) Z. angew. Chem. 44, 923 [1931). 25) DRP 594481 [1930), mit H. Prückner; 639527 [1930]; 642518 [1931); 648510 [1931); 662731 [1930]
    Eine Einschätzung des Wirkens Normann's aus dem Jahr 1943

    Eine Einschätzung des Wirkens Normann's aus dem Jahr 1943

    Walter Greiling, "Chemie erobert die Welt", S. 168-172

    Der Lever-Konzern ist zu einem Unternehmen in der Größenordnung zwischen 200 und 300 Mill. Mark geworden, das alljährlich 10 bis 20 Mill. Mark Gewinn abwirft. Da legte die Erfindung eines bescheidenen deutschen Chemikers den Grund zur nochmaligen Ausdehnung des Konzerns auf fast das Zehnfache. Das billigste Öl, das es damals gab, war der Waltran. Er kostete nur 15 bis 25 Mark je 100 kg. Dieses Öl war aber weder für die Seifengewinnung noch für die Margarineindustrie brauchbar, da es ganz flüssig war und eine zu starke Beimischung von dem teuren Talg erfordert hätte. Auch die übrigen billigen Öle hatten alle den Nachteil, daß sie verhältnismäßig viel flüssige Ölsäure und wenig feste Stearinsäure enthielten.

    Nun gelang es einem deutschen Chemiker, aus diesen flüssigen Ölen mit geringen Kosten hartes Fett zu machen. W. Normann ist als Chemiker in einer kleinen Fabrik, welche Maschinenfette herstellt, zu Herford bei Bielefeld angestellt. Gegen Ende des Jahres 1900 liest er in der "Chemiker-Zeitung", daß es Sabatier gelungen sei, katalytisch Wasserstoff an leicht flüchtige Teeröle anzulagern. Stirnrunzelnd liest er weiter, daß dieses Verfahren nur bei verdampfbaren organischen Verbindungen anwendbar sei, da sonst der Katalysator seine Wirksamkeit verliere. Normann glaubt das nicht, sondern meint, daß der katalytische Vorgang auch in der flüssigen Phase möglich ist. Sofort beginnt er mit einem Versuch.

    Er nimmt einige Gramm reine Ölsäure, füllt sie in ein Reagenzglas, versetzt sie mit frisch reduziertem Nickelpulver und leitet Wasserstoff hindurch. Sofort beim ersten Versuch dieser Art stellt er fest, daß die Ölsäure durch Wasserstoffanlagerung sich in Stearinsäure verwandelt hat. Die theoretischen Grundlagen des später Fetthärtung genannten Verfahrens sind damit gefunden. Erst im Jahre 1902 entschließt sich Normann, ein Patent darauf anzumelden. Nirgends aber finden sich in Deutschland chemische Fabriken, welche auch nur den Versuch unternehmen wollen, das neue Verfahren in einer größeren technischen Anlage zu erproben.

    Die englische Seifenfabrik Jos. Crosfields & Sons, Ltd., in Warrington hat es erleben müssen, wie unmittelbar vor ihren Toren der Lever-Konzern groß geworden ist. Es ist ihr höchst peinlich, jetzt gezwungen zu sein. sich unter die Herrschaft des Mannes zu begeben, dem sie früher das Zustandekommen eines Bankkredits verhindert hat. Sie sucht das unter allen Umständen zu vermeiden, Sie stürzt sich lieber in chemische Experimente. Als sie von dem Patent des unbekannten deutschen Chemikers erfährt, entsendet sie ihren eigenen Chemiker E. C. Kayser nach Herford, um sich über das Verfahren zu unterrichten. Das Ergebnis ist: Normann wird bewogen, für kurze Zeit nach England zu kommen und dort die erste Versuchsanlage mit einer Tonne Nutzfüllung zu bauen. Diese Anlage arbeitet mit guten Ergebnissen.

    Inzwischen sind aber Crosfields doch im Juli 1906 im Lever-Konzern aufgegangen. Erst 1909 kommt das unter Levers Leitung stehende Werk wieder auf das Verfahren zurück, weil befürchtet werden muß, daß ihnen sonst Amerika zuvorkommt. Dem Chemiker Kayser hat es zu lange gedauert. Er hat seinen Vertrag gelöst und ist nach Amerika gegangen, um dort die Fetthärtung bei der größten amerikanischen Seifenfabrik Procter & Gamble in Cincinnati durchzuführen. Mit Mühe hat auch Normann es erreicht, daß die Herforder Fabrik eine kleine Versuchsanlage einrichtet. Sie wurde von allen Seiten besichtigt, und ein russischer Chemiker hat bereits wesentliche Einzelheiten dort entnommen und sie sich seinerseits patentieren lassen. Das war im Jahre 1908. So beeilt sich denn jetzt die englische Firma Crosfields, in Deutschland und England Patente zu nehmen und die erste große Fetthärtungsanlage im Rahmen ihrer Seifenfabrik einzurichten. Auch sie übernimmt dabei die Erfahrungen der Herforder Anlage, ohne sich weiter um den deutschen Erfinder zu kümmern.

    Der Lever-Konzern aber hatte einen neuen Trumpf in der Hand. Er beherrschte schon die Rohstoffe für die Seifen- und Margarineindustrie der ganzen Welt. Jetzt müssen die Wettbewerber von ihm auch noch Patente nehmen. Schicht in Aussig ist der erste. Die Fetthärtung verbilligt die Rohstoffe der Kernseifenerzeugung nochmals auf mindestens die Hälfte. Sie gewinnt aber noch größere Bedeutung für die Margarineindustrie, die jetzt erst ihr Erzeugnis zu einem Preis verkaufen kann, der es ihr ermöglicht, erfolgreich mit den natürlichen Fetten, Butter, Schmalz und Speck, in Wettbewerb zu treten. Margarine konnte schon zu einem Drittel des Butterpreises und zur Hälfte des Schmalzpreises geliefert werden.

    Als "Vater der Margarine" muß Napoleon III. bezeichnet werden. Er wollte die Butter bei seinen Soldaten einsparen und beauftragte den Chemiker Mouries, Rinderfett in Kunstbutter zu verwandeln. Dessen Methode war ziemlich einfach. Er schmolz das Fett, entfernte alle Bestandteile, die bei 25 Grad Celsius wieder fest wurden, und verbutterte den Rest zusammen mit Milch unter Zusatz von Pflanzenölen. Der Holländer Anton Jurgens erwarb schon 1871 das Verfahren, um seinen Butterhandel durch Margarineherstellung zu ergänzen. Um 1895 nahmen auch die in England und Holland zugleich ansässigen Gebrüder Van den Bergh die Margarineherstellung auf. Die Margarine wurde aber lange Jahre hindurch nur wenig und ungern gekauft. Das wurde anders, als die Fetthärtung einen viel größeren Zusatz von billigen Pflanzenölen, von Erdnußöl und Sojabohnenöl erlaubte und es auch gelungen war, den noch billigeren Waltran geruchlos zu machen.

    Die holländischen Margarinehersteller Jurgens und Van den Bergh sahen sofort die Aussichten, die die Margarine hatte, wenn sie im Geschmack erheblich verbessert und zugleich im Preis verbilligt war. Sie nahmen daher die Patente vom Lever-Konzern, an den sie von nun ab in doppelter Abhängigkeit über den Rohstoff und über die Lizenzen gebunden waren. Keine 20 Jahre später waren sie schon gezwungen, sich mit diesem Konzern zu vereinigen. Inzwischen aber erlebte die Margarineindustrie einen gewaltigen Aufstieg.

    Vergeblich hatte Normann den wenigen damals vorhandenen deutschen Speisefett- und Margarineherstellern das Verfahren der Fetthärtung angeboten. Sie wollten davon nichts wissen. Aber schon wenige Jahre später mußten sie sehen, wie die holländischen Jurgensfabriken in Emmerich auf deutschem Boden die Ölwerke Germania gründeten und zugleich auch Van den Bergh in Cleve eine Margarinefabrik einrichtete. Jurgens war so klug, den deutschen Erfinder Normann zum wissenschaftlichen Leiter der neugegründeten Ölwerke zu machen und so die Fetthärtung sich von demjenigen vervollkommnen zu lassen, der in erster Linie dazu berufen war. Es mußte nun kommen, wie es gekommen ist: Die holländische Margarineindustrie erwarb beinahe ein Monopol in der deutschen Ölmüllerei und Margarineherstellung, und durch sie übte der Lever-Konzern die Kontrolle über den größten Teil der deutschen Öl und Fett verbrauchenden Industrien aus. Im Jahre 1930 entfielen auf den Lever-Konzern 75% der deutschen Margarineerzeugung.

    Lever selbst ging folgerichtig kurz nach dem Erwerb der Fetthärtungspatente dazu über, auch den Walfang großzügig zu organisieren, mit dem Ergebnis, daß er im Jahre 1929 73% der Waltrangewinnung der Welt in eigenen und abhängigen Unternehmungen vereinte, neben 40% der Palmkernerzeugung und einem Drittel der Weltkopraernte. Lever, der Beherrscher der Seife und Margarine, ist jetzt nicht nur der Gebieter über die Südsee und der größte Grundbesitzer in den Tropen. Er ist auch der Gebieter der Arktis geworden. Die meisten Menschen, die dort arbeiten, stehen in seinen Diensten. Gegenwärtig verfügt der Lever-Konzern, in Reichsmark umgerechnet, über ein eingezahltes Aktienkapital von 1600 Mill. neben 280 Mill. an Reserven und 154 Mill. an Anleihen. Wie aber Lord Leverhulme - zum Lord geworden, fügte er den Namen seiner Frau seinem eigenen hinzu - 1925 kurz vor seinem Tode in einer Rede bekannt gab, ist der Konzern insgesamt an Hunderten von anscheinend selbständigen Unternehmungen beteiligt, deren Gesamtkapital rund 4 Milliarden RM. umfaßt. Der Jahresgewinn des Lever-Konzerns erreichte 1937 150 Mill. RM. Der gesamte Konzern beschäftigt 200000 Menschen, davon über die Hälfte außerhalb Englands, hauptsächlich auf den Plantagen in Afrika und in der Südsee. In den zahlreichen Gesellschaften und Untergesellschaften des Konzerns sind allein tausend Direktoren beschäftigt.

    Die Ziffern einer Jahreserzeugung des Konzerns sind erstaunlich. Der Lever-Konzern stellt in einem Jahr her: 850 000 t Seife im Wert von 530 Mill. RM., weit über 1 Mill. t Margarine im Wert von 555 Mill. RM., 547 000 t Öle und Fette, fast 2 Mill. t Ölkuchen, 88 000 t Glyzerin. Daneben erzeugt der Konzern 250 000 t Papier, von dem der größte Teil in den eigenen Werken wieder verbraucht wird, 55 000 t Konserven und verkauft in seinen Läden rund 200 000 t Fleisch, Fisch, Milch und Geflügel. Von Jahr zu Jahr ist der Lever-Konzern in der Lage, neben dem ausgeschütteten Gewinn von etwa 150 Mill. RM. noch weitere 100 Mill. RM. den laufenden Betriebsüberschüssen zu entnehmen und sich um diesen Betrag weiter auszudehnen, durch Betriebserweiterungen, neue Beteiligungen und Neubauten. Lever hat mit Hilfe der Chemie seine Wettbewerber geschlagen, durch die verbesserte Seifengewinnung und durch die Fetthärtung.

    Seine gewaltige Kapitalmacht aber verdankt er dem Rohstoffreichtum der Tropen und des Meeres. Seine 50 000 farbigen Arbeiter sammeln und erzeugen über 2 Mill. t Olfrüchte jährlich. Der gesamte Verbrauch des Konzerns erreicht aber 3 Mill. t. Die paar tausend norwegischen Walfänger und englischen Seeleute, die er beschäftigt, gewinnen aus dem Meer pro Kopf zwanzigmal soviel Öl wie die farbigen Arbeiter. Insgesamt liefert der Walfang mit 350 000 t fast soviel Öl wie die Plantagen. Was diese Öl- und Fettmacht bedeutet, das mache man sich an folgendem klar: Dieser eine englische Konzern des Lord Leverhulme gewinnt mit seinen Plantagen, Entkörnungsanstalten, Sammelstationen, Ölmühlen und Walfangschiffen doppelt soviel Fett und Öl wie die gesamte deutsche Landwirtschaft. Die Margarinefabriken des Lever-Konzerns waren zeitweise für die deutsche Volksernährung so wichtig wie drei oder vier landwirtschaftliche Überschußprovinzen Sie lieferten mehr Margarine und Speisefett als sämtliche deutschen Molkereien an Butter erzeugten. Sie waren auch die unentbehrlichste Stütze der deutschen Milchviehhaltung mit ihren mehr als 1/2 Mill. t Ölkuchen, die sie als Kraftfuttermittel abgaben. - Ölkuchen ist der eiweißhaltige Rückstand, der nach dem Auspressen des Öls aus den Ölfrüchten zurückbleibt.

    So sehr hatte das wilhelminische Deutschland das Problem der Ernährungssicherung vernachlässigt. Seine Hauptmittel waren die Getreidezölle und das Branntweinmonopol. Das waren zugleich Stützen für den Großgrundbesitz, dem die Arbeiter davonliefen und der polnische Wanderarbeiter einstellte. Branntwein konnten nur größere Betriebe brennen. Sie hatten dadurch hohe Bareinnahmen und in der dabei abfallenden Schlempe ein Kraftfutter, das ihnen eine Viehhaltung auch bei einseitigem Roggen- und Kartoffelbau ohne die Mehrarbeit des intensiven Futterpflanzen- und Rübenbaus gestattete. Diese Lösung trägt das Merkmal der doppelten Moral, wie viele Erscheinungen der damaligen großbürgerlichen Zeit: "Verdienstlich ist es, Schnaps zu brennen, bedenklich schon, ihn zu verkaufen, höchst unmoralisch, ihn zu saufen.- Das gesunde deutsche Volk trinkt aber von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weniger Schnaps, und so stagniert die Ertragssteigerung auf etwa 40% der landwirtschaftlichen Fläche, die zu Betrieben über 100 ha gehört. Die Bauernhöfe holen zwar durch ihre intensivere Wirtschaft, Grünfutteranbau und verstärkte Viehhaltung mehr Nährwert aus der Fläche, können aber diesen Ausfall nicht wettmachen, und so ist Deutschland bei seiner wachsenden Bevölkerung bald auf die überseeischen Plantagen des Lever-Konzerns angewiesen.

    Daß das deutsche Volk sich ausreichend ernähren konnte, hing nunmehr vom Willen der englischen Flotte ab, die jederzeit in der Lage war, dies durch Blockade zu unterbinden. England hat im Kräftespiel allein durch seine Kapital- und Rohstoffmacht wieder einen Stein vorgesteckt. Der Lever-Konzern ist ein Ausdruck der Herrschaft über Meere und Tropen. Aber auch er ist trotz Ankauf von Patenten nicht in der Lage, die England unmerklich entglittene technische Führung wieder zurückzubringen. Die technische Führung aber ist das Wichtigere. Während Deutschland auf technischem Gebiet immer mehr in den Vordergrund tritt, bleibt es aber durch die Rohstoffmacht bedroht. Es ist die Zeit der stärksten Unsicherheit in den Rüstungen infolge der neuen Pulver und Sprengstoffe und der dauernden Verbesserung des Stahls. Es ist die Zeit, die den ersten Keim zum Weltkrieg legt. Am 18. März 1890 muß Bismarck zurücktreten. Am 17. August 1892 schließt Rußland mit Frankreich eine Militärkonvention, die Silvester 1893/94 zum förmlichen Bündnisvertrag ausgebaut wird. In dem gleichen Jahr 1893 erhält Krupp von der chemischen Fabrik Th. Goldschmidt, Essen, die ersten chemisch reinen Metalle zur Stahlveredlung. Kruppstahl ist dadurch auf Jahre hinaus im Vorsprung, und das gerade in dem Augenblick, wo die Güte des Stahls wichtiger ist als die zahlenmäßige Überlegenheit der Flotte. Der Wert der englischen Flotte ungewiß! England nicht mehr mit weitem Abstand an der Spitze der Technik, der englische Anteil am Welthandel im Sinken! Das Schwergewicht dieser Tatsachen lenkt die politischen Köpfe in England langsam in neue Gedankenbahnen. Aus Preußen, dem alten Verbündeten Englands, ist ein mächtiges Deutsches Reich geworden. Dieses Reich ist der stärkste Wettbewerber Englands im Welthandel und kommt ihm an politischer Geltung in der Welt am nächsten. Ein neuer Gegensatz England-Deutschland hebt sich ab. Die Tragik Europas beginnt.

    Eine Einschätzung aus dem Jahr 1957

    Eine Einschätzung des Wirkens Normann's aus dem Jahr 1957

    Auszug aus: Herbert Blank, Weltmacht Fett, München 1957

    Bald griffen auch die auf den Kontinent arbeitenden Gesellschaften zur Herstellung der Margarine immer mehr auf die Ölfrüchte zurück. Neben dem Antrieb, das immer rarer werdende tierische Fett durch einen anderen Rohstoff zu ersetzen, waren es auch die Preisunterschiede, welche zu dieser Umstellung zwangen. Um 1900 kostete Oleomargarin ca. 40 Pfund pro Tonne. Für Erdnuß jedoch galt ein Tonnenpreis von 11-12 Pfund, für Palmkern von ebenfalls etwa 12 Pfund. Das war eine gewaltige Differenz, selbst wenn man auf diese Einkaufspreise noch die Kosten der Verarbeitung aufschlägt.

    1905 stellen sich auch die »Holländischen Margarinewerke von Anton Jurgens, Prinzen & Co.« um. Es war ja nicht nur bei Oss und Goch geblieben; neben den zahllosen Einzelverkaufsläden hatte es noch weit wichtigere Erwerbungen gegeben in Gestalt von Ölmühlen, Raffinerien und zahlreichen Nebenwerken als da sind Kisten- und Kartonfabriken und ähnliches. So wurde jetzt eine nach holländischem Recht bestätigte Aktiengesellschaft geschaffen, - die »Namlooze Vennotschp. Anton Jurgens Vereenigde Fabrieken«. Die beiden Brüder Prinzen zogen sich zurück, so daß es bei dieser Umstellung keine ernsthaften Hindernisse gab. Die neue Firma griff zur Sicherstellung der Rohstoffe auf das damals noch gewaltige niederländische Kolonialgebiet in der Südsee zurück. Die »Erste Macassarsche Oliefabrik« wurde gekauft, wodurch man an die auf Celebes und den Molukken geernteten Kopramengen herankam. Auch im damals zu Deutschland gehörenden Kamerun, an der afrikanischen Westküste, versuchten die Niederländer vor allem Kopra zu gewinnen. Es ist hier unschwer zu erkennen, wie auch über die pflanzlichen Rohstoffe die einzelnen Produktionen sich einander mit wachsender Geschwindigkeit nähern.

    Sowohl die Margarine wie auch die Seife von William Lever griffen nach den tropischen Ölfrüchten. Hier mußte bald eine Entscheidung kommen, wenn nicht ein Durcheinander entstehen sollte in der Gewinnung der gemeinsamen Rohstoffe, der Verarbeitung und in ihrem Gebrauch. Die Annäherung zwischen William Lever einerseits und den Niederländern andererseits war auch durch einen anderen Umstand gegeben. Jurgens machte wiederholt Versuche, in England Fuß zu fassen. Die Van den Berghs hatten diesen Erfolg bereits für sich verbuchen können. - Zum anderen griff Lever immer stärker auf den Kontinent über, einmal, um seine Seifenprodukte an die Frau zu bringen, zum andern aber, um sein Unternehmen abzusteifen, das in England Jahre hindurch von einem Kartell der britischen Seifen-Industrie sich bedroht fühlte.

    Schon 1898 errichtete William Lever für seine Aktiengesellschaft einen weiteren Betrieb in St. Olten (Schweiz), und im Jahre darauf faßte er in Deutschland Fuß. Am 19. Juli 1899 wurde in Mannheim die deutsche Sunlicht-Gesellschaft gegründet. Deutsche Teilhaber waren, Ludwig Stollwerck von der Schokoladen-Firma Gebrüder Stollwerck in Köln, Rudolf Haas von den Zellstoffwerken in Waldhof, und Wilhelm Preiswerck von der Firma gleichen Namens in Basel. Mit diesem Sunlicht-Unternehmen auf deutschem Boden stehen wir plötzlich mitten in der Gegenwart. Denn eine Anzahl von Reinigungsmitteln, die von den jüngeren Generationen als Erfindungen unserer Tage angesehen werden, sind bereits vor dem Ersten Weltkrieg von jenem Mannheimer Sunlicht-Betrieb herausgebracht worden. 1911 erschien das Putzmittel »VIM«, ein Jahr darauf die LUX-Seifenflocken, und wiederum zwölf Monate später kam NURPUR, eine starke Spezialseife, die außer für die Haushalte besonders für Waschanstalten wichtig wurde. Wir sehen, wie die Produktionen allmählich ineinander verzahnen über Länder und Grenzen hinweg.

    Im Hinblick auf Europa sollten bald zwei Begriffe immer fragwürdiger werden: die Begriffe »nationale Industrien« und »Autarkie«. Dies wurde deutlich an dem Schicksal eines einzelnen Mannes, der als Letzter der Großen im Kampf gegen Malthus auftrat. Um die Jahrhundertwende erwies es sich, daß sowohl im Hinblick auf die Ernährung als auch auf die Hygiene Deutschland immer mehr nach vorn kam im Kreise der europäischen Völker. Aus den 40 Millionen Deutschen im Jahre 1870 waren im Jahre 1906 bereits 66 Millionen geworden. - Aber die simple Kopfzahl gab nicht allein den Ausschlag, wenngleich die Furcht vor Malthus durch das einfache Rechenexempel immer wieder ihre stärkste Begründung fand. Arbeiter und Angestellte in allen Ländern begannen, sich durch große Zusammenschlüsse erfolgreich zur Wehr zu setzen, ihre Forderungen nach größerem Anteil am Fortschritt der Welt zu erweitern. Den großen Industrie-Kartellen stellten sich die Gewerkschaften gegenüber, flankiert vom Staat, der durch seine Sozialgesetzgebung immer stärker in das ehedem freie Kräftespiel eingriff. Es ging längst nicht mehr um die bloße Notdurft des Lebens. Es galt nicht nur die Rettung der »Vielzuvielen«, wie Malthus sie nennen mochte. Eine Ahnung stieg auf, daß diese Rettung möglich war, mehr noch, daß der Engpaß durchschritten werden konnte, - wenn man es nur energisch wollte.

    Der deutsche Nationalökonom Gustav Schmoller schrieb gegen 1910: »Heute wird man für die obere Hälfte der westeuropäischen und nordamerikanischen Arbeiterfamilien behaupten können, daß die Epoche der Lohnsteigerung für sie stets Anläufe bedeuteten, besser zu essen, besser zu wohnen, ihre Kinder besser zu erziehen, mehr für Hygiene und Bildung zu tun.« Alles dies war vornehmlich in Deutschland gegeben. Hier waren die Arbeiter-Verbände am besten organisiert, hier waren große Gemeinschafts-Werke geschaffen worden, die das Streben der Arbeitnehmer niemals erlöschen ließen. - Man hat den ersten Präsidenten der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, nicht nur in bezug auf seine staatsmännischen Fähigkeiten verkannt, sondern kaum jemand gewußt, woher er kam, ehe er 1919 zum deutschen Staatsoberhaupt gewählt wurde. Friedrich Ebert war der Vorsitzende der Bildungs-Ausschüsse der Sozialdemokratie gewesen. Von diesen Bildungs-Ausschüssen gab es ca. sechshundert in Deutschland. Das bedeutete also, daß Friedrich Ebert nicht weniger als sechshundert Schulen und Bibliotheken leitete, die gleiche Anzahl Film- und Projektionsräume dirigierte sowie die entsprechend große Lehrpresse unter seinem Befehl hatte. Von all diesen Ausschüssen erging stets von neuem die Mahnung, nicht abzulassen in den Forderungen nach einem menschenwürdigen Leben! Einem Leben, dessen Minimum im Hinblick auf Schulung, Reisen, Urlaub, Hygiene und Fortbildungsmöglichkeiten immer wieder in diesen sechshundert Lehrzentren gezeigt wurde.

    Dies erst macht deutlich, warum um 1900 die Zahlen der Ernährung wie des Seifenverbrauchs so enorm anstiegen. Um 1850 hatte der einzelne Deutsche etwa 12,5 Kilo Fett im Jahr zu sich genommen. Gegen 1900 waren dies bereits 17, zehn Jahre später 18,5 Kilo. Deutlich zu erkennen, daß die Entwicklung nicht stehen bleiben würde. Die drei Kilo Margarine, die der Deutsche um 1910 unter anderen Fettsorten zu sich nahm, würden noch anwachsen. Genau wie der Anteil am Seifenverbrauch, der vornehmlich durch die Medizin gefördert wurde, die jetzt erst die Bakteriologie populär machte und Robert Koch wie Louis Pasteur zum Ruhm verhalf. Was die soziale Bewegung und die Wissenschaft zur Forderung der Massen formulierten, suchte die Industrie zu erfüllen. Hierbei hätte man glauben sollen, daß die Deutschen auf Grund ihrer großen Verbraucherzahlen auch im Hinblick auf die Leitung mehr Einfluß erlangten. Wohlgemerkt, nicht die Deutschen als Nation, sondern eine Gruppe von Deutschen innerhalb des internationalen Teams, das sich immer stärker auf dem Felde der Fettnahrung und der Sauberkeit zusammenzufinden begann. Das Schicksal des Mannes, von dem hier die Rede sein soll, beweist, daß über den individuellen Sonderfall hinaus hier nicht etwa eine einmalige Panne bewirkt hat, die Deutschen in die zweite Linie zurücktreten zu lassen. Es ist an dem, daß die deutschen Mitarbeiter am großen Werk eben nicht den Zugang zu den Rohstoffen besaßen, daß sie in jeder Hinsicht Empfänger und Abnehmer, nicht aber Produzent waren. (Die Erzeugung der Deutschen in den Kolonien fällt bis 1914 kaum ins Gewicht, war überdies auch schon, wie in Kamerun, in andere Hände übergeführt worden).

    Die Bevölkerungszunahme in Deutschland und in ganz Europa steigerte immer noch die Nachfrage nach dem neuen Speisefett. Und vorausschauende Köpfe erkannten, daß auch die tropischen Ölfrüchte allein nicht mehr genügen würden; und zwar er im Hinblick auf die Mengen, die für die Produzenten bereitzustellen waren, als in bezug auf die Preisgestaltung. Die Kosten für Ernährung durften nur niedriger werden, aber nicht steigen. ? in fand den Stoff, den man zu den Ölfrüchten hinzutun muß,um diese teilweise zu ersetzen, zum andern, um die Preissteigerung zu bremsen. Dieser Stoff war Fischfett, vor allem Waltran. Kreis schloß sich also, das Tier sprang wieder in die Fettlücke. Was die Billigkeit anlangt, so schlug Waltran alle anderen für Fettproduktion und Seifenherstellung benötigten Rohstoffe, trugen die tropischen Ölfrüchte ein gewaltiges Moment der Verbilligung in sich: der nach dem Preßvorgang verbleibende Ölschlamm oder das Ölschrot wurde von der Landwirtschaft gern als Viehfutter gekauft. Dennoch blieb Walöl immer noch wohlfeiler. Nur ein gewaltiges Hindernis stellte sich dem Gebrauch von Waltran entgegen. Das war sein niedriger, für die Produktion zu niedriger Schmelzpunkt. Es gab auch pflanzliche Fette, deren Schmelzpunkt zu niedrig lag oder die aus anderen Gründen jener Konsistenz ermangelten, die nun einmal nötig war, wenn sie für die Industrie verwendet werden wollte.

    Aus diesem Grunde fielen eine Reihe pflanzlicher Fette und jenes vom Wal gewonnene Walöl lange Zeit für die Herstellung der Margarine aus oder konnten nur mit großer Vorsicht verwandt werden. Im ganzen läßt. Im ganzen läßt sich sagen, daß die Margarine bis zum Ersten Weltkrieg in der Komposition immer einen Unsicherheitsfaktor in sich trug, was einer weiteren Verbilligung natürlich entgegenstand. Sowohl Lever als auch Jurgens und Van den Bergh hatten über ihre skandinavischen Verbindungen früh begonnen, auch Waltran in die Produktion hineinzuziehen. 1906 standen dafür 75 000 Barrels zur Verfügung (1 Barrel = 163,5 Liter), aber 1911 waren es schon 600 000 Barrels geworden. Dennoch kämpfte man immer noch mit dem Unsicherheitsfaktor, obwohl dieser bereits 1902 laut Experiment beseitigt war. Doch erst nach dem Weltkrieg sollte sich das Verfahren entscheidend durchsetzen, womit eine Industrie entwickelt wurde, die alles übertraf, was bisher im chemischen Laboratorium geformt worden war. Der große Geist, der durch sein neues Verfahren der Fetthärtung das letzte Tor aufstieß, war der Deutsche Wilhelm Normann.

    Es fehlt ein Wasserstoff-Atom

    Betrachten wir das Bild dieses Vollenders der modernen Nahrungswirtschaft, des Fettforschers Wilhelm Normann, so möchten wir kaum glauben, daß gerade er uns vorleben mußte, wie viele Hemmnisse, Verwirrungen und sinnlose Belastungen sich einem Erfinder und produktiven Denker in der modernen Zivilisation in den Weg stellen! Ein formvollendetes Antlitz, an dem alles harmonisch zusammengefügt ist. über dem Ganzen aber, vor allem im Umkreis der großen, ruhig forschenden Augen, die Aura der Stärke, der Zielbewußtheit, des Fleißes. Ein ganzer Mann! Wäre er unbekannt, so würde der Betrachter auf einen hohen Offizier in Zivil schließen. Die einstige Schule des deutschen Generalstabs hat nicht einmal viele Proben dieses Typs geliefert, obwohl sie stets dieses Endprodukt zu erreichen suchte durch strenge geistige und körperliche Zucht.

    Tatsächlich ist der Ahnherr als Reiterführer mit Gustav Adolf von Schweden anno 1630 über die Ostsee nach Deutschland gekommen und hat durchgestanden im Ringen der folgenden achtzehn Jahre. Die Nachfahren wurden ebenfalls Soldaten, und erst der Großvater schwenkte ab und lernte ein Handwerk. Doch getreu den Zielen des im Biedermeier aufstrebenden Bürgertums mußte der Sohn wiederum »etwas Besseres« werden. Worunter auch ein Schullehrer zu verstehen war, der es zum Rektor brachte, nach der Pensionierung seine Zelte in Berlin abbrach und nach Herford zog, um dort seinen Ruhestand zu verleben. Dies geschah wohl schon in verhältnismäßig jungen Jahren; denn der Herr Rektor widmete sich nicht nur sehr anerkennenswerten schriftstellerischen Arbeiten, sondern er war so aktiv und voller Ideen, daß er in der Herforder Chronik als einer der bedeutendsten Söhne dieser Stadt vermerkt ist. Auch seine Frau holte sich der Präzeptor aus dem alten, einstmals von einer Benediktiner-Abtei gegründeten Ort im Weserbergland.

    Luise Siveke wird als eine sehr kluge Frau geschildert, deren Familie schon seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Herford ansässig war. Doch nicht in Herford an der Werra, sondern weserabwärts in Petershagen, wurde am 16. Januar 1870 Wilhelm Normann, der große Chemiker, geboren. Ihm folgte nur noch eine Schwester, mit der sich der Bruder Zeit seines Lebens gut vertragen hat. Es weht eine eigene, den Geist schärfende Luft in jener Landschaft nördlich des Teutoburger Waldes. Dort liegt Hameln, die Stadt voller Sagen, Lemgo ist nahe, wo einstmals der Hexenwahn wütete, und dicht dabei findet man Rinteln, wo eine hochwohllöbliche lippische Alma Mater sich vor 300 Jahren vergeblich mühte, den Hexen mit scharfsinnigen Gutachten den Garaus zu machen. So daß Rinteln den Beinamen »Hexen-Universität« nie mehr loswurde, bis zur Schließung im Jahre 1809. Bauerntum und Bürgerschaft standen stets hoch in diesem Landstrich. Die Familie der Normanns fiel in keiner Weise aus dem Rahmen. Noch heute leben in den kleinen Städten jene mittleren und bescheidenen Unternehmer, Handwerker und Fabrikanten, aus deren Häusern viele Große der Industrie und der Wissenschaft hervorgegangen sind. Um dieser Tatsache willen wird all dieses hier weitläufig berichtet; Männer wie Normann sind keine Zufallsprodukte, genau so wenig wie William Lever eines war, da sie aus einer genau und scharf bestimmten Schicht stammen, welche über die stärksten Kraftreserven und Impulse verfügte.

    Der Vater begriff nicht ganz, warum die Mutter seine Entdeckung gelassen hinnahm. Der Herr Rektor hatte während des Sohnes Abwesenheit einmal dessen Skizzenbücher durchgeblättert. Der junge Wilhelm liebte die Natur, bannte alles Lebendige gern aufs Papier und war für Musik empfänglich. Alles in allem eine gute Mischung. Doch inmitten all der Landschaften an Werra und Weser, all den Ausblicken von den Bergen am Ufer über den weiten Strom plötzlich ein befremdliches Blatt: ein schwimmender Walfisch! Das Wasser ist grau, der Fisch ist schwarz, und in hellem Bogen wirft er den Wasserstrahl über sich. Welch Einfall! - Der Rektor schüttelt den Kopf, die Mutter lächelt und erst dem Alternden kann später jemand berichten, daß es wohl Vorahnungen gäbe; denn eben dieses Tier, das der Knabe skizziert, habe der Mann später nutzbar gemacht für Hunderte von Millionen Menschen! An einem Ostertag des Jahres 1888 ist der Wal von allen Beteiligten völlig vergessen. Man sitzt im guten Zimmer und beratschlagt, was mit Jung-Wilhelm werden soll. In der Schule ging wohl nicht alles glatt; der Achtzehnjährige ist im Besitz der Primareife und soll nun zum Bruder der Mutter in die Lehre.

    Die Firma Leprince und Siveke in Herford hat eine breite Basis, wie das in kleinen Städten oft zu sein pflegt. Einerseits ist sie Maschinenfabrik, andererseits werden hier auch Fette und Öle verarbeitet. Der Rektor dachte, alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen zu haben. Der kaufmännische Beruf bot die Möglichkeit des Vorwärtskommens, vor allem in seiner Kombination mit fabriktechnischen Kenntnissen, und das technische Interesse des Sohnes war damit ebenfalls kompensiert. - Das war ein schulmeisterlicher Irrtum. Der Wilhelm erkannte bald, daß er künftig weder Fisch noch Fleisch sein würde. Die kaufmännische Sparte lag ihm nicht, und im Hinblick auf die Technik mußte die Ausbildung unzulänglich bleiben. »Wenn es denn einmal sein soll, daß ich die technische Hälfte eines Kaufmanns-Geschäftes sein werde, - ganz Kaufmann werde ich nie und nimmer - so will ich es wenigstens so werden, daß ich mich mit meiner Wissenschaft vor anderen und vor mir selbst nicht zu schämen brauche.« - So schreibt er an den Vater, aber es ist vorerst nutzlos. Denn Onkel Siveke ist in solchen Sachen die Familien-Autorität.

    Zwar läßt man Wilhelm in der Lehrzeit geistig nicht darben. Er volontiert in einem Betrieb der mitteldeutschen Braunkohle, er hört ein Semester an der Mechanisch-technischen Versuchsanstalt in Berlin-Charlottenburg, aber das alles ist in seinen Augen nur Stückwerk. Als er wieder nach Herford zurückkehren muß, verhehlt er diese seine Ansicht keineswegs. Schließlich dringt er durch. 1895 hört er sein erstes (Sommer-)Semester an der Universität Freiburg. In den Ferien bildet er sich in des Onkels Fabrik weiter aus. In Freiburg hat er Chemie und Geologie belegt. Wer von den Lesern darüber erstaunt ist, daß damals ein junger Mann sowohl hören als auch promovieren durfte, obwohl er das für den Besuch einer Hochschule verlangte Maturum nicht vorweisen konnte, dem sei erklärt, daß man im kaiserlichen Deutschland in bezug auf solche Dinge mehr Witz und Toleranz besaß als das heute, in der Epoche der Examina, leider der Fall ist. Man bedenke doch einmal, wie in jenen Tagen die Unternehmer-Generation erwuchs, von der Deutschland über zwei verlustreiche Weltkriege zehrte!

    Als geschulter und zuverlässiger Industrie-Chemiker kehrt Wilhelm Normann nach Herford zurück. Die Ergebnisse von Freiburg bekommt des Onkels Fabrik bald zu spüren. Der Betrieb wird auf eine präzise und mit strenger Kontrolle untermauerte Basis gestellt. Die Verarbeitung konsistenter Fette wird durch ihn verbessert, und was an Ölen für Lacke und Firnis die Fabrik verläßt, hat jetzt ein anderes Aussehen als ehedem. Natürlich kommt Wilhelm Normann auch an jene Frage heran, die damals nicht nur auf dem Gebiete der Nahrungsmittel-Herstellung die dringlichste wurde, - die Frage der flüssigen Fette und ihrer Härtung.

    *Wir erinnerten uns, daß Henri Jurgens, genannt »Anton«, bei Beginn der Produktion in Oss Schwierigkeiten hatte, da das Endprodukt sich als zu spröde und hart erwies. Es mochte am Klima liegen, vor allem aber war es die Konsistenz der benutzten Tierfette, die der Produktion Abbruch tat. Denn Rindertalg erstarrt bei 30-38 Grad über Null, Hammeltalg bei 32-45 Grad und Schmalz bei 22-32 Grad. Es bedarf also verhältnismäßig hoher Wärmegrade, um diese Tierfette zum Schmelzen zu bringen. Zu Oss ergriff man das einzig richtige Abwehrmittel: man fügte ein pflanzliches Fett, Olivenöl, hinzu. Dieses Öl erstarrt bereits bei 0 bis +9 Grad. Damit wird für die gesamte Masse der Erstarrungspunkt gesenkt. Im Laufe der Jahre aber wurden die Tierfette aus der Reihe der Rohmaterialien für die Margarine herausgenommen, und immer mehr traten die pflanzlichen Öle in Erscheinung. Bei diesen aber gab es große Differenzen im Hinblick auf ihre Konsistenz. Eine bestimmte Ölgruppe galt deshalb für besonders wertvoll, weil ihr Erstarrungspunkt so hoch liegt:

    Copra-Öl + 14-25 Grad
    Palm-Öl +31 - 41 Grad
    Palmkernöl +19 - 240 Grad

    Je umfangreicher aber die Margarine-Produktion wurde, desto größer war das Bestreben der großen Häuser, die Produktion zu verbilligen, um mit der Kuhbutter immer konkurrenzfähig zu bleiben. Es gab eine Reihe sehr wertvoller und trotzdem wohlfeiler Öle, die zur Margarineherstellung durchaus geeignet waren. Das Hindernis lag nur in ihren niedrigen Erstarrungspunkten: Leinöl -18 bis -27°, Mohnöl 15 bis -27°, Sonnenblumenkernöl -16 bis -18°, Sojabohnenöl -8 bis -18°, Sesamöl -3 bis - 6°, Erdnußöl -2 bis + 3°, Rüböl 0°, Baumwollsaatöl +2 bis + 4°.

    Auf alle diese Fette mußte der Hersteller verzichten oder konnte sie nur sehr schwer verwenden, denn wenn die Margarine eines dieser Öle enthielt, war sie weder in feste Form zu bringen, noch in wärmeren Gegenden zu lagern. Am schmerzlichsten aber war den Margarine-Fabrikanten der betrübliche Umstand, daß auch ein zu den Tierfetten gehörender Rohstoff aus demselben Grunde unverwendbar blieb, obwohl er der billigste in der Reihe war: das Walöl! Denn sein Erstarrungspunkt liegt bei -10°.

    Es gilt, sich über den Charakter des Fettes klarzuwerden. Fett ist eine Verbindung (Ester) zwischen dem dreiwertigen Alkohol, genannt Glyzerin, mit sogenannten Fettsäuren. Die flüssigen Fette enthalten Ölsäure, die schwer schmelzbaren Palmitin- und Stearinsäuren. Der Unterschied ergibt sich aus der mehr oder weniger starken Anreicherung mit Wasserstoff. Wird diese Anreicherung bei den flüssigen Fetten durch Nachhilfe bewirkt, dann werden diese Fette gleichfalls starr. Der Vorgang war natürlich schon ehedem bekannt. Bereits Chevreul hatte den Charakter der verschiedenen Fettsäuren klar beschrieben. - Für einen aus der Industrie kommenden und für die Industrie arbeitenden Chemiker war jedoch deutlich, daß das Verfahren der Anreicherung mit Wasserstoff-Atomen so wirtschaftlich wie nur möglich sein mußte. Wilhelm Normann sollte die Anläufe zu einem solchen Verfahren in jener Zeit kennenlernen. Diese vor ihm bereits erprobte Methode bediente sich des Katalysators.

    Der Begriff des Katalysators, zu deutsch »Kontaktstoff «, sollte niemandem unbekannt bleiben; denn wir finden ihn in jeder Sphäre des Lebens. Die Natur operiert meist mit der Eins und der Drei. Die Zwei ist viel seltener, als man glaubt, bildet fast immer nur einen Übergang und wird nur solange geduldet, als sich noch nicht ein Ergebnis eingestellt hat, das mit der Zwei herbeigeführt werden soll. Einheiten sind selten, Polaritäten häufig, und Gegensätze ganz allgemein. Aber viele nicht ausgeglichene oder disharmonisch gewordene Gebundenheiten werden geheilt durch den Dritten. - Das kann sehr weit führen. Das Kind ist, streng genommen, in jeder Ehe so etwas wie ein Katalysator. Dies umso besser und ergiebiger, je weniger es selbst aktiv sein kann, also in seinen hilflosen Säuglings- und Kinderjahren. Es kann nichts zur Ehe hinzutun; aber seine Gegenwart genügt, um die beiden Ehepartner und all ihr Tun sinnvoll werden zu lassen.

    Ahnlich läßt die Natur den Katalysator im Reiche der Chemie wirken. Das ist die wissenschaftliche Deutung, die für alle Gebiete des Lebens gültig sein kann: Ein Katalysator ist ein Stoff, der thermo-dynamisch oder chemisch mögliche Reaktionen auszulösen, zu beschleunigen oder zu verlangsamen vermag, ohne sich dabei selbst wesentlich zu verändern, bzw. ohne im Endprodukt einer chemischen Reaktion zu erscheinen.

    Die Fetthärtung hatte bereits vor Wilhelm Normann die Fachmänner beschäftigt. Das Problem mußte reizen. Allerdings geht aus keiner Äußerung hervor, daß man sich bewußt war, welche Bedeutung sie nicht nur für die industrielle Chemie, sondern auch für eine Unzahl anderer Gebiete besitzen mußte, wenn es gelang, das Problem zu lösen. Auf welchem Wege Wilhelm Normann erfuhr, wer schon vordem sich auf diesem Gebiete versucht hatte? - Nun, sehr einfach, - durch die Presse. Ende der neunziger Jahre schlug der Junge Mitarbeiter der Firma Leprince und Siveke in Herford die »Chemiker-Zeitung« auf und las, daß die Franzosen Sabatier und Senderens mit Hilfe eines Katalysators Anreicherungen mit dem Wasserstoff-Atom durchgeführt hatten. Die Gelehrten hatten bestimmte organische Verbindungen destilliert, und die Dämpfe in Gegenwart von Nickel zu hydrieren versucht. Nur versucht? Nein, was die Franzosen unternommen, hatten sie bis zum Erfolg durchgeführt.

    Paul Sabatier, 1854 geboren, war Professor für Chemie an der südfranzösischen Universität Toulouse. Sabatier hatte bahnbrechende Forschungen über das Wesen der Katalyse und des Katalysators vorgenommen. In jenem Jahre 1902, da Wilhelm Normann sein Verfahren der Fetthärtung zum Patent anmelden konnte, erhielt Sabatier den Nobelpreis für Chemie. 1941 starb der große französische Chemiker. Normann ließ sich damals durch die Berichte der »Chemiker-Zeitung« weder erschrecken noch irritieren. Er erkannte bald, wo der Unterschied lag. Die von ihm behandelten flüssigen Fette ließen sich nicht destillieren. Zum anderen hatten die Franzosen erklärt, daß bei Flüssigkeiten die Wirkung des Katalysators nicht einsetzte. Normann ging anders vor.

    Eine Tagebuch-Eintragung vom 27. Februar 1901 läßt das Verfahren deutlich werden: »Chemisch reine Ölsäure wurde mit etwas frisch reduziertem und im H-Strom erkalteten Nickel versetzt, im Ölbade auf ca. 160 Grad erwärmt und durch einen H-Strom kräftig in Bewegung erhalten. Als nach einigen Stunden der Versuch abgebrochen wurde, war die Ölsäure in rein weißes festes Stearin verwandelt.«

    Diese 1901 erhärtete Stearinsäure kann der Besucher heute im Deutschen Museum zu München bewundern. Die Formel für dieses Verfahren, das die riesigste Industrie nach sich ziehen sollte, verblüfft durch ihre Kürze: C17H33C0OH + H2 = C17H35COOH Am 14. August 1902 wurde die Erfindung Wilhelm Normanns als Deutsches Reichspatent No. 141 029 im Register eingetragen. Mit Recht wird betont, daß Normanns ureigenes Verdienst in der Anordnung des Prozesses und in der Formenwahl der benutzten Stoffe besteht: flüssiges Fett, fester Katalysator, gasförmiger Wasserstoff! Die Beschreibung in der Patentschrift lautet: »Gibt man feines Nickelpulver, durch Reduktion im Wasserstoffstrom erhalten, zu chemisch reiner Ölsäure, erwärmt im Ölbad und leitet einen kräftigen Strom von Wasserstoffgas längere Zeit hindurch, so wird die Ölsäure bei genügend langer Einwirkung vollständig in Stearinsäure übergeführt. Die Menge des zugesetzten Nickels und die Höhe der Temperatur sind unwesentlich und beeinflussen höchstens die Dauer des Prozesses. Die Reaktion verläuft, abgesehen von der Bildung geringer Nickelseife, die sich mit verdünnten Mitsäuren leicht zerlegen läßt, ohne Nebenreaktion. Dasselbe Nickel kann wiederholt gebraucht werden. Ebenso wie die freien Fettsäuren verhalten sich auch deren in der Natur vorkommende Glyceride, die Fette und Öle. Aus Olivenöl entsteht nach dem beschriebenen Verfahren eine harte, talgartige Masse, ebenso aus Leinöl und Tran. Es lassen sich also auf dem beschriebenen Wege alle Arten von ungesättigten Fettsäuren und deren Glyceride hydrogenisieren.«

    Es wurde von ungeheurer Wichtigkeit, daß Normann in seinem Laboratorium bereits 1902 auch Walöl anreicherte. Hierbei fand er, daß durch die Hydrierung auch jener Geruch verschwand, der bisher den Verbrauch des Walöls in der Produktion verhindert hatte. Wilhelm Normann aus Petershagen an der Weser, 32 Jahre alt, hatte es also geschafft!? Keineswegs! - jetzt trat der Teufel ins Spiel. Er brachte jenes nicht zu umschreibende Unglück in das Leben dieses ehrenwerten und bescheidenen Mannes, das bis zu seinem Tode nicht mehr abriß. Jede Erfindung der industriellen Chemie zieht eine Schwierigkeit nach sich, die oftmals noch mühevoller zu bezwingen ist als das Ersinnen des Neuen selbst. Das ist die Transferierung eines neuen Prozesses aus den kleinen Maßen, Apparaten und Gegebenheiten des Erfinder-Labors in die großen, oftmals riesigen Verhältnisse der auf Massen und Rentabilität abgestellten Produktion. Wilhelm Normann jedoch war es beschieden, noch eine Sonderstufe überwinden zu müssen: den Starrsinn und die Ängstlichkeit seines Onkels. Der alte Herr hatte nicht mehr den Mut, das eigene Werk zum Schauplatz einer solchen Umwälzung herzugeben. Er ist auch keineswegs von der Genialität des Neffen überzeugt. Denn wir leben schon in der wilhelminischen Aera, wo man die »Politik des Impressionismus« betreibt, und zwar auf allen Lebensgebieten. Wer etwas vorstellen möchte, wer eben »Eindruck machen« will, schreit sehr laut und anhaltend, und Wilhelm Normann ist ein stiller Mensch, der zwar etwas leistet, aber es nicht austrompeten kann.

    So wandert das Patent für einige Zeit in den Schreibtisch des Onkels, und sein geistiger Vater und Eigentümer muß fürchten, daß dieser Schreibtisch eine Art Erbbegräbnis für sein Geisteskind darstellt. Endlich erhält der junge Chemiker die Erlaubnis, die Erfindung anderen Firmen anzubieten. - Da kommt der zweite Schlag. Niemand will das Patent kaufen. Entweder ist man nicht von dem Wert der Fetthärtung überzeugt, oder man glaubt erst gar nicht an diese Möglichkeit, - oder, was zumeist geschieht, - man scheut die Kosten der notwendig werdenden großen Investitionen, die die Fachleute bald erkennen. Es ist Zeit, daß wir aufhören, uns etwas vorzumachen! Heute tun wir mit Selbstverständlichkeit, als wenn wir uns in Riesenbetrieben der Industrie wie zu Hause fühlen, und auch chemische Mammutbauten wie die Leuna-Werke etwa oder Oppau imponieren uns nicht. Meist liegt das nur daran, daß derartige Konstruktionen unser geistiges Fassungsvermögen einfach übersteigen. Aber, selbst wenn wir all diese Errungenschaften geistig und seelisch in uns aufgenommen haben sollten, - seit wann ist dem so? Noch bis zum Ersten Weltkriege war doch Chemie für die Mehrzahl der Menschen so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln. (Schließlich stammt unsere seelische Verstörtheit überhaupt daher, daß wir die ganze Großtechnik seit 1750 in unser Weltbild noch nicht richtig eingefügt haben; nicht einmal das bißchen Autofahren beherrschen wir.)

    Der Verfasser hat die Bänke jener Berliner Schule gedrückt, die in Naturwissenschaften führend sein sollte. In der Friedrich-Werderschen Oberrealschule - 1819 als Berliner Gewerbeschule eröffnet - war einstmals Friedrich Wöhler Chemielehrer gewesen, und im Keller zeigte man voll Ehrfurcht etliche Graphit-Töpfe, mit denen Wöhler das erste Aluminium hergestellt haben soll. Aber der Unterricht selbst entbehrte trotz der glänzenden Lehrkräfte doch noch jeden größeren Zuschnitts. Zwar wurde H2S produziert, Seife gekocht und Chlorgas entwickelt, - aber alles roch mehr nach Alchemie als nach moderner Naturkunde. Wie solche Demonstrationen im Chemiesaal etwa in Ludwigshafen, Höchst oder Leverkusen aussahen, davon erfuhren wir nichts. Der Chemie-Unterricht hatte noch Biedermeier-Stil, und die Schüler bewunderten ihren Lehrer, der jede chemische Reaktion, Verbindung oder Auflösung mit einem Faust-Zitat zu begleiten wußte. Es sei zugegeben, daß es das humanistische Gymnasium war, das die großen Techniker und Chemiker hervorbrachte, zugegeben, daß es wohl nur durch diese Schulform möglich war, derlei Geister heranzuzüchten. Auch wissen wir, daß man oben viel weiter sah als unten.

    Aber der große Haufen der Deutschen hat den Marsch vom 19. ins 20. Jahrhundert doch nur in sehr kleinen Etappen, mit allerlei Fuß-Krankheiten zurückgelegt. Sonst besäßen wir heute eine eigene Haltung und würden nicht so rapide veramerikanisieren. - Chemie blieb noch lange, als alle Grundlagenforschung schon weit vorangekommen war, im Stadium des Ungewissen, des Experiments, vor allem dann, wenn es galt, Geld zu riskieren. So mußte auch Wilhelm Normann mit seinem Patent ins Ausland gehen; denn in Deutschland wagte keiner, nach seinem Rezept zu arbeiten, obwohl er selbst, wenngleich in verkleinertem Maßstab, in Herford hatte aufbauen können, wie das Ganze in den notwendigen Ausmaßen einmal sich betätigen würde. Es war nicht nur Zufall, daß der Deutsche damit nach England wanderte und daß er unter all den englischen Städten ausgerechnet nach Warrington kam.

    Dort hatte William H. Lever fast zwei Jahrzehnte zuvor seine erste Seifenproduktion anlaufen lassen. In Lancashire gab es viele Seifenfabriken, und in Warrington war inzwischen die Firma Js. Crosfield & Sons Ltd. führend geworden. Hier war gewissermaßen klassischer Boden! Im Hause Crosfield & Sons erkannte man sofort die Bedeutung des Normann-Patentes, schloß mit Leprince und Siveke in Herford einen Lizenzvertrag und lud den Erfinder ein, die Apparatur zur Fetthärtung persönlich in Warrington aufzubauen. Dieser folgte dem Ruf der Briten.

    Einige Jahre des stillen Aufbaus folgten, und Wilhelm Normann konnte hoffen, sein mit gehärtetem Fett geladenes Lebensschiff bald in den Hafen zu steuern. Aber dann gab es eine häßliche Intrige, ausgeführt von einem Russen namens Wilbuschewitsch, der die Firma Leprince & Siveke in Herford besuchte unter dem Vorwand, einen Vertrag zwecks Ausnutzung des Patents abschließen zu wollen. In Wirklichkeit stahl der Russe das Verfahren und verkaufte es dann an die Bremen-Besigheimer Ölfabriken. Zwar zahlte Bremen-Besigheim dem Fremdling aus dem Osten eine Million Reichsmark für diese »Expropriation der Erfinder«, hatte aber wenig Gewinn davon. Nachdem Crosfield, der sich immer korrekt verhalten, an Lever übergegangen war, wechselte auch Bremen-Besigheim den Besitzer. Das Werk kam an - Anton Jurgens, der das Patent bereits von Crosfield gekauft hatte und in Emmerich die Ölwerke Germania errichtete. Zum Leiter dieses Werkes wurde Normann berufen, wo er von 1910 bis 1920 als Direktor wirkte.

    Der Erste Weltkrieg zerschlug dann alles. Normann hatte nur wenige Jahre in Emmerich auf sicherem Boden stehen können, dann kamen Krieg und Inflation, und zu allem Unglück schloß Jurgens seine deutschen Betriebe. Auch ein Versuch, sich nach dem Kriege in Belgien einen neuen Wirkungskreis zu schaffen, scheiterte. - Schließlich wurde Normann zum wissenschaftlichen Mitarbeiter der Böhme-Fettchemie in Chemnitz berufen, in welcher Position er dann am 1. Mai 1939 gestorben ist. Zwar erfuhr er noch, daß die Universität Münster ihm den Ehrendoktor zu verleihen gedachte für seine Verdienste als Naturwissenschaftler, aber zum Festakt selbst kam es nicht mehr. Es schien, als hätten die Nornen als Devise über seinen Lebensweg das gramvolle Wort Friedrich Hebbels gesetzt: »Mal fehlt der Wein, mal fehlt der Becher!«

    Sieht man von Gospodin Wilbuschewitsch ab, so ist kaum ein Schuldfaktor zu finden, der mit Recht gebrandmarkt werden könnte, alles Unheil angerührt oder bewirkt zu haben. Es ist die laute Zeit um 1900 die für Männer von Normanns Schlag nicht mehr recht passen will. Es ist der halbe Mut, der zwar Geld machen will, aber nichts wagen möchte. Es sind kleinlebige Verwandte und schließlich eine weltpolitische Katastrophe, die alle zusammen das Leben dieses wirklich großen Charakters verderben. Später wird es eine Normann-Plakette geben; doch es ist bezeichnend, daß sie als Erster nicht ein großer Nachfahre auf dem Gebiet der Fettforschung erhielt, sondern mit Recht der Mann, der für Normanns persönliches Schicksal in seinen letzten Jahren ein Herz besessen hatte.

    Blickt man die Entwicklungsreihe durch, so ist mit Erstaunen festzustellen, daß die anno 1902 fertig vorliegende Erfindung mit voller Stärke erst nach dem Ersten Weltkriege ihren Weg machte. Zwar beginnt Crosfield schon im Jahre 1906 mit dem industriellen Großverfahren. 1909 gehen in Warrington wöchentlich 100 t gehärtetes Fett hinaus, und die Anlieferungen an die Fabriken für Margarine setzen ein. Aber sowohl die Margarine als auch die Seifen haben inzwischen doch längst andere Höhen erklommen, und die Fetthärtung hinkt noch lange hinterher. Sokrates soll auf seinen Lehrsatz sehr stolz gewesen sein, der da lautet: »Wenn der Mensch das Gute erkennt, dann führt er es auch aus!« - Es gibt Menschen, die die Gültigkeit dieser These bezweifeln. Zumindest müßte man diese Gültigkeit einschränken durch den Zusatz: »... aber das währt sehr, sehr lange!« Wilhelm Normanns Lebensweg beweist es. - Doch der Deutsche hatte den Kreis geschlossen.

    Die Bedeutung des Normann-Patentes liegt darin, daß nunmehr alle ölhaltigen Rohstoffe der Welt für die Produktion der Margarine zur Verfügung standen. Daß es zwischen den einzelnen Sparten der Fettausnutzung keinerlei Überschneidungen oder Auseinandersetzungen mehr geben konnte. »Jedem das Seine!« - Diese Devise ließe sich in humorvollem Sinne auch auf das Gebiet der Fette und Öle übertragen. Jeder Produzent erhielt, was er für seinen Herstellungsgang benötigte.

    und aus dem Jahr 2001

    Wilhelm Normann und die Geschichte der Fetthärtung

    von Martin Fiedler, 2001

    "Was aus einer Sache werden kann, wenn sie in die richtigen Hände kommt"

    In den letzten Februartagen des Jahres 1901 führte der Chemiker Wilhelm Normann (1870-1939) im Laboratorium der Herforder Maschinenfett- und Ölfabrik Leprince & Siveke ein Experiment durch, das er wie folgt beschrieben hat: "Ich brachte einige Kubikzentimeter reine Ölsäure in ein Reagenzglas, fügte frisch reduziertes Nickel hinzu und leitete unter Erhitzung im Ölbad auf 160 Grad aus einem Kippschen Apparat Wasserstoff in kräftigem Strom hindurch. Gleich der erste Versuch gelang. Am Erstarren eines mit einem Glasstab herausgenommenen Pröbchens liess sich die Umwandlung erkennen. Die angewandte Ölsäure war praktisch vollständig in Stearinsäure umgewandelt worden. Nach meinen Notizen war dies am 24. Februar 1901, welches somit der eigentliche Geburtstag der Fetthärtung ist."

    Der chemische Versuch sollte die Fettchemie und die Fettwirtschaft erheblich verändern: Wilhelm Normann hatte die Grundlage für ein technisches Verfahren zur Hydrierung von Fetten (Fetthärtung) geschaffen, an dessen Urheber, an dessen wissenschaftliche, industrie und vor allem ernährungswirtschaftliche Bedeutung in diesem Beitrag erinnert wird.

    "...ganz Kaufmann werde ich nie und nimmer" Daß Wilhelm Normarm seine ersten Versuche über die Fetthärtung in Herford anstellte, geschah nicht zufällig. Seine Mutter Luise, eine geborene Siveke, stammte aus einer alteingesessenen Herforder Kaufmannsfamilie. Ihr Bruder Wilhelm Siveke (1831-1916) hatte dort zusammen mit dem Teilhaber Clement Leprince im Jahr 1868 eine Fabrik für Maschinenfett und Maschinenöle gegründet. Geboren wurde Normann am 16.1.1870 jedoch in Petershagen bei Minden, wo sein Vater Julius Normann eine Anstellung als Rektor der Volksschule angetreten hatte.

    Im Jahr 1872 zog die Familie wieder nach Herford. Hier wurde Wilhelm Normann noch zu Ostern 1879 in die Sexta des Friedrichs-Gymnasiums eingeschult. Ein Jahr später nahm sein Vater eine Lehrerstelle in Bad Kreuznach an. Dort besuchte Normann das königliche Gymnasium bis zur Primareife, um am 7.4.1888 wieder nach Herford zurückzukehren, wo er auf Wunsch seiner Eltern in die Firma des Onkels an der Engerstraße eintrat. Unter dessen Obhut sollte Normann eine solide kaufmännische Ausbildung erhalten, wogegen der mehr an technischen und naturwissenschaftlichen Fragen interessierte Lehrling bald rebellierte. Selbst die Aussicht, zu Studienzwecken für einige Monate in das bereits damals recht angesehene Untersuchungslabor von Fresenius in Wiesbaden wechseln zu können, stellte den N eunzehnjährigen nicht zufrieden, der seinem Vater mitteilte: "Ich will weiter, ich will mehr lernen, ich will etwas Tüchtiges werden, und das ist in Wiesbaden unmöglich. Wenn es denn einmal sein soll, daß ich die technische Seite eines Kaufmannsgeschäftes werde - ganz Kaufmann werde ich nie und nimmer -, so will ich es wenigstens so werden, daß ich mich mit meiner Wissenschaft vor anderen und vor mir selbst nicht zu schämen brauche."

    Im Herbst 1891 zurück aus Wiesbaden, wo er den Chemiestudenten Wilhelm Meigen kennengelernt hatte, zu dem er eine lebenslange Freundschaft knüpfte, willigte Normann in einige Ausbildungspflichten ein, auf die sein Onkel bestand. So machte er ein Volontariat in der Braunkohlenindustrie im thüringischen Zeitz und belegte ein Semester in der Ölprüfungsabteilung der Königlich Mechanisch- Technischen Versuchsanstalt in Charlottenburg. Daneben arbeitete er weiter in der Fabrik, ohne sich für das Kaufmännische begeistern zu können. Seine Abneigung nahm sogar in dem Maße zu wie seine Sehnsucht nach einem ordentlichen Chemiestudium nicht mehr zu stillen war.

    1894 antwortete er seinem Vater, der ihm vorgehalten hatte, daß tüchtige Gelehrte auch über kaufmännische Begabung verfügen müßten: "Sobald ich mich auch einem Fachmann gegenüber nicht zu schämen brauche, mich Chemiker zu nennen, werde ich keine Schwierigkeiten mehr machen, auch kaufmännische Handlungen gelegentlich vorzunehmen. Onkel W. fürchtet, das Gefühl, unzureichende Kenntnisse zu besitzen, würde bei mir immer stärker hervortreten, je mehr Kenntnisse ich erwürbe. Das halte ich selbst nicht für unmöglich, glaube aber, daß das kein Grund sein darf, die wirklich unzureichenden Kenntnisse zu vermehren."

    Ein Jahr später hatte sich Normann endgültig durchgesetzt. Er schrieb sich an der Universität Freiburg (Br.) in den Fächern Chemie und Geologie ein. Dass er große Begabung hatte, zeigte sich beim Abschluß, als er ohne Abiturexamen zur Promotion zugelassen wurde. Im Jahr 1900 kehrte Wilhelm Normann mit einem Doktortitel nach Herford zurück, um als Industrie-Chemiker die Leitung des Laboratoriums der Firma Leprince & Siveke zu übernehmen.

    Ein Verfahren zur Fetthärtung

    Mit der Begeisterung des jungen Forschers suchte Normann in Herford gleich nach Mitteln und Wegen, die Konsistenz der Fette und Maschinenöle zu verbessern, wobei er auf ein altes Problem der Fettchemie stieß, für das er schließlich schon 1901 eine Lösung nachweisen konnte: Wie war es möglich, flüssige Fette zu "härten", d.h. in Fette mit einer besser verwertbaren festen Form und mit einem höheren Schmelzpunkt zu überführen, und welches Verfahren war sowohl einfach genug als auch wirtschaftlich?

    Der praktische Nutzen eines brauchbaren Verfahrens zur Härtung von Fetten ergab sich aus dem Rohstoffangebot: Viele pflanzliche und tierische Fette wie Sojaöl, Leinöl, Rüböl, Sonnenblumenkernöl, Baumwollsamenöl, Wal- und Fischöl, die der Weltmarkt in großer Menge und zu günstigen Preisen zur Verfügung stellte, waren flüssig. Jedoch eigneten sich flüssige Fette aufgrund ihrer Konsistenz, ihrer Farbe und ihrer Geschmackseigenschaften nicht zur Verarbeitung für Lebensmittel. Allein mit dem Angebot an verarbeitungsfähigen Fetten, welche die Natur zur Verfügung stellte, hätte der wachsende Bedarf an streichfähigen Fetten für die Ernährung nicht gedeckt werden können. Zwischen 1900 und 1913 stieg der Jahresbedarf der Hauptabnehmer von Fetten, der Seifen- und der Speisefettindustrie, allein in Deutschland von 230.000 auf 550.000 Tonnen. Zur Jahrhundertwende war abzusehen, daß die Knappheit an festen Fetten (Rindertalg etc.) zu einem Preisauftrieb führen würde, wenn es nicht gelang, das natürliche Reservoir an flüssigen Ölen als Rohstoff für die Fettgewinnung zu erschließen.

    Zur Jahrhundertwende war den Chemikern längst bekannt, daß sich feste und flüssige Fette durch den unterschiedlichen Sättigungsgrad ihrer Fettsäuren d.h. durch die Anlagerung von Wasserstoffatomen unterschieden. Bislang war es trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, ungesättigte Fettsäuren durch Wasserstoffanlagerung in höher schmelzende und gesättigte Fettsäuren zu überführen. Normann erkannte bald, daß sich dieser Prozeß nur auf dem Wege der Katalyse durchführen ließ, wobei er zur Jahreswende 1900/01 in der "Chemiker-Zeitung" eine letzte Bestätigung für seine Annahme erhielt. In der Fachzeitschrift hatten die französischen Forscher Paul Sabatier und J.B. Senderens mitgeteilt, dass es ihnen gelungen war, Dämpfe ungesättigter organischer Verbindungen (Acetylen, Äthylen und Benzol) bei relativ niedrigen Temperaturen und in Gegenwart von Nickel als Katalysator mit Wasserstoff anzureichern - zu "hydrieren".

    Was die kleine Forschungsnotiz ausführte, brachte Normann zur Lösung des Problems der Fetthärtung, das jetzt noch darin bestand, einen Weg zu finden, flüssige Fette oder Fettsäuren in direkten Kontakt mit dem Katalysator zu bringen, ohne daß dieser dadurch unwirksam gemacht wurde: "Sabatier fand ferner, dass die Reaktion sofort aufhörte, wenn das Nickelpulver durch die Reaktionsprodukte feucht wurde. Da mich das Problem der Anlagerung von Wasserstoff an Ölsäure, wenn auch nur in Gedanken, damals schon seit langem lebhaft beschäftigt hatte, erinnerte ich mich derselben beim Lesen der Sabatierschen Entdeckung. Man musste mit Hilfe des Nickels die Ölsäure zu Stearinsäure absättigen können, wenn man sie nur bei den von Sabatier angegebenen Temperaturen zum Verdampfen bringen könnte. Das freilich war ausgeschlossen, (..) Es schien mir jedoch, dass das Aufhören der Wirkung des Katalysators bei seiner Befeuchtung doch wohl kaum eine wirkliche Zerstörung seiner Wirkungskraft sein könne, sondern nur eine Absperrung der Oberflache von den Gasen durch die flüssigen Reaktionsprodukte, und hatte den Gedanken, daß man diese Abschließung doch müsse überwinden können, wenn der Katalysator in einer größeren Menge Flüssigkeit durch heftige Durchmischung seine Berührungsfläche mit der Flüssigkeit und dem Gas fortwährend erneuert."

    Diese Versuchsanordnung - flüssiges Fett, ein darin beigemischter fester Katalysator, gasförmiger Wasserstoff - führte Ende Februar 1901 zu dem erwarteten Ergebnis. Die Bedeutung des Verfahrens zur industriellen Anwendung hat Wilhelm Normann sofort erkannt. Am 28.2.1901 teilte seinem Freund Wilhelm Meigen freudig die Entdeckung mit, bat ihn aber zugleich um Diskretion: "Ich habe bei 160 C aus chemisch reiner Ölsäure quantitativ und ohne Verharzung Stearinsäure gemacht !. Ich bitte Dich aber, hierüber mit niemand zu sprechen, denn ich habe starke Hoffnung und versuche dieses Verfahren für die technische Benutzung auszuarbeiten."

    Dafür brauchte Normann noch etwas Bedenkzeit. Nachdem er das Reagenzglas mit dem gehärteten Fett über ein Jahr in einem Gestell ruhen gelassen hatte, "sodass es mir immer vor Augen blieb", entschloß sich der Chemiker im Sommer 1902, das Verfahren im Namen der Herforder Maschinenfett- und Ölfabrik zum Patent anzumelden. Inzwischen plagte ihn doch ein wenig die Sorge, die Zeit könnte ihm davonlaufen. Seinen Eltern teilte Normann Ende Juli mit, er sei "mit den Vorarbeiten schon fertig, daß vielleicht ein brauchbares Patent dabei herauskommt, ich fürchte aber aus verschiedenen Gründen, daß nur irgend jemand zuvor kommen könnte, wenn ich die Sache nicht beeile."

    Doch viele Rückschlage waren in Kauf zu nehmen und noch zahlreiche technische Probleme zu lösen. Am 23.2.1903 schrieb Normann an Meigen, daß er in der Zwischenzeit die "Freude" erlebt habe, "daß die Reaktion im Reagenzglase sehr schön ging und im Großen gar nicht. Jetzt kann ich wieder von vom anfangen und herausknobeln, woran das liegt." Das Kaiserliche Patentamt erteilte seine Zustimmung im Frühjahr 1903, wobei der Patentanspruch Normanns sehr weit gefaßt war: Er erstreckte sich ganz allgemein auf ein "Verfahren zur Umwandlung ungesättigter Fettsäuren oder deren Glyzeride in gesättigte Verbindungen, gekennzeichnet durch die Behandlung der genannten Fettkörper mit Wasserstoff bei Gegenwart eines als Kontaktsubstanz wirkenden, fein verteilten Metalls."

    Die Patentschrift enthielt keine weiteren Ausführungen über die technischen Bedingungen, etwa über die Temperatur, die Menge und den Zustand des Katalysators. Auf seinen Namen hatte Normann auch den Antrag auf ein britisches Patent gestellt, das im gleichen Jahr erteilt wurde. Für alle anderen Industrieländer war - wohl auch aus Kostengründen - kein Patentschutz beantragt worden, ein Versäumnis, das Normann später bedauern sollte.

    "Ein Steinchen nach dem anderen..." Der mühsame Weg zur Industriereife

    Der Weg vom Laborversuch zur industriellen Reife des Fetthärtungsverfahrens war lang und mühsarn. Die Stärke, seinen Willen auch gegen Widerstände durchzusetzen, hatte Normann schon unter Beweis gestellt, als er dafür gekämpft hatte, den Beruf des Chemikers einzuschlagen. Das jahrelange Ringen um die Anerkennung und um die technische Verwirklichung seines Verfahrens im industriellen Großbetrieb verlangte einen persönlichen Einsatz, der ihm alle Kräfte abverlangte. Wie sehr die Schwierigkeiten an ihm gezehrt haben mußten, die sich ihm nach der Erfindung entgegenstellten, hat Normann im Alter mit einem Anflug von Bitterkeit kommentiert: "Der Kampf aber, der mir die meiste und beste Zeit raubte, war der gegen die lieben Mitmenschen, die sich nun alle - ohne Verdienst - mit an den Tisch setzen wollten, und der Kampf gegen ein völliges Nichtverstehen in der kleinen heimischen Firma. Schmerzlich war es, dass das Vaterland meine Idee nicht aufgegriffen hatte und das Verfahren im Ausland ausgearbeitet werden mußte."

    In technischer Hinsicht bestand das größte Hindernis zunächst darin, daß noch kein brauchbares Verfahren gefunden worden war, mit dem Wasserstoff in ausreichender Menge und in relativ großer Reinheit hergestellt werden konnte. So mußte sich Normann zunächst auch mit dem Problem der Wasserstofferzeugung befassen, wofür er im kleinen Maßstab eigene Öfen konstruierte: "Ein Versuch, eine Wasserstofferzeugungsanlage von einer Fachfirma bauen zu lassen, mißlang insofern, als von der einzigen damals in Deutschland bestehenden Fachfirma ein Ofen für eine sehr kleine Leistung, aber für einen so hohen Preis angeboten wurde, daß man den Wasserstoff wohl billiger aus Zink und Schwefelsäure hätte herstellen können. Ich baute daher selbst einen Ofen mit stehenden Retorten, die die Eisenspäne besser ausnutzen als die liegenden, in denen immer nur die oberste Schicht zur Wirkung kam."

    Erst einige Zeit später kam der katalytischen Fetthärtung der Fortschritt zur Hilfe, der durch den Bau der Luftschiffe des Grafen Zeppelin ausgelöst wurde, die Wasserstoff in großer Menge für ihren Flugbetrieb benötigten. Auch erwiesen sich Normanns Versuche, die Beschaffenheit und Reaktionseigenschaft des Katalysators zu verbessern, als äußerst zeitraubend. Doch zeigte sich der Forscher bei der Lösung der praktischen Probleme stets als Meister der Praxis, der nicht allein den theoretisch verzierten Wissenschaftler verkörperte, sondern auch den unermülichen Tütler und Techniker, der bei der Anfertigung der benötigten Apparaturen in Herford weitgehend auf sich allein gestellt war. Daß die Fetthärtung bei Leprince & Siveke über das Stadium einer Versuchsanlage nie recht hinauskam, lag an seinem mittlerweile hochbetagten Onkel, dem als Firmeninhaber der Mut fehlte, in die Ausarbeitung des Verfahrens zu investieren. Es bedurfte sogar der Überredung, daß der Kommerzienrat seinem Neffen wenigstens die Erlaubnis erteilte, auf die Suche nach anderen Unternehmern zu gehen, die sich eventuell bereit zeigten, die in einer Schreibtischschublade ruhende Patentschrift gewerblich zu nutzen.

    Das mangelnde Interesse der deutschen Industrie bereitete Normann eine nächste und tiefe Enttäuschung. Vorübergehend konnte Normann nur die Aufmerksamkeit einer einzigen Chemiefabrik gewinnen, die nach kurzer Zeit von einer Übernahme des Verfahrens Abstand nahm, als man sich davon überzeugt hatte, daß der Nickel-Katalysator beim wiederholten Gebrauch seine Wirksamkeit einbüßte. Dagegen erkannte die englische Firma Joseph Crosfield & Sons aus Warrington nicht nur die Bedeutung des Normannschen Patentes, sondern zeigte sich wie der Erfinder auch von der Machbarkeit überzeugt, das noch in den Kinderschuhen steckende Verfahren zur großtechnischen Reife zu bringen. Das auf die Herstellung von Seifen spezialisierte Unternehmen war bald nach der Veröffentlichung auf das englische Patent aufmerksam geworden und darauf in Verhandlungen mit Normann und der Firma Leprince & Siveke eingetreten. Der Kontakt wurde dadurch wesentlich erleichtert, daß bei Crosfield mit Karl Emil Markel seit geraumer Zeit ein deutscher Ingenieur für die technische Leitung zuständig war und das Unternehmen außerdem einen deutschen Chemiker namens Kayser beschäftigte.

    Kayser kam im Frühjahr 1905 nach Herford, um sich den Stand der Fetthärtung anhand der von Normann durchgeführten Kleinversuche anzusehen. Die Prüfung des Ingenieurs fiel positiv aus: Am 23. Juni 1905 erwarb Crosfield & Sons zunächst die Rechte auf das englische Patent und Normann reiste im Herbst des Jahres zum ersten Mal nach Warrington, um Kayser beim Aufbau der Anlagen und bei den weiteren Versuchen zu unterstützen.

    Zwischen 1905 und 1909 pendelte Normann wiederholt zwischen Warrington und Herford. In Warrington konnte 1906 eine erste Großversuchsanlage in Betrieb genommen werden, die für Baumwollsamenöl in Sätzen von 1000 kg ausgelegt war, bereits ein Jahr darauf betrug die Gesamtmenge gehärteter Fette 100 Tonnen. Doch stellte die wissenschaftliche und technische Pionierarbeit, die Crosfield & Sons auf sich genommen hatte, wirtschaftlich eine große Belastung für das Unternehmen dar. Im März 1910 schrieb der Werksleiter George Crosfield an Normann, er müsse gestehen, "daß wir alle miteinander die Schwierigkeiten unterschätzt haben, mit denen wir ziemlich bald konfrontiert wurden, als wir das Verfahren im großen Maßstab in Gang brachten."

    Im Juni 1908 hatte die Unternehmensleitung die Flucht nach vorne beschlossen, um mit dem Bau einer neuen und größeren Fetthärtungsanlge alle noch bestehenden technischen Probleme zu meistem. Auch hierzu steuerte Normann zahlreiche Verbesserungsvorschläge bei, die er in seinen weiteren Versuchen in Herford gesammelt hatte. Die neue Großanlage in Warrington nahm im Herbst 1909 ihren Betrieb auf und erzeugte ein Jahr darauf bereits fast 3.000 Tonnen gehärteter Fette, über 6.000 Tonnen im Jahr 1911 und fortlaufend größere Mengen in den folgenden Jahren. Allerdings war der Durchbruch zur Industriereife mit einem Aufwand verbunden, der die finanziellen Ressourcen des Unternehmens nahezu erschöpfte. Um die gewaltigen Investitionen abzusichern, erwarb der englische Hersteller in erneuten Verhandlungen mit Leprince & Siveke im Sommer 1910 auch die deutschen Rechte. In Warrington waren alle beteiligten Chemiker und Ingenieure zu größter Geheimhaltung verpflichtet worden. Die Arbeiter wurden über die technischen Vorgänge in der Härtungsanlage nur sehr oberflächlich informiert.

    Für die Geheimniskrämerei gab es gute Gründe. Sowohl Normann als auch Crosfields machten in dieser Zeit die schlechte Erfahrung, daß jeder Wissensvorsprung schnell verbraucht war, zumal sich Dritte nicht davon abhalten ließen, ihrerseits eigene Patentansprüche auf ein Verfahren zur Fetthärtung anzumelden. Ein solcher Anspruch baute zwar in jeder Hinsicht auf den Vorleistungen Normanns auf, begründete aber keinen Rechtsverstoß, zumal die ursprüngliche Patentschrift fast alle technischen Details und Verfahrensfragen offen gelassen hatte und nur für Deutschland und für Großbritannien angemeldet worden war. Der wegen seiner Unzuverlässigkeit in Warrington entlassene Kayser, der Normanns Versuchsanlage in Herford als einer der ersten Fachleute inspiziert hatte, ging postwendend in die Vereinigten Staaten, um der Firma Procter & Gamble sein Wissen über die Fetthärtung anzudienen.

    Ziemlich dreist war die Vorgehensweise des russischen Chemikers Wilbuschewitsch, der Normann im Frühjahr 1908 in Herford einen Besuch abstattete, um das Verfahren aus nächster Nähe zu besichtigen. Man kam in einem Abkommen überein, der russischen Firma S.M.Persitz die Rechte für den Bau einer Produktionsanlage in Nischnij Nowgorod zu überlassen, wobei Wilbuschewitsch zu diesem Zweck alle Einzelheiten und Fortschritte aus erster Hand erfahren konnte. Zwei Jahre darauf meldete der russische Chemiker aufgrund verfahrenstechnischer Änderungen, die er in Rußland durchführte, ein eigenes Patent an, das zu Normanns großer Verärgerung im Jahr 1911 von den Bremen-Besigheimer Ölfabriken zum Preis von einer Million Reichsmark erworben wurde. Dagegen hatten die deutschen Hersteller seine Pionierleistung völlig ignoriert.

    Zudem waren Normanns Bemühungen erfolglos geblieben, der Herforder Fabrik einen Markt für den Absatz gehärteter Fette zu erschließen. Im Jahr 1907 hatte der Chemiker in Herford einen neuen Apparat für weitere Versuchszwecke mit einer Nutzfüllung von 5 kg konstruiert. In diesem Apparat härtete Normann "ungefähr alle Öle, deren ich habhaft werden konnte", darunter erstmals Walöl, das auf dem Markt als billigster Rohstoff zur Verfügung stand. In enger Fühlungnahme mit Normann wurde im gleichen Jahr in Warrington die Härtung von Walöl eingeführt, wobei sich der Effekt bestätigte, daß der Waltran durch die Härtung geschmacksneutral wurde. Angesichts des großen Vertrauens, das die Engländer in Normann gesetzt hatten, war der alte Firmeninhaber im Frühjahr 1908 schließlich doch dazu zu bewegen, in den Bau einer größeren Anlage auf dem Fabrikgelände an der Engerstraße einzuwilligen, die immerhin eine tägliche Produktionskapazität von 500 kg aufwies und mit dieser Auslegung "die erste fabrikmäßige Härtungsanlage auf dem Kontinent" war.

    Doch fand Normann bei den Seifenherstellern der näheren Umgebung keine Abnehmer - zu groß war der Vorbehalt gegen eine Verwendung der Hartfette, mit denen sich die inländischen Fabrikanten erst anfreunden konnten, als ausländische Hersteller diese bereits in großem Umfang und mit Erfolg verwendeten. Für zwei westfälische Margarinefabriken, die Firma Homann in Dissen und Meyer in Lippinghausen, härtete Normann im April 1909 versuchsweise Baumwollsaatöl. Ein wirtschaftlicher Gewinn war damit nicht zu erzielen, zumal Normann hier wiederum Neuland betreten hatte und den Fabrikanten noch die Erfahrung über den Einsatz gehärteter Fette in der Nahrungsmittelherstellung fehlte: "Doch auch dieser Versuch führte nicht zu einer dauernden Verbindung, weil ich die Fette zu weitgehend gehärtet hatte in Unkenntnis der Anforderungen, welche die Speisefettindustrie an das Rohmaterial stellen musste. Die beiden Margarinefabrikanten selbst konnten mir keinen Rat geben, da sie keine wissenschaftliche Leitung hatten und auch nicht wußten, welche Anforderungen sie an die Härtung stellen konnten"

    Dennoch war dies der erste Versuch überhaupt, gehärtetes Fett für Nahrungszwecke herzustellen: Ernährungsgeschichtlich öffnete sich mit diesem Datum ein neues Kapitel, das wiederum in Herford und von Wilhelm Normann aufgeschlagen worden war. Es gehörte zur tragischen Seite im Leben des Erfinders Wilhelm Normann, daß er auf rückhaltslose Anerkennung und Unterstützung, die man ihm in Warrington von Anfang an entgegen gebracht hatte, in Deutschland nicht zählen konnte. Seine ganze Enttäuschung bündelte er in einen Brief an Meigen im Frühjahr 1909 in dem Satz: "Ein Steinchen nach dem anderen rollt mir bei der Entwicklung meines Verfahrens in den Weg." Der wirtschaftliche Mißerfolg und ein Zerwürfnis mit seinem Onkel zwang ihn wenige Monate später, die Arbeit bei Leprince & Siveke ganz einzustellen: Am 15.8.1909 trennten sich vorerst die Wege Normanns und des Herforder Unternehmens, das den Betrieb der Anlage im Jahr darauf und damit zu einem Zeitpunkt stillegte, als das Härtungsverfahren kurz vor dem Durchbruch zur industriellen Reife stand: Am Vorabend des Ersten Weltkrieges waren in Deutschland bereits sechs Anlagen in Betrieb, neunzehn weitere in England, Österreich, Rußland, Norwegen, Holland und in den Vereinigten Staaten.

    Helfer zum Aufstieg der internationalen Margarineindustrie Zweifellos hatte die deutschen Hersteller mit ihrer Zurückhaltung gegenüber Normanns Patent eine Chance verpaßt, sich einen technologischen Vorsprung in der Herstellung und Verarbeitung gehärteter Fette zu sichern. Aus der kleinen Fabrik in Herford hätte unter den gegebenen Umständen jedoch nie "eine Weltfirma" werden können - zu groß waren die Investitionen, die Crosfield & Sons als erstes Unternehmen auf sich genommen hatte, um das Fetthärtungsverfahren im großen Maßstab zu betreiben. Nach seinem Weggang in Herford wirkte Normann wieder in Warrington an der weiteren Verbesserung des Fetthärtungsverfahrens mit, das weniger für die Herstellung von Seifen als für die Herstellung von Speisefetten noch vor dem Ersten Weltkrieg seine eigentliche und bahnbrechende Bedeutung erlangte und den Grundstein für die Expansion der Großunternehmen legte, die über die Patentrechte verfügten und ihren Sitz in Großbritannien und in Holland hatten.

    Von Normanns Plänen, gehärtete Fette für die Margarineherstellung zu gewinnen, war es nur noch ein kleiner Schritt, nicht nur pflanzliche Öle, sondern auch Waltran als Speisefett zu härten. Im Jahr 1910 hielt sich Normann wieder bei Crosfields auf, wo im gleichen Jahr die Härtung von Walöl als Grundsubstanz für die Margarineherstellung im großen Stil begonnen wurde. Normann zeigte sich zuversichtlich, daß sich seine Idee als richtungsweisend herausstellen sollte. Meigen teilte er im September mit: "Die Sache an sich geht hier gut, man denkt sogar schon über eine Erweiterung nach- Da sieht man doch, was aus einer Sache werden kann, wenn sie in die richtigen Hände kommt." Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten sich weitere Hände nach dem Fetthärtungsverfahren ausgestreckt, darunter die des holländischen Margarineherstellers Anton Jurgens, der seit dem Jahresende mit Crosfields um eine Übernahme der deutschen Rechte an Normanns Patent verhandelte.

    Angesichts der in Warrington erzielten Fortschritte hatten die großen Margarinehersteller die Chancen erkannt die das Verfahren bot, das es ihnen ermöglichte, auf ein größeres Spektrum an Rohstoffen zurückzugreifen, die sich durch die Härtung auf eine beliebige Konsistenz und Streichfähigkeit einstellen ließen. Der finanzielle Engpaß, in dem Crosfield & Sons aufgrund der hohen Investitionen in Warrington steckte, erlaubte dem englischen Unternehmen keine Expansion aus eigenen Kräften. Normann, der sich zunächst noch Hoffnung gemacht hatte, als technischer Leiter einer neuen Fetthärtungsfabrik von Crosfield in Deutschland eingesetzt zu werden, durfte im Dezember in London an den Verhandlungen mit Jurgens teilnehmen, die kurz darauf zu einer Einigung führten und Normann einen neuen Arbeitgeber und einen neuen Verantwortungsbereich einbrachten: Zum Jahresanfang wechselte der Chemiker zum holländischen Margarinekonzern, der in Emmerich am Niederrhein die "Ölwerke Germania" gründete, dort die erste großindustrielle Ölhärtungsanlage auf deutschem Boden errichtete und Normann mit der technischen und wissenschaftlichen Leitung betraute. "Sie werden sich freuen zu hören", bestätigte sein früherer Förderer in Warrington die Wertschätzung, auf die Normann auch bei seinem neuen Arbeitgeber zählen konnte, "daß Herr Anton Jürgens mit mir übereinstimmt in der Notwendigkeit, Ihnen absolut freie Hand bei Ihrer Arbeit zu lassen und Ihre Stellung als technischer Leiter der Fabrik sicherzustellen."

    Die Inbetriebnahme der Fetthärtungsanlage in Emmerich im Februar 1912 war ein Schachzug, der dem niederländischen Konzern eine Vorherrschaft auf dem deutschen Absatzmarkt sicherte. Bereits am Vorabend des Ersten Weltkriegs lieferte die Anlage jährlich über 20.000 Tonnen gehärteter Öle. Mit einer Jahresproduktion von insgesamt 70.000 Tonnen entfiel auf den Jurgens-Konzem ein Drittel der deutschen Margarineproduktion. In der Fabrikationsanlge der Germaniawerke waren zahlreiche Vorschläge Normanns zur Verbesserung des Verfahrens berücksichtigt worden, die er in Herford und Warrington gesammelt hatte: So wurde das ungehärtete Öl in großen Rührgefäßen mit dem Katalysator vermischt, der nach dem Härtungsprozeß wieder herausgefiltert und weiter verwendet werden konnte. Als Rohstoffe kamen in Emmerich hauptsächlich Baumwollsaatöl und Waltran zur Verwendung. Die Verarbeitung des Walöls wurde in den ersten Jahren streng geheim gehalten, da die Margarineindustrie mit einer weit verbreiteten Abneigung der Verbraucher gegen "Tran" als Grundstoff rechnete. Die für notwendig gehaltene Verschleierung der Inhaltsstoffe kam in der Bezeichnung der gehärteten Speisefette zum Ausdruck, welche die Germaniawerke unter dem Namen "Talgol" auf den Markt brachten.

    Der wirtschaftliche Ertrag der Industrie aus Normanns Erfindung war immens. Im Zeitraum von 1910 bis 1913 schaffte die Margarineindustrie den Durchbruch zur industriellen Massenproduktion. Erst die Ölhärtung machte es möglich, daß die 1869 in Frankreich erfundene Margarine zu einem Volksnahrungsmittel wurde. Darüber hinaus leistete Normanns Patent einen großen Beitrag zum Aufstieg eines britisch-niederländischen Weltkonzems, dessen Haupterlös aus der Herstellung von Margarine und Seifen stammte. Das Härtungsverfahren war von solcher Bedeutung, daß sich die größeren Hersteller erst einen heftigen Streit um die Patentrechte lieferten. Der "Normann-Gruppe" um Crosfield und Jurgens, die sich die Rechte an Normanns Patent gesichert hatten, stand um den britischen Lever Konzern und dem holländischen Margarinehersteller Van den Bergh eine Gruppe gegenüber, die auf das etwas modifizierte Verfahren von Wilbuschewitz-Testrup setzte. Zwei Jahrzehnte später fanden sich alle unter dem Dach eines Großkonzems vereint, der 1930 den Namen "Unilever" erhalten hat.

    Seine ernährungswirtschaftliche Bedeutung konnte das Härtungsverfahren recht schnell unter Beweis stellen. Eine praktische Bewährungsprobe kam in Deutschland bereits während des Ersten Weltkrieges, als die aufkommende Knappheit an Fetten mit Hilfe dieses Verfahrens zumindest gelindert werden konnte. Zwar erreichte der Versorgungsgrad der deutschen Bevölkerung in den "Rübenwintern" der letzten Kriegsjahre nur noch etwa zehn Prozent des täglichen Fettbedarfes, doch wäre der katastrophale Mangel, bedingt durch den vollständigen Ausfall der Importe, ohne die Härtung von Speisefett aus minderwertigem Tran, aus Rübol und aus schwarzem Rapskuchenöl noch größer ausgefallen.

    "Mein Lebensplan.. wird wohl ewig unerfüllt bleiben"

    Der Erste Weltkrieg brachte den Chemiker dennoch um die Früchte seiner Arbeit. In der Inflation nach Kriegsende verlor Normann sein ganzes Vermögen, das er sich mit seinen Einkünften in England zusammengespart hatte. Während die großen Magarinekonzerne durch die Ölhärtung auf Jahre hinaus Millionengewinne einfahren sollten, stand der Schöpfer ihres Reichtums anfang der Zwanziger Jahre mit leeren Händen da. Auch bei den Germaniawerken ging seine Tätigkeit zu Ende, als Jurgens das wissenschaftliche Zentrallabor des Konzerns nach Holland verlagerte. Höchst unzufrieden mit der Kürzung seines Arbeitsbereiches dachte Normann ab 1920 über einen Stellungswechsel nach. Der Wunsch nach Veränderung führte ihn noch einmal für fünf Jahre in die Stadt, zu der Normann trotz der längeren Abwesenheit die engsten familiären und freundschaftlichen Bindungen pflegte: Denn aus Herford stammte auch seine Ehefrau Martha Uflerbäumer, die Tochter eines Wäschefabrikanten, die er im Jahr 1916 geheiratet hatte.

    Im Frühjahr 1922 nahm Normann das Angebot der Nachfolger von Leprince & Siveke an, in die Geschäftsführung einzutreten. Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland stand diese Entscheidung unter keinem guten Stern: Im September 1924 klagte Normann seinem Freund Meigen, er habe "den Kopf so voll, weil es mit unserem Geschäft so schlecht ging, daß wir uns unter Geschäftsaufsicht stellen mußten." Zum Jahresende mußte Normann seine Tätigkeit aufgeben, um sich zwei Jahre lang als freier Berater für die Industrie zu verdingen, die er mit seiner Erfindung geschaffen hatte. Ein neues Stellenangebot erhielt Normann wiederum aus dem benachbarten Ausland: Die belgische Kolonialgesellschaft machte ihm Anfang 1927 die Offerte, die technische Leitung einer neuen Margarinefabrik, der SAPA ("Societe anonyme des grasses, huiles et produits africaines") in Antwerpen zu übernehmen. Im Sommer 1927 zog Normann mit der Familie nach Belgien.

    Die SAPA war jedoch lediglich auf ein kurzfristiges Arbeitsverhältnis mit Normann aus, dessen Wissen nur so lange benötigt wurde, wie der Aufbau und die Inbetriebnahme der Anlagen in Anspruch nahm. Im Alter von nunmehr 58 Jahren zog Normann in Antwerpen im Oktober 1928 eine bittere Bilanz über die Unstetigkeit, die ihn seit gut zwei Jahrzehnten verfolgte: "Es ist so gekommen, wie ich erwartet habe. Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub erklärte man mir, daß die Leitung der Fabrik bei mir nicht in guter Hand sei und man sich mit mir deswegen über ein "freundschaftliche" Lösung unseres Vertrages auseinandersetzen möchte. Die Härtungsanlage ist nämlich gerade in Betrieb genommen und läuft. Schon seit dem 1. Oktober bin ich außer Tätigkeit. Meine alte Sehnsucht, mein Lebensplan, in älteren Tagen in einem kleinen privaten Laboratorium wissenschaftlich arbeiten zu können, wird wohl ewig unerfüllt bleiben."

    Was den verständlichen Wunsch Normanns anging, noch einige Jahre in Ruhe und wirtschaftlicher Sicherheit forschen zu können, war ihm zumindest in seinen letzten Berufsjahren ein versöhnlicher Abschluß vergönnt, der vielleicht als eine kleine und späte "Ehrenrettung der deutschen Industrie" betrachtet werden kann, die seine Erfindung zur Fetthärtung nicht genutzt hat. Im Jahr 1929 erhielt Normann von der Chemiefabrik H. Th. Böhme AG in Chemnitz den Auftrag, an der Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung von Fettalkoholen mitzuarbeiten. Bis 1939 leistete der Chemiker in einem Forschungsverbund zwischen seinem neuen Arbeitgeber und den Deutschen Hydrierwerken in Rodleben bei Dessau erneut einen grundlegenden Beitrag für die Entwicklung eines neuen Produktzyklus der chemischen Industrie. Die mit der Hochdruckhydrierung gewonnenen Fettalkohole waren unter anderem ein wichtiges Ausgangsmaterial zur Herstellung synthetischer Waschmittel. Eine Produktbeschreibung der Böhme Fettchemie, die im Jahr 1935 vom Henkel-Konzern übernommen wurde und das Feinwaschmittel "FEWA" zum Markenprodukt entwickelte, verwies auf die wirtschaftliche Verwertung der Ergebnisse, die der chemischen Industrie in den folgenden Jahren und Jahrzehnten einen neuen und äußerst lukrativen Geschäftszweig einbrachten: "Allen Fettalkoholsulfonaten aber (..) gemeinsam sind folgende Vorzüge: Neutralität in wäßriger Lösung, Netz-, Schaum- und Waschkraft auch in hartem Wasser, Unempfindlichkeit gegenüber Säuren, Alkalien und Salzen. (..)

    Mit den Fettalkoholsulfonaten war ein entscheidender Fortschritt erzielt. Nicht allein in Deutschland sprach sich dies bald herum, auch in Holland, Schweden, Italien, Frankreich, überall in Europa und bald auch in Amerika wurde die Neuigkeit vernommen. Ein Weltgeschäft, die Erzeugung syntetischer Waschmittel (..) lief an." Auch ohne diese Forschungsleistung, an der Normann in seiner letzten Lebensphase in Chemnitz beteiligt war, kann seine Wirkung als ein Wegbereiter für weitere Fortschritte der Industriechemie nicht hoch genug veranschlagt werden. Sein grundlegender Beitrag zur Hydrierung von Fetten gab nicht nur den Anstoß für die Erforschung der komplexen Chemie der Öle und Fette, sondern ebnete auch den Weg für eine Vielzahl ähnlicher Anwendungen, die auf der großtechnischen Ausnutzung der Wasserstoffkatalyse aufbauten. Die Herstellung einer großen Zahl von Produkten basiert auf der Anwendung dieses Verfahrens, das auf diese Weise dazu beigetragen hat, die Alltags- und Warenwelt der Konsumenten im 20. Jahrhundert zu verändern. Die Firmenzeitschrift von "Unilever" hat vor einiger Zeit eine Auswahl der Produkte in einer Collage zusammengestellt: Die Palette der Erzeugnisse reicht von zahlreichen Nahrungsmitteln und Kosmetika über Wasch- und Reinigungsmittel bis zu Kerzen, Farben und Papier.

    Wilhelm Normann starb am 1.5.1939 in Chemnitz im Alter von 69 Jahren. Der heute fast in Vergessenheit geratene Pionier der Fettforschung ist in Herford beigesetzt worden, im Familiengrab auf dem Friedhof an der Hermannstraße.



    Das Laborbuch

    Das "Laborbuch No 4", welches Wilhelm Normann vom 17. Mai 1900 bis 8. Dezember 1901 geführt hat, ist im Archiv der DGF erhalten geblieben. Am 27. und 28. Februar 1901 beschreibt er dort die erste erfolgreiche Umwandlung von Ölsäure in Stearinsäure. Dies kann als Geburtsstunde der Fetthärtung und damit der Margarineherstellung gelten. Das Laborbuch ist hier vollständig als .pdf abrufbar.

    Die Fetthärtung

    Vorgänger: Beobachtung von Sabatier und Senderens

    Directe Hydrogenisirung

    Chemiker-Zeitung, 25, Nr. 13, S. 136 (1901)

    Paul Sabatier und Jean Senderens
    Deutscher Kurzauszug einer französischen Veröffentlichung

    Paul Sabatier und J.B.Senderens machen weitere Mitteilungen über die directen Hydrogenisirungen in Gegenwart von reducirtem Nickel und beschreiben die Darstellung des Hexahydrobenzols. Seit den letzten Veröffentlichungen der Verfasser über die Umwandlung von Aethylen und Acethylen in Aethan etc. durch frisch reducirtes Nickel haben sie durch neue Versuche erkannt, dass reducirtes Nickel ein sehr wirksames Agens ist, das sowohl direkte Wasserstoffanlagerungen als auch moleculare Umsetzungen bei wenig hohen Temperaturen auszuführen gestattet.

    Das Metall wirkt durch eine "Gegenwartsreaction" von fast unbegrenzter Dauer dabei mit. Diese Reaction ist sicherlich der Bildung von Zwischenproducten zuzuschreiben, z.B. von einem unbeständigen Hydrid. Das Metall ruft so eine große Anzahl exothermischer Reactionen hervor, welche gewöhnlich nur mit Hülfe hoher Temperaturen bewirkt werden können, die für die Stabilität der Producte ungünstig sind, oder unter mühsamen experimentellen Bedingungen. Auf das frisch reducirte Nickel, welches in dünner Schicht in der Reductionsröhre ausgebreitet ist, leitet man die Dämpfe des zu hydrogenisirenden Körpers, die man durch einen Überschuss an Wasserstoff mit fortreissen lässt. Die Verf. haben so mit frisch reducirtem Nickel die Wasserstoffanlagerung an das Benzol ( C6H6 + H6 = C6H12 Hexahydrobenzol ), Toluol, die Xylole, an das Cymol etc. ausgeführt, ebenso bei anderen Verbindungen, wie bei Nitrobenzol, das leicht in Anilin umgewandelt wird.

    Geschichte/ Entwicklung der Fetthärtung
    1888-1900 Normann arbeitet bei der Firma "Herforder Maschinenfett- und Ölfabrik Leprince & Siveke" in Herford. Der Inhaber der Firma: Wilhelm Siveke (geboren 1831) ist ein Bruder der Mutter von Wilhelm Normann.
    1890-1900 Studium der Chemie an der Universität Freiburg im Breisgau; mit Unterbrechungen, in denen er in der Herforder Firma arbeitet. An der Universität ist sein Freund Wilhelm Meigen Privatdozent für Chemie.
    06.03.1900 Promotion
    1900-1909 Technische Leitung und Untersuchungen über Fette und Öle bei der Herforder Firma.
    1901 las er in der Chemiker-Zeitung von den Versuchen des Franzosen Sabatier, katalytisch Wasserstoff an leichtflüssige Teeröle anzulagern. Sabatier hatte behauptet, daß sein Verfahren nur bei verdampfbaren organischen Verbindungen anwendbar sei. Diese Bemerkung veranlasste ihn, selbst Versuche anzustellen. Er widerlegte die Ansicht von Sabatier, als es ihm am 27.02.1901 gelang, flüssige Ölsäure durch katalytische Hydrierung mit feinverteiltem Nickel in feste Stearinsäure zu überführen: "Fetthärtung".
    27.02.1901 Erfindung der Fetthärtung.Eintragung im Tagebuch am 27.02.1901: "Umwandlung von Ölsäure in Stearinsäure: "In Chem.-Ztg. No.13, S.136 findet sich ein kurzes Referat über eine Reaktion des Nickels, wobei das Ni H-übertragend und addierend wirkt". a.) Chem. reine Ölsäure wurde mit etw. frisch reduziertem und im H-Strom erkalteten Nickels versetzt, im Ölbade auf 160 Grad erwärmt und durch einen H-Strom kräftig in Bewegung gehalten. Als nach einigen Stunden der Versuch abgebrochen wurde, war die Ölsäure in reine weisse feste Stearinsäure verwandelt. b.) Grobe Bimssteinkörner wurden mit Nickelnitrat getränkt, erhitzt, im H-Strom reduziert und nach dem Erkalten in den Hals eines Fraktionierkölbchens gebracht. Im H-Strom wurde aus dem Kölbchen Ölsäure (techn.) destilliert. Das Destillat war fast rein weiss, wurde beim Erkalten fest, bestand aber nur teilweise aus Stearinsäure. Die Schicht der Bimskörner war für die Umwandlung aller Ölsäure zu kurz gewesen.
    28.02.1901 aus einem Brief an Meigen: "Die beschriebene Eigenschaft des Ni, H-übertragend zu wirken, ist aber richtig. Ich habe bei 160 Grad aus chemisch reiner Ölsäure quantitativ und ohne Verharzung Stearinsäure gemacht ! Ich bitte Dich aber, hierüber mit niemand zu sprechen und die ganze Sache für Dich zu behalten, denn ich habe starke Hoffnung und versuche dieses Verfahren für die technische Benutzung auszuarbeiten."
    06.03.1901 Eintragung im Tagebuch: Umwandlung von Ölsäure in Stearinsäure: Der Apparat war diesmal so angeordnet, daß durch eine kleine gläserne Dampfstrahlpumpe das Wasserstoffgas, womit der ganze Apparat gefüllt ist, fortwährend im Kreise herum durch die im Ölbad erhitzte Ölsäure getrieben wird. Der Dampf des Gebläses wird im Kühler kondensiert. Der etwa verbrauchte Wasserstoff ersetzt sich selbsttätig aus dem Kippchen Apparate. Hals und Ansatzrohr des Fraktionierkolbens waren mit Bimssteinstückchen ganz gefüllt, ähnlich wie beim Versuch vom 28. Febr. Die Ölsäure begann erst zu destillieren, als das Ölbad eine Temperatur von über 300° hatte. Ein Verbrauch an Wasserstoff wurde nicht beobachtet, es stieg im Gegenteil der Druck im Apparate, sodass die Na-Lauge (Na-Lauge und FeSO4, um verunreinigendes H2S zurückzuhalten) in der Waschflasche in den H-Erzeuger gedrückt wurde, wohl in Folge nicht kondensierender, gasförmiger Zersetzungsprodukte der Ölsäure. Eine Bildung von Stearinsäure wurde nicht beobachtet.
    15.03.1901 Eintragung im Tagebuch: Destillation im kräftigen Wasserstoffstrom, unter Durchleiten der Dämpfe durch Bimssteinstückchen, mit Ni imprägniert. Da das reduzierende Nickel sich stets pyrophor zeigte, wurde diesmal der Nickelbimsstein im Ansatzrohr selbst reduziert, so dass er vor Beginn der Dest. nicht mehr mit Luft in Berührung kam. Nur eine Teil der Ölsäure wurde ich Stearinsäure überführt.
    20.03.1901 Eintragung im Tagebuch: Wiederholung des Versuches im Reagenzglas mit technischer Ölsäure. Nach vielstündigem Durchleiten von H bei ca. 200° ist die Reduktion noch nicht vollständig. Es hat sich Ni-Seife gebildet, welche den größten Teil des Ni der Reaktion entzieht.
    03.07.1902 Aus einem Brief an Meigen: Sabatier und Senderens von der Acad.d.sc. in Paris haben nach den kurzen Referaten der Chemiker Zeitung gefunden, daß sich im Kontakt mit reduzierten Metallen der Fe-Gruppe, hauptsächlich Nickel, Wasserstoff an ungesättigte Verbindungen addiert. Ich habe früher schon einmal diese Reaktion auf Ölsäure in Anwendung gebracht und dabei glatt und quantitativ Stearinsäure erhalten. (Beschreibung der Versuchsanordnung). Auf andere Öle und Fettsäuren will ich die Reaktion jetzt versuchen. Diese glatte und elegante H-Addition hat mich außerordentlich überrascht. Es scheint als ob andere diese Reaktion noch nicht nachgeprüft hätten, ich glaube aber, daß sie sich noch viel weiter ausdehnen läßt und für Wissenschaft und Praxis noch wertvoll werden kann. Über meine Ölsäure bitte ich Dich vorläufig nicht zu sprechen, bis ich weis, ob was praktisches dabei herauskommt.
    30.07.1902 Aus einem Brief an seine Eltern: Ich habe nämlich augenblicklich eine Arbeit vor, ober bin vielmehr mit den Vorarbeiten schon fertig, daß vielleicht ein brauchbares Patent dabei herauskommt, ich fürchte aber aus verschiedenen Gründen, daß mir irgend jemand zuvor kommen könnte, wenn ich die Sache nicht beeile.
    14.08.1902 Erteilung des Deutschen Reichspatentes Nr. 141 029 an die Firma "Leprince & Siveke": "Verfahren zur Umwandlung ungesättigter Fettsäuren oder deren Glyceride in gesättigte Verbindungen" (ausgegeben am 04.05.1903). H.P.Kaufmann schreibt 1939: Das Dreiphasensystem: flüssiges Fett - fester Katalysator - gasförmiger Wasserstoff ist Normanns alleiniges und unbestrittenes Erfindergut.
    23.08.1902 Aus einem Brief an Meigen: Die Nickel-Fettsäure-Geschichte habe ich zum Patent angemeldet. Zu Auslandspatenten hat mein Onkel keine Lust. Ob ich es wohl auf eigenes Portemonaie wagen soll? Sabatier und Senderens fangen jetzt an zu suchen, was sich sonst noch alles mit der Reaktion machen läßt; es war also für mich höchste Zeit.
    1902-1905 Versuche zur praktischen Durchführung der Erfindung und eigenes Ersinnen der dazu benötigten Apparatur bei "Leprince & Siveke" in Herford.
    1902 Erste Waltranhärtung in Herford
    21.01.1903 Erteilung des britischen Patentes Nr. 1515: "Process for Converting Unsaturatet Fatty Acids or their Glycerides into Saturated Compounds" allein auf den Namen Dr. Wilhelm Normann.
    23.03.1903 Aus einen Brief an seinen Freund Meigen: Im Geschäft habe ich neben fortlaufenden Klüngeleien hauptsächlich an der Patentsache und an der Verbesserung unserer Ölraffination zu thun. Zu ersterer versuche ich jetzt meine Reagenzglasversuche in Kg-Gefässen zu wiederholen. Das Patent mußte übrigens am 12. Febr. erteilt sein, worüber ich jedoch noch keine Nachricht habe. Das Patentamt scheint überhaupt sehr "gemütlich" zu arbeiten! In der Raffinationssache habe ich die "Freude" erlebt, daß die Reaktion im Reagenzglase sehr schön ging und im Großen gar nicht. Jetzt kann ich wieder von vorn anfangen und herausknobeln, woran es liegt.
    1905-1910 Auf- und Ausbau einer Anlage zur Fetthärtung in der Firma in Herford
    18.06.1905 Aus einem Brief an Meigen: Die Fettsache kommt jetzt allmählich auch in Gang, wenn auch sehr langsam.
    1907 Ein Herforder Freund von Wilhelm Normann, der Arzt Dr. Kopp, läßt Rizinusöl härten in der Hoffnung, es dann angenehmer einnehmen zu können. Die abführende Wirkung des Rizinusöles geht bei der Härtung jedoch verloren.
    23.12.1907 Erste Härtung von Walöl in einer kleinen Modell-Apparatur "in Sätzen von 5-7 Kg, aber in völlig technischer Form" in der Firma in Herford. In der Firma in Herford eine Härtungsanlage für 10t(?) wöchentlich.
    1908 Beginn der Härtung in einer Großapparatur für 500 kg bei der Firma in Herford. Härtung von Japantran und anderem.
    30.10.1908 Aus einem Brief an Meigen: Mit der neuen Anlage mach ich augenblicklich Probeversuche, meistens blinde Versuch mit wertlosen Material. Nächste Woche soll sie dann endlich arbeiten.
    04.12.1908 Aus einem Brief an Meigen:..da mir die Fetthärtungsanlage den Kopf kraus genug macht. Die Anlage arbeitet nämlich jetzt besser als die englische, aber doch noch nicht so wie sie soll. Letzte Woche waren schon zwei Engländer da, um sich die Sache anzusehen und die nächste Zeit hat sich schon mein Russe wieder angekündigt.
    08.12.1908 Aus einem Brief an Meigen: Das Patentamt macht mir bei dem Versuch, die Ausführungsform der Nickelkatalyse patentieren zu lassen, Schwierigkeiten.
    04.04.1909 Erste Anwendung von gehärtetem Fett in der Speisefettfabrikation: Lieferung von gehärtetem Baumwollsamenöl von Herford aus an zwei deutsche Margarinefabriken.
    18.08.1909 Normann scheidet aus der Firma in Herford aus.
    1910 Die Firma "Leprince & Siveke" verkauft das Patent Nr. 141029 mit allen Rechten an die Firma "Crosfield & Sons, Ltd." In Warrington.
    Erste großtechnische Fetthärtung.
    1905 Übernahme des Verfahrens und Ausbau zu einer Großanlage bei der Firma "Joseph Crosfield & Sons Ltd.' (Soaps, Glycerine, Carbosil, Caustic Soda, Silicate of Soda) in Warrington, England. Technischer Leiter: Dr. Karl Emil Markel, Chemiker: Dr. E.C. Kayser.
    1905-1907 Erfahrungsaustausch mit der Firma in Warrington, gegenseitige Besuche (Dr. E.C. Kayser) und Tätigkeit in Warrington, um die Grundlagen für den technischen Ausbau des Fetthärtungsverfahrens zu schaffen.
    28.11.1905 Aus einem Brief an Meigen: Was in England zunächst zu erreichen war, habe ich glücklich erreicht; im ganzen ist es aber nicht viel, nur die Konstruktion eines Modellofens zur Nickelreduktion.
    1906 Die Firma "Crosfield" erwirbt zunächst eine Lizenz und kurz darauf die britischen Schutzrechte. Inbetriebnahme einer Großversuchsanlage in Warrington. Härten von Baumwollsamenöl in Sätzen von 1000 Kg.
    1907 Walölhärtung in der dauernd betriebenen Großversuchsanlage in Warrington und Verwendung des gehärteten Walöles in der eigenen Seifenfabrikation der Firma.
    08.09.1907 Aus einem Brief an Meigen: In England habe ich 4½ Wochen ausgehalten, 3 Wochen war ich in Warrington. Die Sache geht noch sehr unregelmäßig. Herr Kayser hat die Sache in Händen. Auch über das Interesse anderer Firmen kann ich nicht klagen; wir haben schon verschiedene deutsche und ausländische Firmen abgewiesen, obwohl wir keinerlei Reklame gemacht haben, da wir nun die völlige Ausarbeitung in Warrington abwarten wollen. Leider kann ich meinen Onkel nicht bewegen, der übrigens jetzt sehr wunderlich wird, selbst einige 1000 M in die Sache zu stecken, sonst müßte sie viel weiter sein.
    1907 Die Firma "Crosfield" erwirbt auch die deutschen Schutzrechte.
    18.04.1909 Aus einem Brief von Markel: Der Nickel-Prozeß hier macht sicherlich Fortschritte, aber wir sind noch weit davon entfernt, damit Geld zu verdienen. .. Die praktischen Schwierigkeiten sind größer als angenommen, es wird Jahre dauern, bis der Prozeß im großen Maßstab ein Erfolg genannt werden kann.
    03.08.1909 Aus einem Brief an Meigen: Das englisches Patent haben wir jetzt für eine feste Summe verkauft. Schade, schade, daß die Sache nicht auch noch in anderen Ländern patentiert ist.
    20.09.1909 Aus einen Brief an Wilbuschewitsch: Die englische Firma hat übrigens jetzt ihre große Fetthärtungsanlage fertig und härtet damit von heute ab 100.000 kg Cottonöl wöchentlich.
    22.10.1909 Inbetriebnahme der industriellen Härtungsanlage in Warrington für 100 t wöchentlich
    23.10.1909 Aus einem Brief an Meigen aus Warrington: Die hiesige Firma hat eine Anlage im großen Stil geschaffen, um mein Fetthärtungsverfahren auszuführen. Man will wöchentlich 100 000 kg Fett damit herzustellen.
    1910 Verarbeitung gehärteten Walöles zu Speisefett in der Firma in Warrington
    07.02.1910 Aus einem Brief von Markel: Die Firma will Wilhelm Siveke ein Angebot für sein Patent machen. Markel hat gehört, daß eine Produktionsanlage in großen Dimensionen in Deutschland geplant sei, zur Härtung von Ölen nach Erdmanns Patent. Er weis aber nicht wo.
    1910 Die Firma "Crosfield" erwirbt alle Rechte am Patent Nr.141029 von der Firma "Leprince & Siveke".
    24.04.1910 Aus einem Brief an seine Eltern: Der eigentliche Fettprozess läuft hier schon lange tadellos, aber die Gasfabrik leistet nicht, was der Ingenieur versprochen hat.
    14.09.1910 Aus einem Brief an seine Eltern: Die Sache an sich geht hier gut, man denkt sogar schon über eine Erweiterung nach. Da sieht man doch, was aus einer Sache werden kann, wenn sie in die richtigen Hände kommt.
    12.11.1910 Normann schreibt an Markel: Andererseits zweifle ich nicht an der endlichen Lösung der Frage der Verwendung von gehärteten Fetten für Speisezwecke.
    Erste Fetthärtung in Rußland.
    1908 Die Firma "S.M.Persitz", Moskau (Inhaber: Selig Morduchowitsch Persitz) unterhält eine Fertigungsstätte mit Ölmühle und Seifensiederei in Nischnij Nowgorod. Deren technischer Leiter Mose Wilbuschewitsch besucht Wilhelm Normann in Herford, um sich in die technische Durchführung des Fetthärtungsverfahrens einweisen zu lassen und eine Lizenz darüber für die russische Firma zu erwerben, nachdem Wilbuschewitsch schon vorher an Hand der Patentschrift in Nischnij Nowgorod Härtungsversuche unternommen hatte.
    21.09.1908 Vertrag mit der Firma "Persitz" über die Übernahme der praktisch-technischen Erfahrung mit dem Fetthärtungsprozess gegen Bezahlung.
    Dez 1909 Inbetriebnahme der Härtung (Seehundsöl) in der Firma in Nischnij Nowgorod.
    30.12.1909 Aus einem Brief von Wilbuschewitsch: Die Härtung von Tran ist jetzt gelungen. Aufforderung, den Anspruch auf Zahlung an die Firma "Persitz" zu erheben, da dies nunmehr berechtigt sei.
    24.01.1910 Firma "Persitz" verweigert die Zahlung mit immer neuen Einwendungen.
    21.05.1910 Aus einem Brief von Wilbuschewitsch: Es ist nämlich mir gelungen ein gut brauchbares Speisefett (mit bis 33 % (°C ?) ) Schmelzpunkt aus beliebigen Ölen herzustellen. Die Sache soll sehr rentabel sein und habe ich das bei "Persitz" mit Erfolg eingeführt.
    12.09.1910 Aus einem Brief von Wilbuschewitsch: Meine Bemühungen Ihrem Interesse nachzukommen hat nur die Sache beschleunigt und dazu geführt, daß ich mich von "Persitz" loszumachen gezwungen fühlte.
    10.12.1910 Firma "Persitz" behauptet, daß sie nicht nach Normanns Verfahren arbeitet, sondern nach dem von Wilbuschewitsch und mithin Normann gegenüber zu nichts verpflichtet sei.
    21.12.1910 Aus einem Brief an Markel nach einem Gespräch mit Wilbuschewitsch: Persitz härtet jetzt täglich ca. 100 Pud (=ca. 1600 kg ) Öl. Die Apparatur hat Wilbuschewitsch völlig geändert. Alles geht jetzt automatisch und ohne Zuhilfenahme von Arbeitern. Den anfangs widerspenstigen Tran will er durch einen anderen Katalysator bezwungen haben.
    31.12.1910 Wilbuschewitsch teilt mit, daß er "seine" Erfahrungen und "sein" Verfahren in allen Kulturstaaten zum Patent angemeldet habe.
    Einfluß auf den Weltmarkt für Fette.
    Die Bedeutung der Fetthärtung ergibt sich aus der Struktur des Rohwarenangebotes. Die meisten pflanzlichen Fette, mit Ausnahme von Cocos-, Palmkern-, Babassu-, Shea-Fett und Kakaobutter ... sind flüssig. Tierische Fette fallen ebenfalls zu einem bedeutenden Teil, wie z.B. das Wal- und Fisch-Öl, flüssig an. In den Industriestaaten der nördlichen Halbkugel ist man jedoch in erster Linie an plastischen Fetten als Brotaufstrich und zur Herstellung mürben Gebäcks interessiert. Die aufgrund dieses Bedarf entstandene Speisefett und Margarineindustrie hätte allein mit den von der Natur angebotenen konsistenten Fetten nicht den heutigen (1969) Umsatz und die derzeitige Qualität erzielen können, wenn nicht die Erfindung der Fetthärtung weitere Rohstoffquellen erschlossen hätte. Die große wirtschaftliche Bedeutung der Hydrierung sowohl für die Rohstoff- als auch für die Industrieländer geht aber auch daraus hervor, daß die sonst geschmacklich kaum haltbaren Wal- und Fischöle nur durch partielle Hydrierung in großen Umfang für die Ernährung nutzbar gemacht werden konnten. (Aus: Gander Technologie der Speisefette Berlin 1969)
    Durch die Vollraffination und die Fetthärtung veränderte sich der Weltmarkt für Fette grundlegend, und der Bedarf verschob sich von den tierischen Rohstoffen mit den USA als Hauptlieferant zu den pflanzlichen Rohstoffen unter anderen aus den Kolonien. Die Nachfrage nach den bereits eingesetzten Rohstoffen Sesam, Baumwollsamen, Kokos und Palmkern stieg durch die Fetthärtung deutlich an. Sesam kam aus China, Baumwollsaat aus Indien, Ägypten und den USA, Kopra aus Indien, Ceylon, den Philippinen, Niederländisch Indien sowie den deutschen Südseekolonien Neu Guinea und Samoa, und Palmkerne kamen aus Britisch-Westafrijka, aber auch aus den westafrikanischen deutschen Kolonien Kamerun und Togo; Neu Guinea, Samoa, Kamerun und Togo wurden in Deutschland deshalb "unsere Ölkolonien" genannt. Weitere koloniale Rohstoffe konnten in die Produktion einbezogen werden: Erdnuß und Soja. Erdnußhartfett wurde auf Grund seiner ausgezeichneten Qualität zur Erzeugung von Spitzensorten von Margarine verwendet. Deutschland importierte Erdnüsse aus Britisch-Indien und Westafrika. Sojabohnen wurden überwiegend in der chinesischen Mandschurei angebaut und ab 1910 in größeren Mengen nach Europa exportiert. (Aus: Pelzer und Reith Margarine Berlin 2001)
    Der Weg zu den Ölwerken Germania in Emmerich
    1907 "Crosfield" vergibt eine Lizenz an die "N.V. Anton Jurgens Vereenigte Margarinefabrieken".
    10.06.1910 Normann schreibt an seine Eltern aus Warrington: Die Sache soll in Deutschland gemacht werden und ich soll dabei eine Stellung finden. Solange, bis das losgeht, möchte man mich aber zum Zwecke des Experimentierens hier behalten. Aus technischen Gründen wird man aber noch etwas mit dem Anfangen in Deutschland warten, so daß sich mein Aufenthalt hier noch einige Monate hinziehen kann.
    18.08.1910 Normann schreibt an seine Eltern aus Warrington: Ich bin zwar nicht nominell, aber in Wirklichkeit der Chef eines kleinen, vom großen Untersuchungslaboratorium unabhängigen Experimentierlaboratoriums.
    29.08.1910 Normann schreibt an seine Eltern aus Warrington: Ich warte auf eine Entscheidung der Firma Crosfields, mit einer österreichischen Firma in Deutschland eine Fetthärtungsanlage zu bauen, bei der ich eine leitende Stellung bekommen soll.
    09.09.1910 Normann schreibt an seine Eltern: Crosfield verhandelt mit einer deutschen Firma in Hamburg über die Einrichtung eine Fetthärtung. In einem Schreiben an diese Firma bezeichnet die Firma Crosfield "das Normannsche Verfahren als die bedeutendste Erfindung, welche im Laufe der letzten Jahre auf dem Gebiet der Fette gemacht worden ist."
    23.09.1910 Normann schreibt an seine Eltern: Die Entscheidung in der Crosfieldschen Sache kann erst in einigen Wochen fallen.
    25.10.1910 Aus einem Brief an Markel: Ich freue mich zu hören, daß die Verhandlungen mit Jürgens aussichtsvoll sind.
    02.12.1910 Normann schreibt an seine Eltern aus London: Heute morgen habe ich mit den holländischen Herren verhandelt; es scheinen sehr nette Leute zu sein und wir sind bald einig geworden. Im Januar solls losgehen.
    17.12.1910 Aus einem Brief an Markel: Sie telegraphieren mir, Jürgens-Vertrag gesichert.
    01.01.1911 Inbetriebnahme der Härtungsfabrik "Ölwerke Germania" in Emmerich durch den Jurgens-Konzern unter der technischen Leitung von Wilhelm Normann.
    28.02.1912 Markel sendet eine notariell beglaubigte Abschrift von der schriftlichen Erklärung Sabatiers über die Neuheit und Wirklichkeit (genuineness) der im Patent von Normann beschriebenen Erfindung.
    27.04.1912 Aus einem Brief von Meigen: Normann wünscht einen weiteren Chemiker. "Wenn es aber sein muß, bin ich bereit, Euch meinen jetzigen Privatassistenten Dr.Hugel abzutreten".
    16.05.1912 Aus einem Brief von Meigen: Ist Euer Einspruch gegen das Erdmann-Bedfordsche Patent angenommen worden?
    25.10.1912 Markel schreibt: Sie werden sich freuen zu hören, daß Herr Anton Jürgens mit mir übereinstimmt in der Notwendigkeit, Ihnen absolut freie Hand bei Ihrer Arbeit zu lassen und Ihre Stellung als Hauptleiter (head manager) der Fabrik sicherzustellen.
    1913 In Deutschland stellen 120 Margarinefabriken 262 000 Tonnen Margarine her. (1900 waren es 100 000 Tonnen).
    1914 Die Ölwerke Germania produzieren jährlich über 200 000 Tonnen gehärtete Öle (Walöl und andere).
    21.12.1919 Aus einen Brief an Meigen: Wir beschäftigen uns in Emmerich zur Zeit nur etwas mit der Raffination von Kokosöl und legen im übrigen jeden Monat schwere Gelder zu. Die mir persönlich unangenehme Folge der augenblicklichen Zustände ist die, daß das mir früher für Emmerich zugesagte Zentrallaboratorium für unseren Konzern jetzt nach Zwyndrecht kommt.... Auf meine persönliche Weiterarbeit scheinen die Herren J. großen Wert zu legen.
    04.08.1920 Aus einem Brief an Meigen: Durch die Aufhebung der Zwangswirtschaft mit Margarine sind wir in unserem Werk erfreulicherweise wieder in Tätigkeit gekommen.
    21.11.1920 Aus einem Brief an Meigen: Vor dem Kriege härteten wir bis zu 1 Million Kg wöchentlich und richteten uns ein, nach dem Kriege 1 ½ Mill. härten zu können. Soweit sind wir noch lange nicht. Die Tagesleistung kann vielleicht auf 200 000 kg kommen.
    1920 Bisher mußte Walöl bis zu einem Schmelzpunkt von 40 °C oder mehr gehärtet werden, um eine in Geruch und Geschmack beständiges, neutrales Walfett zu erhalten. Jetzt konnte man durch verbesserte Vorraffination und verbesserte Führung des Härtungsprozesses ein Walfett mit 30 °C Schmelzpunkt herstellen, das die erforderliche Stabilität hat. Man konnte nun Margarine herstellen, in deren Fettanteil das Walöl überwog.
    24.11.1920 Aus einem Brief an Meigen: Habe herzlichen Dank für dein Gedenken an mich betreffs des ev. Stellungswechsels. Ich habe die Herren Jürgens um eine Aussprache gebeten.
    06.02.1921 Aus einem Brief an Meigen: Holde (Prof. in Berlin-Charlottenburg) hat Normann sofort eine Stelle als sein Mitarbeiter mit einem festen Gehalt angeboten.
    Weitere Inbetriebnahmen von Härtungsanlagen
    1910 Beginn der Härtung bei "Procter & Gamble" in Cincinatti in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Anlage wurde von Dr.E.C.Kayser eingerichtet, der von Warrington nach Amerika gewechselt hatte.
    1911 Inbetriebnahme der Härtung (Walöl) bei "Georg Schicht A.G." in Aussig, Österreich. Großversuche des niederländischen Jurgens-Konzerns bei der Firma "N.V. Anton Jurgens' Vereenigde Margarinefabrieken" in Oss, Niederlande, zur Verwendung von gehärtetem Walöl für Margarine. Inbetriebnahme der "Ölwerke Germania" in Emmerich durch den Jurgens-Konzern. Verwendung von gehärtetem Walöl für Margarine.
    Nov 1912 Inbetriebnahme der Härtungsanlage bei der Firma "Lever Brothers Ltd." in Port Sunlight, England.
    Dez 1912 Inbetriebnahme der Härtung durch die "Bremen-Besigheimer Ölfabriken" in Bremen.
    März 1913 Beginn der Härtung bei dem "Van den Berg-Konzern" in Zwyndrecht, Niederlande.
    Juli 1913 Inbetriebnahme der Härtungsanlage bei der Firma "De Nordiske Fabriker" (De-No-Fa) in Fredrikstad, Norwegen.
    1913 1913 wurden reichlich 200 000 Tonnen Margarine hergestellt. Darin enthalten waren 80 000 Tonnen pflanzliche und 95 000 Tonnen tierische Fette. Die Walölernte betrug 125 000 Tonnen.
    05.06.1914 Kongreß der Chemiker in Bonn: (Normann schreibt an seine Eltern:) "Der ganze Kongreß steht unter dem Zeichen der Fetthärtung".
    1914 Härtungsanlagen zu Beginn des ersten Weltkrieges (nach Dr. Ernst Hugel, beeideter Handelschemiker, Student und Privatassistent bei Prof. Wilhelm Meigen in Freiburg, Mitarbeiter von Wilhelm Normann bei den "Ölwerken Germania" in Emmerich, später freier Berater für Fetthärtungsanlagen, insbesondere der Firma BAMAG)
  • Deutschland: Emmerich, Bremen-Besigheim, Brake, Charlottenburg, Ammendorf, Berlin-Neukölnn.
  • England: Warrington, Port Sunlight, Sleafort, Leeds.
  • Österreich: Aussig, Krischwitz, Guntramsdorf.
  • Russland: Nishni-Nowgorod, Moskau, St.Petersburg, Jekatarinodar, Wjasma.
  • Norwegen: Fredrikstadt.
  • USA: Cincinnatti, New Orleans, New York, New Jersey, Georgia.
  • Holland: Zwyndrecht.
  • 1914 Walöl ist ein Grundstoff der Margarine und ersetzt Rinderfett
    1916-1919 Anteil des gehärteten Fettes an der Margarine etwa 20 bis 33 Prozent.
    1918 Die verfügbare Menge an Speisefett wurde um die Hälfte vermehrt durch die Genußbarmachung sonst nicht genußfähiger Öle
    23.05.1922 Aus einem Brief von Meigen: Zum Schluß noch einen kleinen Ausblick auf die Bedeutung der Fetthärtung für Deutschland auch etzt noch: tierische Fette reichen nicht aus. Feste Pflanzenfette nur in den Tropen, können wir nicht einführen, da wir keine eigenen Kolonien mehr haben. Bei uns wachsende Pflanzen geben nur Öle, die aus mancherlei Gründen nicht ohne weiteres verwendet werden können. Durch die Härtung werden sie veredelt, haltbarer und brauchbarer.
    1922 Härtungsanlagen (nach Hugel): Deutschland: Emmerich. Brake. Bremen-Besigheim. Ammendorf. Berlin-Neukölln. Harburg (2 Anlagen). Neuss. England: Warrington. Port Sunlight. Sleafort Leeds. London-Docks. Frankreich: Marseille ( 3 Anlagen). Lyon. Holland: Zwyndrecht. Dordrecht. Rotterdam. Delft. Oss. Dänemark: Kopenhagen. Aarhus. Schweden Henriksborg. Hundickvall. Norwegen: Fredrikstadt. Sandefjord. Finnland: 1 Anlage. Sowjetrußland: Nishni-Nowgorod. Rostow. Woronesch. Sarratow. Smolensk. Tschechoslowakei Aussig. Krischwitz. Österreich: Gurtramsdorf. Ungarn: Budapest. Györ. Schweiz: Basel. Thun. Glockental. Spanien: Bilbao. Japan: 3 Anlagen. USA: etwa 20 Anlagen. Brasilien: Pernambuco.
    1936 werden in Deutschland 955 000 Tonnen tierische Fette und 577 000 Tonnen pflanzliche Fette für Nahrungszwecke verbraucht. Der Anteil des Walöles von 120 000 Tonnen betrug 8% des Gesamtfettverbrauches oder 30% des Margarineverbrauches.
    1937 Im Zuge der Bestrebungen nach wirtschaftlicher Autarkie wird auch von Deutschland intensiv Waljagd betrieben. Die deutsche Walfangflotte besteht aus den 7 Schiffen: Jan Wellem, Unitas, Walter Rau, Südmeer, Wikinger, C.A.Larsen und Skytteren. Die deutsche Walfangflotte liefert 91.669 Tonnen Walöl. Alleine 1937/38 werden in der Antarktis insgesamt 46.039 Wale erlegt. Auch in den Folgejahren, nur unterbrochen durch die Zeit des 2. Weltkriegs, werden jährlich mehrere 10.000 Wale gejagt und der Bestand dadurch drastisch reduziert. Erst Mitte der siebziger Jahre sinkt der Walölverbrauch.
    Wilhelm Normann über die Fetthärtung (Vortrag 1912)

    Über die Erfindung der Fetthärtung. Vortrag Wilhelm Normann 1912

    Meine Erfindung zur Fetthärtung machte ich ungefähr ein Jahr vor der Patentnahme aus rein wissenschaftlichem Interesse, ohne zunächst an eine technische Verwertung zu denken. Erst im Jahre 1902 trat ich dem Gedanken der technischen Verwertung und der Patentnahme näher. Nach der Patentnahme beschäftigte ich mich zunächst damit, einen Lieferanten für fertig präparierten Katalysator und eine geeignete Ausführungsform für das Verfahren zu finden. So stand ich z.B. mit der bekannten Firma de Haen in Seelze bei Hannover in Verbindung, mit der sowohl die Herstellung des Katalysators als auch die Übernahme der ganzen Fabrikation erwogen wurde, welches letzteres diese Firma aber schliesslich ablehnte, da sie kein Vertrauen zu der Sache hatte.

    Während dieser Zeit war die Firma Crosfield in Warrington durch Lesen der Patentschrift auf das Verfahren aufmerksam geworden und richtete deswegen eine Anfrage an die Firma Leprince u. Siveke, In deren Namen das deutsche Patent genommen war. Der Firma Crosfield wurde zunächst mitgeteilt, dass das Verfahren noch im Laboratoriumsstadium sei. Gleichzeitig schickte ich aber auch ein kleines Muster hartes Fett hin. Die Firma Crosfield hatte jedoch soviel Interesse für das Verfahren gefasst, dass sie sich erbot, auch ihrerseits die Ausarbeitung für den Grossbetrieb in die Hand zu nehmen und schickte zur Einleitung von Verhandlungen einen Chemiker, Herrn E.C. Kayser nach Herford (im Frühjahr 1904?). Im Laufe des Sommers kam dann ein Lizenzvertrag mit Crosfields zustande, der u.a. die Verpflichtung zu gegenseitigem Austausche der gemachten Erfahrungen enthielt.

    Da die nun auch in Warrington aufgenommenen Laboratoriumsversuche keine befriedigenden Fortschritte zeigten, es insbesondere weder Herrn Kayser noch mir gelungen war, einen Lieferanten für einen brauchbaren, fertig präparierten Katalysator zu finden, reiste ich im Herbst (1904) nach Warrington, um zunächst die Frage der Katalysatorgewinnung in gemeinsamer Arbeit zu fördern.

    Wir konstruierten die erste Modell-Rösttrommel, nach welchem Modell die späteren Röster gebaut wurden, studierten Eigenschaften des Katalysators und lernten die Pyrophorität des Katalysators durch Kohlensäure zu unterdrücken. Nach meiner darauf erfolgten Abreise schritt Kayser zum Bau einer grösseren Anlage, - ich weiss nicht mehr, ob er erst noch weitere Modellapparate baute - und führte, ursprünglich nur zur Erleichterung der Filtration (auf Anregung Dr. Markels ), eine Zumischung von Kieselgur zum Katalysator ein, was sich aber später auch als ein sehr glücklicher Kunstgriff zur Ersparung von Nickel erwies. Auch die Zerstäubung des Öls mit Katalysator, in ganz ähnlicher Weise, wie bei der Wilbuschewitschen Ausführungsform, wurde von Kayser versucht: die Versuche wurden aber wieder fallen gelassen, da sich diese Ausführungsform der vorher und nachher angewandten als unterlegen erwies.

    Da Herr Siveke zu grösseren Ausgaben für die immer noch sehr ungewisse Sache nicht geneigt war, konnte ich in Herford ausser einigen Laboratoriumsexperimenten vorläufig nicht viel mehr tun als abwarten, wie sich die grössere Anlage bei Crosfields bewähren würde. Als die Anlage In Betrieb war, reiste ich wieder hin zur Besichtigung (1907). Die Anlage, die ich vorfand, leistete ungefähr 10 Tons wöchentlich; von einem Verdienst konnte aber noch keine Rede sein, da der Wasserstoff noch zu teuer war und die Wiedergewinnung den ausgenutzten Katalysators noch nicht genügend beherrscht wurde. Die Apparatur, welche Kayser ersonnen und aufgestellt hatte, gefiel mir wenig, obwohl sie leidlich arbeitete. Immerhin aber lieferte die Anlage gute Produkte und es gelang mir nach meiner Rückkehr nach Herford mit Rücksicht auf den erhofften hohen Gewinn, Herrn Sivekes Zustimmung zur Einrichtung einer Härtungsanlage von ungefähr 10 Tons Wochenleistung zu erhalten.

    Ich hatte daher Anlass, meine Arbeiten zur technischen Ausarbeitung des Verfahrend mit grösserer Energie als vorher wieder aufzunehmen. Ich fand hierbei u.a., dass die Einwirkung des Wasserstoffs unter Druck sehr vorteilhaft sei, und erkannte an verschiedenen Apparatemodellen, die ich bauen liess, dass meine Aussichten über Verbesserungsmöglichkeiten der Crosfield'schen Apparatur begründet seien. Ich reiste jetzt im Frühjahr 1908 nochmals nach Crosfields, um die Anlage mit Rücksicht auf die inzwischen im Laboratorium gefundenen neuen Gesichtspunkte nochmals zu besichtigen und gleichzeitig, um den an Kaysers Stelle getretenen Herrn Fox kennen zu lernen. Im Sommer konstruierte und baute ich dann die Anlage nach meinen eigenen Ideen. Die Anlage unterschied sich von der Crosfield'schen im wesentlichen durch den aufrechtstehenden Härtungsapparat, die Anwendung komprimierten Wasserstoffs und die Wiedergewinnung des angewandten Wasserstoffüberschusses, und ich hatte die Freude, dass sich meine Änderungen und Neuerungen so bewährten, dass Herr C.Crosfield und Mr.Fox sich die Anlage im Nov. 1908 ansahen und dass bei der von Crosfields schon In Aussicht genommenen und vorbereiteten 100 Tons-Anlage die Herforder Apparatur zu Grunde gelegt wurde.

    Alle die erwähnten Veränderungen und Verbesserungen erstreckten sich aber immer nur auf die Apparatur, nicht auf das Verfahren selbst. Die sehr wertvolle Unterstützung der Reaktion durch kräftiges Umrühren suchte ich zum Patent anzumelden; doch wurde dieses Gesuch vom Kais. Patentamt zurückgewiesen mit der Begründung, dass das eine ganz selbstverständliche Sache sei (siehe Briefwechsel Patentamt - Brandt u. Fude, z.Z. in Händen des Herrn Utescher). Jetzt handelte es sich aber darum, für das neue Produkt Abnehmer zu finden. Ursprünglich hatte Herr Siveke den Verkauf für sich persönlich vorbehalten. Die Firma Leprince u. Siveke trat auch mit verschiedenen Firmen in Verbindung, und zwar sowohl mit Händlern wie mit Konsumenten, ohne Erfolg zu haben. U.a. erinnere ich mich, dass die bekannte Firma Overbeck in Dortmund das Hartfett ablehnte.

    Sehr lebhaft interessierte sich die rührige Firma Sudfeldt in Melle für das Material und schloss mit L. u. S. ein Abkommen, eine Art Verkaufsvertrag mit erheblichen Vorrechten vor anderer Kundschaft. Die Firma Sudfeldt bezog auch einmal oder einigemal je 2000 kg Hartfett, war jedoch weder für ihren eigenen Bedarf völlig von dem Material befriedigt, obwohl es an sich durchaus erstklassig war, noch gelang es ihr, andere Liebhaber dafür zu finden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, dass die Firma Sudfeldt, obwohl in der "Weltstadt" Melle, wie Curtius sagt, ansässig, in der Tat eine fast weltbekannte Firma ist und als Generalvertreter für den Vertrieb des Twitchellreagens für Europa, Afrika und Asien vielleicht eine der allergeeignetsten Firmen war.

    Das Hartfett ist in der Seifen- und Kerzenindustrie unterzubringen. Durch Vermittelung von Sudfeldt besuchte ich die Seifen- und Kerzenfabrik von Siegle in Neuwied, welche mit kleinen Mengen verschiedener gehärteter Fette Versuche gemacht hatte. Man sprach sieh aber ziemlich ungünstig über das Material aus und wollte evtl. nur Preise dafür zahlen, zu deren Erreichung als Selbstkostenpreise damals noch kaum Aussicht war. Eine ganz charakteristische Antwort erhielt ich bei meinem Besuch vom Seifenfabrikanten Kiel in Minden, ebenso wie Siegle keine Weltfirma, aber doch eine für deutsche Verhältnisse sehr respektable Fabrik. Dieser Herr sagte mir etwa: "Es werden in den letzten Jahren so unendlich viel Seifenfette angeboten, die sich alle nicht bewähren, dass wir Seifenfabrikanten gegen jedes weitere Neue das allergrösste Misstrauen haben". Dabei ist hervorzuheben, dass die den verschiedenen Firmen angebotenen Hartfette durchaus erstklassige Fabrikate waren, ebenso gut, wenn nicht noch besser als die heute von Crosfield zu den gleichen Zwecken verwendeten. Man kannte aber damals eben die Eigenschaften dieser neuen Fette noch nicht, wusste nichts Rechtes damit anzufangen und hatte Misstrauen dagegen.

    Erst ganz neuerdings, als es bekannt wurde, dass eine englische Firma, nämlich Crosfields, diese Produkte in grossem Umfange und mit bestem Erfolge verwende, regt sich das Interesse für diese Fette. Auch die Firmen Homann in Dissen und Meyer in Lippinghausen, welche zu den grösseren deutschen Margarinefabriken zählen, habe ich besucht und ihnen grössere Proben angefertigt. Doch auch diese Firmen wussten das neue Fett noch nicht erfolgreich zu verarbeiten. Die Herforder Anlage war für eine Wochenleistumg für 10 Tons gebaut; doch hat die Anlage dies niemals zu leisten brauchen, da sich ja keine Abnehmer für das Fett fanden. 10 - 20 Tons gehärteten Fett hatten sich bald angesammelt und mussten schliesslich an Stelle von Talg zum konsistenten Maschinenfett mitverbraucht worden, um nur überhaupt Verwendung zu finden. Obwohl nun Crosfields immer noch nicht über die Herstellungskosten im klaren waren, hatten sie doch soviel Vertrauen zu dem Verfahren, dass sie nicht nur den Entschluss gefasst hatten, die schon erwähnte 100 Tons-Anlage zu bauen, sondern auch den mit der Firma Leprince u. Siveke abgeschlossenen Lizenzvertrag durch einen festen Ankauf des englischen Patents zu ersetzen. Dieser Kauf wurde im Frühjahr oder Sommer 1909 abgeschlossen.

    Die Unklarheit über die Herstellungskosten, vielfache Störungen im Crosfield'schen Betriebe dauerten jedoch auch ferner an und waren verursacht hauptsächlich durch die Unvollkommenheit der Anlage zur Wasserstoffherstellung. Wasserstoff wurde bis dahin technisch fast gar nicht verwandt. Die bekannten Verfahren arbeiteten zwar ganz zuverlässig aber teuer. Erst seit den Erfolgen der Lenkluftschifffahrt ist auch das Interesse für die Herstellung billigen Wasserstoffs erwacht; doch steckt das einzige Verfahren, welches In Betracht kommen konnte, noch so in den Kinderschuhen, dass es nicht zu verwenden ist, wenn die Crosfield'sche Anlage, - soviel ich weiss, eine der ersten grösseren Wasserstoffanlagen überhaupt - nicht gut, namentlich aber quantitativ und qualitativ ungleichmässig arbeitete. Auch jetzt ist die Konstruktion der Wasserstofföfen noch keineswegs abgeschlossen. Im Frühjahr 1908 bemühten sich gleichzeitig die russische Firma Persitz durch ihren Direktor Wilbuschewitsch und die holländische Firma Rotterdamsche Soda- und Chemikalien-Fabrik (deren Inhaber nach Herford verwandtschaftliche Beziehungen haben), nicht bei der Firma L. u. S., sondern bei mir um den Erwerb des Verfahrens.

    Für die holländische Firma wurde mir von Herrn Dicke die Erlaubnis zum Vertragsabschluss versagt, nach anfänglicher Zustimmung, für die russische Firma dagegen zugegeben. Dieser Vortrag wurde dann später von meiner Seite voll gehalten, von der anderen Seite dagegen voll gebrochen, sodass ich die ausbedungene Vergütung nicht nur nicht erhielt, sondern dass auch die durch den Vertrag vertraulich erworbenen Kenntnisse durch Wilbuschewitsch - Curtius, jetzt gegen mich bezw. meine jetzige Firma ausgenutzt werden sollen.

    Im Sommer 1909 bemühte sich auch die amerikanische Firma Joslin Schmidt u. Co. in Cincinnati durch Vermittlung von Sudfeldt wiederum bei mir um das Verfahren. Ein Vertrag kam infolge des Dazwischentretens von Crosfields nicht zustande. Obwohl nun Herr Siveke gegen das Verhandeln mit der russischen und holländischen Firma nichts Prinzipielles einzuwenden gehabt hatte, und obwohl ich mich bei der Verhandlung bezw. den Verhandlungseinleitungen der amerikanischen Firma nicht anders verhielt als bei den beiden vorher erwähnten Firmen, wurde sie doch von Herrn Siveke zum Vorwand genommen, mich zu entlassen. Im August 1909 trat ich also aus der Firma L.u.S. aus und weiss nicht, wie weit sich Lu.S. danach noch um den Verkauf des Hartfettes bemüht haben. Ich habe nur von einem Vertrage mit Cordes-Magdeburg gehört und habe gehört, dass die Fabrikation zwar nur schwach betrieben, aber nicht eingestellt worden ist.
    Über den gegenwärtigen Stand der Fetthärtung. Wilhelm Normann (Vortrag 1922)

    Über den gegenwärtigen Stand der Fetthärtung.
    Vortrag Wilhelm Normann 1922

    Vorgetragen auf der Hauptversammlung des "Vereins Deutscher Chemiker" in Hamburg am 8. Juni 1922

    veröffentlicht in Z. angew. Chemie, 35, 437-440 (1922)

    Nachdem wir auf unserer letzten Tagung vor dem Kriege in Bonn einen fesselnden Vortrag von Bergius über die damals noch ganz junge Industrie der Fetthärtung hören konnten, ist die Frage wohl berechtigt, wie sich diese Industrie bis heute entwickelt hat. Ich will versuchen, auf diese Frage Antwort zu geben, soweit dies möglich ist. Die Vorgeschichte der Fetthärtung ist so oft erörtert worden, daß ich deren Kenntnis wohl voraussetzen darf. Von den älteren Verfahren hat die Behandlung sehr schlechter Fette, insbesondere schlechten Knochenfettes, mit Schwefelsäure und nachfolgender Destillation ihren Platz in der Technik behauptet. Im übrigen kommt immer nur die katalytische Fetthärtung in Betracht. Auch die Kenntnis dieser darf ich im allgemeinen wohl als bekannt voraussetzen; ich will nur daran erinnern, daß sie in der Anlagerung von Wasserstoff an die Doppelbindungen ungesättigter Öle mit Hilfe eines Katalysators besteht, wodurch die flüssigen Öle in die technisch viel wertvolleren festen Fette übergehen.

    Technisches

    Über den heutigen Stand der technischen Ausführungsformen der Fetthärtung sind wir einigermaßen gut unterrichtet durch die zahlreichen Patente, welche auf diesem Gebiete genommen worden sind und fortlaufend noch genommen werden. Allein in Deutschland sind etwa 100 Patente erteilt oder angemeldet. In den übrigen, außerdeutschen Ländern Europas wiederholt sich ein großer Teil der deutschen Patente, so daß die Gesamtziffer zwar das Vielfache der deutschen Anzahl betragen dürfte, ohne aber inhaltlich wesentlich Neues zu bringen. Dazu kommt noch eine große Zahl amerikanischer Patente die in der Alten Welt nicht angemeldet sind; denn die in Bezug auf Fetthärtungspatente außerordentlich fruchtbaren Amerikaner verschmähen es meist, ihre Erfindungen auch in dem alten, faulen Europa anzumelden Ich will mich bemühen, aus dieser Fülle von nur den Sonderfachmann interessierenden Einzelheiten einiges von allgemeinem Interesse herauszuheben. Bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit ist auch hierin große Beschränkung notwendig.

    Der Angelpunkt der ganzen Fetthärtung ist der Katalysator. Als solcher wird in der Praxis jetzt wohl ganz ausschließlich Nickel verwandt. Die Edelmetalle, die vorübergehend in geringem Umfange benutzt worden sind, sind jetzt ihrer Unerschwinglichkeit wegen aus geschlossen. Kobalt und Kupfer werden für sich allein nicht angewandt. Mischungen dieser Metalle mit Nickel sind in Vorschlag gebracht; ob sie aber praktische Anwendung gefunden haben, ist mir nicht bekannt. Als Ausgangsstoffe für die Nickelkatalysatoren werden beinahe sämtliche Nickelverbindungen vorgeschlagen, die es gibt, mit allen nur denkbaren Variationen in der Herstellung, und alle diese Katalysatoren haben nach Ansicht der Erfinder ganz überraschende, nicht vorauszusehende und hervorragende Eigenschaften, die sie allen anderen Nickelkatalysatoren selbstverständlich weit überlegen machen. Die Wahrheit ist: sie sind mehr oder weniger alle brauchbar.

    Die Art der Wirkung ist stets die gleiche; denn sie bestehen ja alle aus demselben Grundstoff. Kleine Unterschiede im Grade der Wirkung erklären sich aus der mehr oder weniger feinen Verteilung des Nickels, die aber nicht allein vom Verfahren der Herstellung, sondern auch von der Geschicklichkeit des Herstellers abhängt. Das ursprüngliche Ausgangsmaterial war nach Sabatiers Vorschlag Nickeloxyd, welches durch Reduktion im Wasserstoffstrom in feinpulveriges Metall übergeführt wurde. Schon sehr bald, schon während der ersten Ausarbeitung einer Fabrikapparatur wurde er erkannt, daß man die Wirkung des Nickels ganz bedeutend steigern kann, wenn man es nach dem Vorbilde anderer Katalysatoren auf Kieselgur als Träger niederschlägt. Man bewerkstelligt dieses Niederschlagen durch Fällen von Nickelsulfat mit Soda in Gegenwart KieseIgur. Der Urheber dieses wertvollen Gedankens ist, wie ich gegenüber anderslautenden Angaben des Schrifttums feststellen möchte, der während des Krieges mehrfach genannte und namentlich von den heimkehrenden Englandgefangenen mit Recht hochgepriesene Deutschengländer Dr. Mark1 in London. Diese frühzeitige Verbesserung des Katalysators hatte zur Folge, daß der alte Sabatiersche Reinnickelkatalysator gar nicht erst in den Großbetrieb eingeführt zu werden brauchte.

    Hieraus ist gelegentlich der Schluß gezogen worden, daß er für die Fetthärtung überhaupt nicht brauchbar sei; diese Schlußfolgerung ist aber durchaus unrichtig.

    Außer dem Nickelsulfat werden auch andere Nickelsalze, wie das Nitrat und das Chlorid, als Ausgangsstoffe genannt. Ob sie tatsächlich Anwendung finden, ist nicht sicher; es scheint beim Nitrat in beschränktem Maße der Fall zu sein Bald lernte man, die Wirkung des Nickels auch dadurch zu steigern, daß man mit ihm zugleich aus seinen Lösungen andere Stoffe, wie Kieselsäure, Tonerde oder dergleichen niederschlug. Eine andere Gruppe von Patenten beschäftigt sich mit der Herstellung von Katalysatoren durch Abscheidung des Nickels aus seiner gasförmigen Verbindung mit dem Kohlenoxyd. Man läßt hierzu das Nickel sich auf einem Träger abscheiden oder auch ohne Träger direkt im Öl.

    Damit kommen wir zu einer weiteren Gruppe von Katalysatoren, die sich in der Praxis ein großes Gebiet erobert haben; das sind solche, die, ohne Träger direkt in dem zu härtenden Öl hergestellt werden. Es können hierzu alle direkt reduzierbaren Nickelverbindungen dienen, seien es anorganische, seien es organische. Praktische, Anwendung haben hauptsächlich das Carbonat, das Formiat und das Oleat gefunden. Die Reduktion dieser Verbindungen unter Öl erfolgt ebenfalls durch Wasserstoff unter Erhitzen. Das umgebende Öl verhindert ein Zusammensintern der freiwerdenden Metallteilchen, so daß sich das Nickel in einem fast kolloidal feinen Zustande im Öl zu einer tintenschwarzen Flüssigkeit verteilt. Die Herstellung des Katalysators im Öl und die daran anschließende eigentliche Härtung können in einem Arbeitsgang durchgeführt werden. Die Hinzufügung eines Trägers ist überflüssig, es sei denn, daß man das Filtrieren des fertig gehärteten Öles dadurch erleichtern will. In dieser Gruppe von Katalysatoren ist fernerhin gefunden worden, daß es zur Reduktion der Nickelverbindungen nicht nötig ist, Wasserstoff einzuleiten.

    Das ameisensaure Nickel zerfällt schon an und für sich beim Erhitzen unter Luftabschluß unter Bildung freien Metalls. Aber auch andere Nickelverbindungen wie das Oxyd, das Carbonat und das Oleat gehen beim Erhitzen mit einem Ölüberschuß in katalysierendes Metall über. Merkwürdig erscheint nur, daß das Öl selbst hierbei nicht in unangenehmer Weise verändert zu werden scheint; wenigstens sagen die Patentschriften nichts davon. Auch Kohlenwasserstoffe wie Paraffin werden zur Reduktion des Katalysators angewandt. Auch pulverförmige Kohle ist zur Reduktion von Nickelverbindungen zur Katalysatorherstellung vorgeschlagen. Ein weiteres Verfahren ist von amerikanischer Seite auf Grund eines Versuches von Prof. Frerichs in Bonn ausgearbeitet worden. Dieses Verfahren geht von keiner Nickelverbindung, sondern von kompaktem käuflichen Nickelmetall aus. Durch Schleifen oder Mahlen des Nickels unter Öl oder Wasser wird das Metall in den feinverteilten Zustand übergeführt.

    Ein solcher Katalysator arbeitet in der Tat besser als man eigentlich erwarten sollte. Das Verfahren hat jedenfalls den Vorzug, daß man außerordentlich wenig Sorgfalt bei ihm aufwenden muß. Man braucht weder auf eine bestimmte Temperatur, noch auf sorgfältigen Luftabschluß zu achten. Auch die Wiedergewinnung des toten Katalysators gestaltet sich zu einer sehr robusten, indem der tote Katalysator ohne Rücksicht auf organische Gifte einfach eingeschmolzen und danach von neuem gemahlen wird. Die Ausführung des Härtungsverfahrens ist im allgemeinen grundsätzlich die gleiche geblieben wie zu Anfang. Sie besteht im innigen Durchmischen von Öl und Katalysator mit Wasserstoff, was teils mit Hilfe von Rührwerken, teils durch Zerstäubung vorgenommen wird. Hierzu sind die verschiedenartigsten Apparate ersonnen worden, zum Teil von so phantastischer Art, daß sie eigentlich nur ein Kopfschütteln bewirken können. Mit diesen Apparaten geht es wieder wie mit den Katalysatoren: es läßt sich mehr oder weniger mit allen arbeiten. In Wirklichkeit geht aber die Reaktion, wenigstens bei einem guten Öl, so leicht vonstatten, daß selbst im einfachsten Apparat eine Beschleunigung nicht nur überflüssig ist, sondern daß man sie vielmehr häufig sogar künstlich mildern muß, um einen zu hohen Temperaturanstieg zu verhindern; denn die Reaktion findet unter Wärmeentwicklung statt. Die für die Härtung angewandten Temperaturen sind verschieden. Kommt der Katalysator fertig in das Öl, so wird die Reaktion gewöhnlich um 1800 herum vorgenommen. Wird der Katalysator im Öl selbst erzeugt, so ist hierzu eine höhere Temperatur erforderlich, gewöhnlich 230-250 Grad.

    Hat sich der Katalysator im Öl gebildet, so kann man mit der Härtung bei einer niedrigeren Temperatur fortfahren. Die verschiedenen Verfahren arbeiten teils bei gewöhnlichem Atmosphärendruck, teils unter einem höheren Druck, in einem Falle sogar bei einem Druck von 50 Atm. und darüber.

    Wissenschaftliches

    In wissenschaftlicher Beziehung sind einige Arbeiten erschienen, die wohl über die Kreise der Härtungsfachleute hinaus Beachtung verdienen. Der alte Streit, ob das metallische Nickel oder ein niederes Oxyd desselben der eigentliche Katalysator sei, ist zur Ruhe gekommen, aber noch nicht endgültig entschieden. Da ich selbst am Streite der Meinungen früher lebhaft beteiligt gewesen bin, will ich an dieser Stelle keine Ansicht über die einzelnen Arbeiten aussprechen, sondern nur sagen, daß ich bisher keinen Anlaß gefunden habe, von meiner alten Überzeugung, daß das Metall der Katalysator sei, abzugeben. Eine gewisse theoretische Bedeutung hat das vorhin schon erwähnte Verfahren der Katalysatorherstellung durch Schleifen kompakten Nickelmetalls nach Frerichs. Da das so gewonnene feinverteilte Metall zufolge seiner Herstellung zweifellos regulinischer Natur ist, ist damit die gelegentlich vertretene Ansicht widerlegt, daß das katalytisch wirksame Nickel eine besondere Modifikation dieses Metalles sei.

    Ja, durch Plauson ist der Nachweis geführt, daß auch eine feine Verteilung des Metalls nicht unbedingt notwendig ist; die feine Verteilung kann durch eine außerordentlich innige Durchmischung ersetzt werden, wie sie in einer vernickelten Plausonschen Kolloidmühle erreichbar ist. Für die Praxis, wird dieses Verfahren allerdings kaum in Betracht kommen. Als Katalysatorgifte sind eine ganze Reihe von Stoffen erkannt worden, von denen diejenigen ein besonderes technisches Interesse haben, welche als Verunreinigungen in den angewandten Nickelsalzen vorkommen oder sonst im Verlaufe des Arbeitsganges in den Katalyator hinein gelangen können. In dieser Beziehung sind besonders Blei, Zink und Schwefel zu beachten. Die Halogene haben sich als erheblich harmloser erwiesen, als seinerzeit von Sabatier angenommen wurde; die Nickelkatalyse ist geradezu mit herangezogen worden, um Halogene in organischen Verbindungen durch Wasserstoff zu ersetzen. Das Kohlenoxyd, die häufige Verunreinigung des Wasserstoffs, wirkt, wenn ich mich so ausdrücken darf, auf den Katalysator weniger tötend als einschläfernd. Setze ich nämlich eine durch Kohlenoxyd gehemmte Katalyse mit reinem Wasserstoff fort, so erholt sich der Katalysator allmählich wieder. Wenig erforscht sind die organischen Gifte, die in schlechten Ölen enthalten sind und sich oft sehr störend bemerkbar machen.

    Die Erforschung dieser Stoffe kann noch nützliche technische Erfolge mit sich bringen. Manche dieser Stoffe lassen sich auf mechanischem Wege durch Filtrieren mit den sog. Bleicherden entfernen; andere lassen sich durch Anwendung höherer Härtungstemperatur überwinden. Es scheint, daß sie durch die Katalyse bei höherer Temperatur in harmlosere Stoffe umgewandelt werden. Diese Annahme ist direkt bestätigt für das Kohlenoxyd, welches im wesentlichen erst oberhalb 280-250° zu Methan reduziert wird 1). Dieses Gas macht sich dement entsprechend bei der für die Sättigung der Glyceride im allgemeinen günstigsten Temperatur von 170-180° viel störender bemerkbar, als wenn man die Härtung aus irgendeinem Grunde bei einer höheren Temperatur vornimmt. Dies ist der Grund, warum in vielen Katalysator-Patenten behauptet werden konnte, daß der betr. Katalysator widerstandsfähiger gegen Gifte sei als andere.

    Im allgemeinen verhalten sich nach meinen Beobachtungen alle in Vorschlag gebrachten Formen der Katalysatoren den Giften gegenüber ähnlich. Besondere Beachtung verdienen die Arbeiten von Rosenmund und Zetsche über die Beeinflussung der Katalysatoren durch gewisse Zusätze, welche bewirken, daß die Katalyse nicht bis zu dem theoretisch zu erwartenden Ende fortschreitet, sondern bei einer gewünschten Zwischenstufe haltmacht. Bisher haben die genannten Forscher ihre Untersuchung nicht auf die Fetthärtung ausgedehnt; es wäre aber sehr zu begrüßen, wenn das geschähe; denn die Härtungsindustrie sucht nach einem derartigen Katalysator. So wäre es z. B. erwünscht, wenn man die Sättigung der Linol- und Linolensäure zum Einhalt bringen könnte, wenn die Sättigungsstufe der Ölsäure erreicht ist. Auf anderen Sondergebieten der Nickelkatalyse scheint eine derartige Abstimmung des Katalysators bereits mit Erfolg durchgeführt zu sein. Daß die verschieden gestellten Doppelbindungen der Fettsäuren sich verschieden leicht sättigen lassen werden, ist von vornherein zu erwarten. Bestätigt ist dies durch eine Untersuchung von Armstrong und Hilditch, welche fanden, daß eine Kurve, gezogen aus Zeit und Wasserstoffverbrauch bei der Härtung von Linolensäure zwei Knickpunkte aufweist an denjenigen Stellen, die einer Sättigung zu Linol und Ölsäure entsprechen.

    Moore2) stellte fest, daß bei verhältnismäßig hoher Temperatur die übrigen Doppelbindungen ungesättigter Säuren sich leichter sättigen lassen als die 9-10 -Bindung der Ölsäure. Er gibt eine auf diese Beobachtung gegründete Arbeitsvorschrift, um die Bevorzugung gewisser Doppelbindungen in den Vordergrund treten zu lassen. Ob sich diese Vorschrift in der Praxis bewährt hat, ist mir nicht bekannt; in Amerika wo derartige halbgehärtete Fette als Schmalzersatz sehr beliebt sind, sucht man dieses Ziel auf dem entgegengesetzten Wege zu erreichen3). Eine grundsätzliche Lösung der Frage der auswählenden Sättigung scheint mir die Beobachtung von Moore auf keinen Fall zu bringen.

    Eine andere Beobachtung von großem Interesse ist die, daß bei der Härtung Ölsäuren entstehen, die in dem ursprünglichen Öl nicht vorhanden waren, wie Isoölsäure, Elaidinsäure oder auch bisher unbekannte Ölsäuren. Wir dürfen diese Erscheinung wohl nicht so verstehen, daß die Doppelbindung wandert, wie wir das von der Kalischmelze der Ölsäure nach Varrentrapp her kennen; wahrscheinlicher ist schon, daß bei Anwesenheit mehrerer Doppelbindungen diese nicht der Reihe nach gesättigt werden, sondern daß diejenige Doppelbindung zuerst angegriffen wird die zufällig rein mechanisch zugleich mit Wasserstoff und einem Katalysatorteilchen in Berührung kommt. Auf diese Weise können aus der Linolensäure drei verschiedene Linolsäuren und drei Ölsäuren nebeneinander entstehen. Das Entstehen verschiedener Isomerer dürfte zum Teil auf die Weise zu erklären sein; zum Teil kommt aber auch noch eine andere Erklärung in Betracht nämlich eine Rückläufigkeit der Katalyse, die unter gewissen Bedingungen offenbar eintreten kann. Auch Moore zieht bei seinen oben mitgeteilten Versuchen eine solche in Betracht, kann sie aber beim bloßen Zusammenbringen von Fett und Katalysator nicht feststellen4) Sie scheint aber doch vorzuliegen.

    Ich selbst habe im Laufe der Zeit wiederholt die Beobachtung gemacht daß die Jodzahlen gegen Ende der Härtung wieder zunehmen statt bis auf Null herunterzugehen. Leider fand ich keine Zeit, diese interessante Beobachtung zu verfolgen. Neuerdings ist sie auch von amerikanische, Seite, von Levey, gemacht und in einer Patentschrift5) niedergelegt Der Verfasser behandelt Öl mit Nickelkatalysator in einem Gasstrom bei 220-250°. Es erfolgt dabei eine Abspaltung von Wasserstoff und es entstehen aus nichttrocknenden Ölen unter Erhöhung der Jodzahl solche mit Trockeneigenschaften. Verschiedene Gase sind brauchbar, sogar Wasserstoff; die günstigsten Erfolge treten jedoch mit Kohlenoxyd ein. Des weiteren findet derselbe Forscher, daß ein Öl mit hoher Jodzahl, aber schlechter Trockeneigenschaft, in ein gut trocknendes Öl übergeführt worden kann, wenn es erst teilweise mit Wasserstoff gesättigt und darauf nach seinem Verfahren wieder entwasserstofft wird!

    Levey schließt hieraus, daß die abgespaltenen Wasserstoffatome nicht dieselben sind wie die vorher angelagerten. Die für diese Wasserstoffabspaltung angewandten Gase scheinen mehr mechanisch den abgespaltenen Wasserstoff zu entfernen, als chemisch wirksam zu sein. Nur bei dem am kräftigsten wirkenden Kohlenoxyd nimmt Levey wohl mit Recht eine chemische Mitwirkung des Gases als Wasserstoff empfänger unter Reduktion zu Methan. Es wäre dies ein Seitenstück zu dem Verfahren von Kayser6) zur Härtung mit Borneol statt mit Wasserstoff, wobei das Borneol unter Wasserstoffverlust in Kampher übergeht. Auch diese Beobachtung ist von großem Interesse, wenn sie auch kaum praktische Bedeutung haben dürfte. Einiges Interesse durfte auch folgende Beobachtung bieten: Ich erwähnte vorhin, daß bei der Herstellung des Katalysator direkt im Öl dieser sich in Form einer tintenschwarzen Flüssigkeit löst. Diese Flüssigkeit läßt sich nur schwer filtrieren. Unterwerfe ich sie der Härtung, so flockt das Nickel nach ganzer oder teilweiser Sättigung des Öles aus oder läßt sich doch leicht abfiltrieren. Hierauf ist zuerst von Erdmann aufmerksam gemacht worden.

    Vermische ich nun das abgesetzte oder abfiltrierte Nickel mit frischem Öl, so bekomme ich wieder die tintenschwarze Lösung. Vermische ich dieses Nickel mit Petroläther, so läßt sich die Mischung leicht filtrieren; vermische ich es aber mit Benzol, so bekomme ich wieder eine nicht- oder schwerfiltrierbare schwarzbraune Flüssigkeit. Es scheint somit, daß bei dieser Art von kolloidaler Lösung des Nickels die Doppelbindungen des Lösungsmittels eine Rolle spielen. Der Gedanke, die Wasserstoffanlagerung nicht, wie Sabatier es tat, im Gas- und Dampfzustande, sondern im flüssigen Zustande des zu sättigenden Stoffes vorzunehmen, hat sich nicht nur in der Fetthärtung als erfolgreich erwiesen, sondern ist weit über diese hinaus angewandt worden. Ich will von allen nur an diejenige Anwendung erinnern, die nächst der Fetthärtung wohl am bekanntesten geworden ist, an die Sättigung des NaphthaIins, die Tetralinfabrikation.

    Wirtschaftliches

    Besonders reizvoll ist es, nachzuforschen, welche wirtschaftliche Bedeutung die Fetthärtung im Laufe der Jahre erlangt hat. Leider läßt sich diese weniger klar übersehen als die technische und wissenschaftliche Entwicklung. Irgendwelche Angaben über die Welterzeugung an gehärteten Fetten liegen nicht vor. Klare Auskünfte von Firmen sind begreiflicherweise schwer zu bekommen und sind dann immer nur Einzelauskünfte, die sich nicht zu einem geschlossenen Gesamtbilde zusammenfügen lassen. Einige Firmen, denen ich auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte, sind mir in sehr liebenswürdiger und bereitwilliger Weise entgegengekommen, so daß es mir vielleicht gelingt, wenigstens ein paar Ausschnitte aus dem Gesamtbilde des gegenwärtigen Standes der wirtschaftlichen Entwicklung zu geben.

    Die Fetthärtung hat sich in dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum von etwa 15 Jahren als eine eigene selbständige Industrie über die ganze Erde verbreitet. Es gibt kaum noch ein Kulturland, in dem keine Härtungsfabrik vorhanden wäre. Die erste Anlage, die fabrikmäßig arbeitete, war bei der Firma Crosfield in England. Diese konnte im Jahre 1907 täglich etwa 2000 kg leisten. Die zweite Anlage, die erste auf dem Kontinent, war nicht, wie ich im Schrifttum gefunden habe, 1910 oder 1911 bei der Firma Schicht in Aussig, sondern im Jahre 1908 bei der Firma Leprince & Siveke Herford in Tätigkeit, aus deren Laboratorium die Fetthärtung hervor gegangen war. Die dritte Anlage wurde im Jahre 1910 von Wilbuschewitsch in Nischni-Nowgorod nach Herforder Vorbild in Betrieb gesetzt. Im Jahre 1914 sollen schon im ganzen 24 Härtungsfabriken bestanden haben, davon 18 in Europa, von diesen 6 in Deutschland, mit einer Jahreserzeugung von 200-230 Millionen kg Fett. Jetzt stelle ich in Deutschland 11 Anlagen fest, die bedauerlicherweise zum überwiegenden Teile in ausländischen Händen sind.

    Ob diese Ziffer aber ausreicht, ist zweifelhaft; denn es sind unter den genannten 11 Fabriken schon mehrere enthalten, die in den Zeitschriften nicht genannt sind, die ich vielmehr durch Erkundigungen in Erfahrung habe. Es scheint, daß es noch einige gibt, von denen überhaupt keine Nachricht in die weitere Öffentlichkeit gedrungen ist. In erhöhtem Maße gilt dieser Zweifel an der Vollständigkeit der Zahlen natürlich für das Ausland. Ich fand für europäische Länder, außer Deutschland, etwa 50 Fabriken, in Holland 5-6, Belgien 2, Frankreich 5, England 3, Dänemark 3, Norwegen 4, Schweden 4, Rußland 2, Böhmen 2, Ungarn 5, wovon aber nach einer Privatmitteilung nur eine in Betrieb sein soll in Italien sollen vor dem Kriege mehrere im Bau gewesen sein, in Rumänien, in der Levante, Österreich, Schweiz, Spanien je 1. Von außereuropäischen Ländern in der Mandschurei 1, Ägypten 1, Japan 8 Fabriken. Das sind einschließlich Deutschland etwa 60 Fabriken, welche wohl als eine untere Grenze anzusehen ist, selbst wenn einige der Anlagen infolge der durch den Krieg veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse den Betrieb gar nicht aufgenommen oder wieder eingestellt haben sollten.

    Hierzu kommen noch 14-15 Fabriken in den Vereinigten Staaten von Amerika. Als Rohstoffe sind und werden für die Härtung wohl sämtliche Öle heranzogen, die überhaupt in technischem Maßstabe gewonnen werden. Sogar das Chrysalidenöl, das Öl, welches aus den in den Seidenspinnereien abgetöteten Puppen des Seidenspinners gewonnen wird, scheint technisch gehärtet zu werden. Die Eignung und Verwendung der gehärteten Fette zur Seifenfabrikation, die anfangs manches Vorurteil zu überwinden hatte, ist wohl so allgemein anerkannt und durchgeführt; daß ich keine Worte weiter darüber zu verlieren brauche.

    Am meisten interessiert uns die Nutzbarmachung der Fetthärtung für die menschliche Ernährung. Anfängliche Bedenken gegen die Verwendung gehärteter Fette für die menschliche Ernährung sind durch eine Reihe von Untersuchungen zerstreut worden. Nicht nur die Verdaulichkeit und Bekömmlichkeit an sich, sondern auch die genügende Ausnutzung der Hartfette im Körper wurde festgestellt, so daß der Weg für sie in die Industrie der Speisefette frei war. Bei uns wandern die gehärteten Speisefette wohl durchweg in die Margarine; in Amerika sind sie aber auch für sich in schmalzartiger Form als Schmalzersatz sehr beliebt. Die vorher erwähnten 14-15 amerikanischen Fabriken sollen eine Leistungsfähigkeit von 142 000 t im Jahre besitzen. Die wirkliche Leistung ist aber in den letzten Jahren nur etwa halb so groß gewesen; ich habe darüber folgende Zahlen nachträglich erhalten (In Tonnen zu je 1000 kg):

    JahrInsgesamt1.Jan-31. März1.April-30.Juni1.Juli-30.Sept,1.Okt-31.Dez
    Erzeugung
    19195463546318148975832093
    19208189119119113152313628320
    19219807119234239272898652025
    Verbrauch
    1919243083521685767577173
    1920159303819280549244382
    1921268886172637387995544
    Vorräte
    19193534593158597828
    192010543675570248469
    19211460113186877511532
    Ausfuhr
    191918861216580890
    192082137224951150
    19211068453171244179


    Diese Fettmengen sind pflanzlichen Ursprungs; Tran scheint bisher in den Vereinigten Staaten von Amerika kaum zur Härtung herangezogen zu sein, doch steht auch, dort eine umfangreich Tranhärtung bevor. Das Fett hat zum überwiegenden Teil als Speisefett hauptsächlich als Schmalzersatz gedient. Zur Seifenherstellung werden nur sehr geringe Mengen benutzt, da tierische Fette beträchtlich billiger waren als gehärtete. Diese für Amerika mitgeteilten Zahlen erscheinen für das große Land gering; denn die Leistungsfähigkeit wie die wirkliche Leistung des doch viel kleineren Deutschlands hat selbst in der Zeit der starken Fabrikationseinschränkung während des Krieges der oben mitgeteilten amerikanischen nicht nachgestanden.

    Durch freundliches Entgegenkommen des Kriegsausschusses für Öle und Fette bin ich in der Lage, sowohl diese zu zeigen, wie auch ein Bild machen zu können von der Bedeutung, welche die Fetthärtung während des Krieges für die deutsche Volksernährung gehabt hat. Während der Zeit der Fettnot, als alle Fettstoffe zum Wohl der Allgemeinheit beschlagnahmt waren, sind vom Kriegsausschuß die in der nachfolgenden Aufstellung im einzelnen angegebenen Mengen Fett und Öl der Margarineindustrie zugeteilt worden.

    [Tabelle]

    Die schlimmsten Notjahre waren 1916-1919, vor allem 1917 und 1918. Wir sehen aus der Zusammenstellung, daß während dieser Zeit der Anteil des gehärteten Festes an der Margarine ein Fünftel bis sogar zu einem Drittel der Gesamtmenge betragen hat. Nun war aber die Sachlage nicht einfach so, daß man aus einem guten Öl, etwa einem ohnehin schon als Speiseöl dienenden Baumwollensaatöl, ein gutes und genießbares Hartfett erzeugen konnte. Solche Öle hatten wir im Kriege nur sehr wenige, für Härtungszwecke jedenfalls gar keine. Hätten wir sie gehabt so hätten wir unsern Fetthunger zur Not viel einfacher mit den Ölen direkt, ohne sie erst zu härten, stillen können, wie der Italiener vielfach Öl zur Speisebereitung benutzt, wo unsere Hausfrauen Fett zu gebrauchen gewohnt sind.

    Wir hatten im Kriege nur solche Öle für die Härtung, die wir an und für sich zur Ernährung wegen ihres Geruchs und Geschmacks nicht gebrauchen konnten. Ich nenne vor allen Dingen Tran, dann Leinöl, welches wir aus den von uns besetzten östlichen Gebieten erhielten, Getreidekeimöl, sehr schlechtes Rüböl und aus Rumänien fast schwarzes Rapskuchenöl, das ist der letzte Rest des in den Ölkuchen beim Pressen zurückbleibendes Öles, der noch durch Benzinextraktion herausgeholt wurde - alles Öle, die sonst für alles mögliche, nur nicht für Nahrungszwecke verwendbar erscheinen. Da nun bekanntlich durch die Härtung der eigentümliche unangenehme Geruch und Geschmack der Öle so vollständig verändert wird, daß die erzeugten Fette nicht das geringste mehr von ihrem Ursprung verraten und infolgedessen als Speisefette brauchbar werden, wurde es auf diesem Wege möglich, die genannten Öle für unsere Ernährung heranzuziehen und den doch recht geringen vorhandenen Vorrat an Nahrungsfetten bis um die Hälfte (im Jahre 1918) zu vermehren - ein recht beachtenswerter Beitrag zum Durchhalten in dem uns aufgezwungenen Kriege!

    Gehärteter Tran als Speisefett ist aber nicht nur als eine Kriegserscheinung anzusehen; er ist vielmehr durchaus imstande, eine tadellose Margarine zu ergeben. Das zeigt uns Dänemark, das schon vor dem Kriege, im Jahre 1914, 3,4 Millionen kg gehärteten Waltran eingeführt und auf Margarine verarbeitet hat7). Es wird uns ausdrücklich versichert, daß sich der gehärtete Waltran ausgezeichnet zur Herstellung einer wohlschmeckenden und dauerhaften Margarine eignet. Lebhaft beklagt wird die kräftige Entwicklung der Härtungsindustrie jedenfalls von den Walfischen und anderen Seetieren; denn diese sehen sich durch die Fanggesellschaften, die zugleich mit der Fetthärtung einen außerordentlichen Aufschwung genommen haben, ernstlich in ihrem Dasein bedroht. Im Norden ist dieses Seewild schon fast ausgerottet; auf der südlichen Hälfte unseres Erdballs, wo jetzt die Hauptfangplätze liegen, wird dies auch in absehbarer Zeit der Fall sein, wenn nicht eine kraftvoll internationale Gesetzgebung eingreift.

    Aber selbst dann ist eine starke Verminderung der Tranerzeugung zu erwarten, und die Fetthärtung wird je länger je mehr auf Pflanzenöle angewiesen sein. Für diese aber, die uns von der Natur in weit reicherem Maße geboten werden als die festen Fette, eröffnet sich in der Härtung ein neues Absatzgebiet; denn sie können durch die Härtung in die viel wertvollere und höher geschätzte feste und halbfeste Form übergeführt werden und dadurch den Weltvorrat an Nahrungsfetten vergrößern. Es ist also zu erwarten, daß der Ölanbau eine Belebung erfährt; und aus den Zeitungsnachrichten über die Gründung neuer Anbaugesellschaften zu schließen, ist das auch schon der Fall. Ob es vorteilhaft sein wird, in unserm Vaterlande jetzt Ölsaaten an Stelle anderer Nahrungsmittel anzubauen, ist ein landwirtschaftliches Rechenexempel, dessen Beurteilung sich dem Chemiker entzieht. Auf alle Fälle aber würde es eine dankbare Aufgabe für die angewandte Botanik sein, den Ölertrag der heimischen Saaten durch Züchtung zu steigern.

    Ein Beispiel, daß derartiges möglich ist, bietet uns die Zuckerrübe, bei welcher es durch geeignete Züchtung gelungen ist, den Zuckerertrag auf das Zehnfache zu bringen. Wie weit wir von der Entwicklungsgrenze noch entfernt sind, an der die Rentabilität der Härtung aufhört, ist schwer zu sagen. In Amerika scheint eine solche zur Zeit erreicht zu sein; denn mein amerikanischer Gewährsmann, der als einer der besten Kenner der Härtungsindustrie der Vereinigten Staaten gilt, schreibt darüber wie folgt: "Seit dem Jahre 1918 ist es nicht sehr profitabel gewesen, Öle zu härten, weder für Speisezwecke noch für die Seifenerzeugung. Als Grund dafür möchte ich die Tatsache erwähnen, daß die Härtung eine so einfache und leicht verständliche Sache geworden ist, daß der Preis von Öl zu einer solchen Höhe gestiegen ist, daß nur nominale Herstellungskosten berechnet werden dürfen, um im Preise mit den natürlichen harten Fetten konkurrieren zu können, für welche die gehärteten Öle substituiert werden. Von den genannten 14 Fabriken sind die letzten drei seit 1918 außer Betrieb. Sie arbeiteten in Lohn und konnten keine gewinnbringende Beschäftigung finden, trotzdem die beiden elektrischen Anlagen in Niagara Falls wegen ihrer billigen elektrischen Kraft in einer ausgezeichneten Lage waren, um mit sehr geringen Kosten härten zu können."

    Diese amerikanische Schilderung braucht uns aber nicht zu schrecken und es ist kein Grund, warum wir den augenblicklichen Zustand als einen dauernden ansehen sollten; denn wir erkennen in der amerikanischen Zahlenreihe ein erfreuliches starkes Wiederansteigen der Härtungstätigkeit. Auch bei uns haben wir früher vorübergehend schon Preisverhältnisse auf dem Fettmarkte gehabt, bei denen ein Nutzen der Härtung nahezu oder auch ganz aufgehoben war. Eine solche Marktlage war z. B. ein wesentlicher Grund, warum die Fetthärtung in den ersten Jahren nach ihrer Erfindung nicht sofort festen Fuß fassen konnte. Wie wir gesehen haben, hat sich bisher die Marktlage immer wieder in der Weise geändert, daß die Härtungsindustrie sich mit Erfolg durchsetzen konnte. Wie aber die Rentabilität sich auch gestalten möge. ihren volkswirtschaftlichen Wert als machtvoller Regulator des Preisverhältnisses zwischen flüssigen Ölen und festen Fetten wie durch Vergrößerung des Weltvorrats an Nahrungsfetten wird die Härtungsindustrie für absehbare Zeit behalten und nicht eher wieder verlieren, als bis das Gute, das sie uns gebracht hat, durch etwas Besseres abgelöst wird.. Bis dahin aber wollen wir ihr eine kräftige und gesunde Weiterentwicklung wünschen zum Segen unseres bedrückten Vaterlandes.

    1) Armstrong u. Hilditch, Seifenfabr. 1920, S. 453
    2) Moore, Seifens,-Ztg., 1917, S. 651
    3) Amer.Pat. 1135351, v Burchenal
    4) Moore, Seifens.-Ztg. 1919, S. 654ff.
    5) Amer. Pat. 1144589.
    6) Amer. Pat. 1134746.
    7) Chem. Ztg. 1919, S. 74
    Zur Entstehung der Fetthärtung. Artikel von Wilhelm Normann (1937)

    Zur Entstehung der Fetthärtung. Wilhelm Normann

    veröffentlicht in Chemiker Zeitung, 61, 20-22 (1937)

    Nur schwer habe ich mich entschließen können, dem liebenswürdigen Drängen des Schriftleiters dieser Zeitung nachzugeben und über die Entstehung der Fetthärtung einige historische Notizen niederzuschreiben; ist doch nichts über interessante neue Synthesen oder derlei zu berichten! Da die Erfindung aber außerordentliche Folgen gezeitigt hat, wird eine kurze Wiedergabe ihrer Entwicklung und der der Fetthärtungsindustrie zwar dem Wissenschaftler nichts bieten, dem einen oder anderen Ölfachmann aber vielleicht doch einige Anregungen gewähren.

    Es war ein altes Problem der Fettchemie, die Ölsäure, die früher im Überfluß vorhanden war, in eine besser verwertbare feste Form überzuführen. Die Bemühungen darum sind jetzt etwa 100 Jahre alt. Teils versuchte man, die Ölsäure in die isomere feste Elaidinsäure umzuwandeln, teils erstrebte man die Herstellung von Oxystearinsäure. Auch die Überführung der Ölsäure in Stearinsäure mit Jodwasserstoff und Phosphor, sowie mit Hilfe des elektrischen Stromes wurde versucht. Die beiden letztgenannten Verfahren sind auch eine Zeitlang im großen ausgeführt worden; doch haben auch sie sich auf die Dauer nicht halten können. Diese Umwandlungen hatten von jeher mein lebhaftes Interesse in Anspruch genommen.

    Da lernte ich gegen Ende des Jahres 1900 aus den Referaten der "Chemiker-Zeitung" die Arbeiten Sabatiers über die katalytische Wasserstoffanlagerung an aliphatische Doppelbindungen mit Hilfe von Nickel als Katalysator kennen. Das Originalschrifttum war mir nicht erreichbar, so daß ich mich mit den recht kurzen Auszügen begnügen mußte. Die Fetthärtung hat somit in dieser Beziehung ihre Wurzeln in der Chemiker-Zeitung. Sabatier arbeitete mit leichtflüchtigen Stoffen, die er in Gas- oder Dampfform über den in einem Glasrohr liegenden pulverförmigen Nickelkatalysator leitete; er stand damals auf dem Standpunkt, daß der Katalysator seine Wirksamkeit verliere, sobald er durch die Hydrogenierungsprodukte angefeuchtet wird. Beim Lesen der Sabatierschen Reaktion erinnerte ich mich sofort des alten Problems der Überführung von Ölsäure in Stearinsäure.

    Da aber Ölsäure erst bei einer erheblich höheren Temperatur, als Sabatier für seine Versuche angab, zum Verdampfen zu bringen ist, und Glyceride überhaupt nicht unzersetzt verdampfbar sind, konnte seine Arbeitsweise auf diese nicht angewandt werden. Es schien mir jedoch, daß bei Sabatiers Versuchen die Befeuchtung mit Reaktionsprodukten den Katalysator nicht eigentlich unwirksam mache, sondern ihn nur gegen das darüberstreichende Gasgemisch absperre und der weiteren Einwirkung entziehe. War das der Fall, dann, mußte man die Reaktion auch in der flüssigen Phase durchführen können, wenn man durch dauernde innige Vermischung der drei Reaktionsteilnehmer: fester Katalysator, Flüssigkeit und Wasserstoffgas die Absperrung des Katalysators aufhöbe.

    Ich versuchte daher, diese Arbeitsweise auf die Überführung von Ölsäure in Stearinsäure anzuwenden.

    Einen solchen Versuch führte ich mit einigen Grammen reiner Ölsäure mit etwas frisch reduziertem Nickelpulver im Reagenzglase durch. Zur Durchmischung diente der Wasserstoff selbst, der in kräftigem Strom durch das Öl-Katalysatorgemisch hindurch geleitet wurde. Dieser Versuch brachte sofort einen Erfolg. Nach nur einmaligem Umkrystallisieren aus Alkohol hatte ich in fast theoretischer Ausbeute reine Stearinsäure in der Hand. Bald wiederholte ich den Versuch mit einem Glycerid - soweit ich mich entsinne, war es Rüböl - mit demselben guten Erfolg. Mit diesen Versuchen waren die Grundlagen des später Fetthärtung genannten Verfahrens gegeben, das im wesentlichen nur noch der technischen Ausarbeitung bedurfte. Über die Bedeutung der Fetthärtung für die Industrie war ich mir von vornherein im klaren; doch hielt ich die Übertragung des schönen Reagenzglasversuches in die Praxis zunächst für völlig aussichtslos, weil es damals noch kein technisches Verfahren zur billigen Erzeugung von Wasserstoff gab.

    Reichlich ein Jahr später, 1902, entschloß ich mich dann doch zur Patentanmeldung in der Erwartung, daß sich auch ein Verfahren zur Wasserstoffgewinnung noch einstellen werde, welche Erwartung auch nicht enttäuscht wurde. Es wurde die Erfindung unter der Nummer 141029 in Deutschland patentiert und bald darauf auch in England. Weitere Patente wurden leider nicht angemeldet. Die technische Ausarbeitung des Verfahrens bot zwar keine Schwierigkeiten grundsätzlicher Art, war aber doch in Ermanglung von Erfahrungen und auch von Hilfsmitteln ein oft recht mühseliger Kampf mit der Materie, der auch manchmal in eine Sackgasse oder zu Trugschlüssen führte. Mitarbeiter standen mir nicht zu Gebote.

    Als angenehme Merkwürdigkeit bei diesen Vorarbeiten wurde empfunden, daß der ziemlich starke, sonst als Katalysatorgift bekannte Arsengehalt des aus rohem Zink und Schwefelsäure hergestellten Wasserstoffes nicht störte. Das Reagenzglas des ersten Versuches wurde bald durch einen Rührbecher ersetzt. Das neue Verfahren selbst in die Welt zu setzen, hatte der Inhaber der kleinen Fabrik von Leprince & Siveke, Herford, bei welcher ich damals tätig war, keinen Mut, dies um so weniger als eine der ersten deutschen chemischen Fabriken, E. de Haen in Seelze-Hannover, die Übernahme des Verfahrens ablehnte, da sie fand, daß der Katalysator nach jedem Gebrauch in seiner Wirkung nachließ. Da wurde die englische Firma Jos. Crosfield & Sons. Ltd. in Warrington, auf das Patent aufmerksam und schickte ihren Chemiker E.C.Kayser nach Herford, um sich über das Verfahren zu unterrichten. Bald kam es zu einer Einigung und ich ging für kurze Zeit nach England, um in Gemeinschaft mit Kayser die Grundlagen für den technischen Ausbau des Verfahrens zu schaffen. So baute ich dort z.B. für die Reduktion des Katalysators, die bisher im Glasrohr durchgeführt wurde, das Modell für den Trommelröster. den ich später durch den ununterbrochen arbeitenden Tellerröster1) ersetzte. Mit dem Härtungsapparat wandte sich Kayser von dem bis dahin benutzten Rührbecher ab und konstruierte für seine große Versuchsanlage einen liegenden Härtekessel von 1000 kg Nutzfüllung2).

    Dieser Apparat war recht schwerfällig, arbeitete aber nicht schlecht. Der Wasserstoff wurde nach meiner Kayser gegebenen Anregung aus glühenden Eisenspänen und Wasserdampf erzeugt, und zwar in liegenden Eisenretorten. Diese Versuchsanlage war die erste Härtungsanlage, welche technisch arbeitete. Nach deren Erfolg entschloß sich endlich auch die heimatliche Firma zur Aufnahme der Härtung. Eine kleine Anlage wurde 1908 aufgestellt und kam im Winter 1908/09 in Betrieb. Als Härtekessel zog ich nach eingehenden Versuchen, in Anlehnung an meinen alten Rührbecher, eine stehende Form mit Rührwerk vor3). Ein Versuch, eine Wasserstofferzeugungsanlage von einer Fachfirma erbauen zu lassen, mißlang insofern, als von der einzigen damals in Deutschland bestehenden Fachfirma ein Ofen für eine sehr kleine Leistung, aber für einen so hohen Preis angeboten wurde, daß man den Wasserstoff wohl billiger aus Zink und Schwefelsäure hätte herstellen können.

    Ich baute daher selbst einen Ofen mit stehenden Retorten, die die Eisenspäne besser ausnutzen als die liegenden, in denen immer nur die oberste Schicht zur Wirkung kam. Die Herforder Anlage war recht klein; die Nutzfüllung des Härtekessels betrug nur 500 kg. Trotz dieser Kleinheit war die Anlage aber keineswegs nur als Versuchsanlage gedacht, sondern sie entsprach in ihren Abmessungen durchaus dem Format der Fabrik. Sie war daher die erste fabrikmäßige Härtungsanlage auf dem Kontinent. Hätte man mit dieser Anlage, wie beabsichtigt, regelmäßig täglich zweimal 500 kg Öl gehärtet, wie es leicht möglich gewesen wäre, so würde dies für die kleine Fabrik für den Anfang schon ganz beachtenswert gewesen sein. Leider kam es nicht zu diesem Durchsatz; denn es gelang nicht, irgendeinen Abnehmer, weder in der Seifen- noch in der Speisefettindustrie, für Versuche mit dem Hartfett ernstlich zu gewinnen. Alle hatten gegen das neue Produkt Mißtrauen, das ich in Ermanglung von Waren, die damit hergestellt waren, nicht zu zerstreuen vermochte.

    Die hergestellten Hartfette mußten daher in der eigenen Fabrik für konsistente Maschinenfette verbraucht werden. Nachdem guten Erfolge ihrer Versuchsanlage und dem erbrachten Nachweis der guten Verwendbarkeit der Hartfette für die Seifenindustrie - auch die Verwendung für Speisefette war ins Auge gefaßt - entschloß sich die englische Firma Crosfield im Jahre 1909 eine Großanlage zu errichten. Auf Grund der Erfahrungen in der Herforder Fabrik entschloß man sich auch bei Crosfield jetzt zu stehenden Härtekesseln mit Rührwerk. Diese Anlage kam im Jahre 1910 in Betrieb. Kurz zuvor hatte Crosfield zu dem schon früher erworbenen englischen Patent auch das deutsche übernommen. Im Herbst 1909 schied ich aus der Firma Leprince & Siveke aus. Die dortige Anlage arbeitete noch 1 Jahr; dann wurde sie stillgelegt. Kayser hatte sich inzwischen von seiner Firma gelöst, ging nach Amerika und richtete dort eine Härtungsanlage ein bei Procter & Gamble in Cincinnati, die wohl ebenfalls 1910 in Betrieb genommen sein dürfte.

    Auch die russische Firma S.M. Persitz interessierte sich für die Härtung, traf mit mir ein Abkommen und erbaute durch ihren Ingenieur Wilbuschewitsch in Nischnij Nowgorod eine Härtungsanlage zunächst genau nach dem Herforder Vorbilde, hielt dann aber ihrerseits die getroffenen Abmachungen in keiner Weise ein, und Wilbuschewitsch ließ sich verschiedene wichtige Einzelheiten, die er in Herford kennengelernt, hatte, z. B. den Kieselgurkatalysator und den Trommelröster, als eigene Erfindung patentieren. Diese Patente verkaufte er 1910 für den Betrag von 1 Mill. Mark an die damals noch selbständigen Bremen-Besigheimer Ölfabriken in Bremen, welche die Härtung in ihrem Bremer Werk einrichteten. Die von ihn hier aufgestellte Apparatur, in der das Reaktionsgut in einer Wasserstoffatmosphäre zerstäubt wurde, ist eine genaue Ausführung der von Freysoldt schon im Jahre 1901 in "Die dissiparische Arbeitsmethode" (Friedländer & Sohn, Berlin) beschriebenen Apparatur, auf die Willbuschewitsch merkwürdigerweise trotzdem ein Patent erhalten hatte.

    Ende 1909 nahm auf Grund einer Vereinbarung mit Crosfield auch die Georg Schicht A.-G., Aussig, das Härtungsverfahren auf. Diese Anlage ist somit, wenn auch nicht die erste Anlage auf dem Kontinent überhaupt, so doch die erste Anlage von größerer Bedeutung und die einzige, die zu jenem Zeitpunkt auf dem Kontinent schon arbeitete. Zur gleichen Zeit verkaufte Crosfield das deutsche Patent an den holländischen Jürgens-Konzern, der die Ölwerke Germania, Emmerich, also auf deutschem Boden, gründete und unter meiner wissenschaftlicher Leitung im Februar 1912 als seinerzeit einzige deutsche Fabrik in Betrieb setzte. Das deutsche Härtungsverfahren mußte somit das Schicksal vieler deutscher Errungenschaften teilen, daß es erst auf dein Umwege über das Ausland in Deutschland Fuß fassen konnte; aber selbst dann noch lag es in ausländischen Händen, in denen es auch bis heute überwiegend geblieben ist. Die Bremen-Besigheimer Ölfabriken gründeten 1912 mit ausländischen Kapitalisten zusammen die "De-No-Fa" in Frederikstad in Norwegen. In Holland nahm der Van den Bergh-Konzern in Zwyndrecht die Härtung auf und richtete bald auch auf deutschem Boden, in Cleve, eine solche ein.

    Hiernach trat, was Gründungen anbetrifft, zunächst eine gewisse Ruhe ein. Wenn auch die Gründungen keineswegs abgeschlossen waren, so erregten weitere doch die Patentinhaber nicht mehr. Es war eigentümlich, daß das schon im Jahre 1902 erteilte Patent bis zum Jahre 1908 kaum beachtet worden war, daß es dann aber, nachdem die englische Industrie das Eis gebrochen hatte, begann, rasch und unaufhaltsam die weitesten Kreise zu ziehen. Wie schon erwähnt, war anfänglich das Fehlen eines brauchbaren technischen Verfahrens zur Wasserstofferzeugung ein großes Hemmnis für die Entwicklung der Fetthärtung gewesen. Auch in Crosfield's Großanlage in Warrington wurde der Wasserstoff zunächst noch aus Eisen und Wasserdampf erzeugt; bald aber wurde dort eine Anlage vom Engländer Lane aufgestellt, in welcher Briketts aus Ton und Eisenoxyd (Kiesabbränden) in stehenden Retorten abwechselnd mit Wassergas reduziert und denn mit Wasserdarnpf unter Wasserstoffentwicklung wieder oxydiert wurden. Diese Anlage arbeitete zwar, gab aber doch zu vielen Ausständen Anlaß.

    Dann aber erhielt die Wasserstofferzeugung einen starken Ansporn, der auch für die Entwicklung der Fetthärtung von großer Bedeutung wurde, durch die Luftschiffahrt des Grafen Zeppelin. Dieselbe Firma, die noch 1908 einen völlig unzureichenden Wasserstoffofen anbot, war jetzt, 3 Jahre später, in der Lage, eine Erzeugungsanlage aufzustellen, die ebenfalls wie die Lanesche Anlage in Warrington, mit stehenden Retorten arbeitete, als Füllung aber stückiges Eisenerz verwandte. Diese Anlage stellte gegenüber der nglischen in jeder Hinsicht einen erheblichen Fortschritt dar, bis die Retortenöfen wenige Jahre später durch die Schachtöfen der "Bamag" und von "Messerschmidt" abgelöst wurden, die sich bis heute ohne wesentliche Veränderung gehalten haben. Nachdem es bekanntgeworden war, daß in der Fetthärtung ein ganz neues Arbeitsgebiet für die Industrie geschaffen worden war, setzte eine wilde Erfindertätigkeit ein; denn jeder, der sich irgendwie dazu berufen fühlte, glaubte hier ein Teilchen des vermuteten Segens für sich mit erhaschen zu können.

    Die Erfinder stürzten sich zum einen Teil auf die Apparatur, zum anderen Teil auf den Katalysator. Besonders phantastisch sind die Apparate-Patente; doch bestätigte sich auch hier die alte Erfahrung: das Einfachste war und blieb das Beste. Ausführliches hierüber findet sich in der Ztschr, "Chemische Apparatur" 1925. Viel, leider viel zuviel Arbeit verursachte für den Verf. die Bekämpfung der Patentanmeldungen der Katalysatoren-Erfinder. Als erster trat Prof. Erdmann aus Halle auf den Plan mit "Nickeloxyd" als Katalysator, an dessen Stelle später das hypothetische "Nickelsuboxyd" treten mußte. Daß auch dieses, sofern es überhaupt besteht, nicht als Katalysator wirkt, sondern erst das aus ihm während der Operation gebildete Nickel, wurde experimentell nachgewiesen. Interessenten mögen die Fehde darüber in der "Chemiker-Zeitung" nachlesen! Fuchs-Granichstätten wandten Nickelcarbonat als Katalysator an, das sich ebenso wie das Oxyd während der Operation in katalytisches Metall verwandelt. Mit Nickelformiat arbeiteten Wimmer-Higgins in der im Jahre 1912 gegründeten Fettraffinerie Brake. Dieser Nickelformiatkatalysator ist übrigens der einzige, der sich eine bedeutende Stellung neben dem ursprünglichen Kieselgurkatalysator zu erwerben vermochte, nicht zuletzt durch die geschickte Werbung der die Apparatur für ihn liefernden Firma Bamag.

    Noch viele andere Katalysatoren wurden erfunden, die aber sämtlich keine Deutung erlangt haben. Die zahllosen Patentprozesse wurden größtenteils nicht bis zu Ende durchgeführt, sondern schließlich zumeist durch Ankauf der betreffenden Fabriken durch den kapitalkräftigen Jurgens-Konzern erledigt.

    Jetzt war endlich die Bahn frei für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete der Fetthärtung; doch tastete man in dieser Beziehung noch jahrelang im Dunkeln. Es sind inzwischen mancherlei bemerkenswerte Arbeiten ausgeführt worden, die zu besprechen in diesem Aufsatz wohl nicht der rechte Platz ist. Die bis jetzt technisch wichtigste Entdeckung, die Abstimmbarkeit des Katalysators für die auswählende Sättigung bestimmter Doppelbindungen ist jedoch auf rein empirischem Wege gefunden worden. Auf jeden Fall lassen die bisher erreichten Erfolge noch viel Raum für weitere wissenschaftliche Forschung. Nachzutragen wäre noch folgendes: Die Anwendung der Kieselgur als Katalysatorträger rührt nicht vom Verf. her, sondern von Dr. Markel, dem technischen Leiter der Jos. Crosfie1d & Sons. Ltd. Im allgemeinen ist Kieselgur neben anderen Stoffen als Katalysatorträger schon vorgeschlagen worden im DRP. 4566 im Jahre 1878 von Clemens Winkler.

    1906 hatte ich ihre Anwendung versucht, hatte aber einen Mißerfolg, weil mir keine brauchbare Sorte Kieselgur zur Verfügung stand. Selbständig hatte dann 1 oder 2 Jahre später Dr. Markel denselben Gedanken, mit dessen erfolgreicher Ausarbeitung er E.C. Kayser beauftragte. Dem Verf. ist es zu seinem Bedauern, durch seine Berufstätigkeit gehindert, nicht vergönnt gewesen, sich in dem gewünschten Umfange an der Forschung zu beteiligen. Bringt somit die Erfindung der Fetthärtung keine grundlegenden neuen theoretischen Kenntnisse, so hat sie sich doch in seltenem Maße als fruchtbar erwiesen. Durch sie ist eine ganz neue Industrie entstanden, die sich in Hunderten von Fabriken über die ganze Erde verbreitet hat. Viele Öle, vor allen Dingen die reiche Fettquelle der Meere, welche vordem für die menschliche Ernährung ausschieden, konnten für diese durch die Härtung nutzbar gemacht werden. Während des Krieges hat sie hierdurch eine große Bedeutung gehabt und auch jetzt wieder, nachdem das erste deutsche Walfangschiff von Henkel & Cie., Düsseldorf, seine erste Fangfahrt zur Antarktis angetreten hat, wird die Härtung mithelfen uns in Speisefetten vom Auslande unabhängiger zu machen.

    Die Margarine-Industrie würde ohne gehärtete Öle in ihrem heutigen Umfange nicht bestehen können. Aber darüber hinaus ist der der Fetthärtung zugrunde liegende Gedanke, die Wasserstoffkatalyse im dreiphasigen System, auch von anderen Industrien mit Erfolg aufgegriffen und in ihnen zu einem wichtigen Verfahrensbestandteil geworden. So liegt sie der Naphthalinverflüssigung, der neuerdings zu Bedeutung gekommenen Reduktion der Fettsäuren zu Alkoholen und noch vielen anderen Verfahren zugrunde; außerdem wird sie auch in den Laboratorien für wissenschaftliche Arbeiten dauernd angewandt. Möge die Härtung zu ihrem Teil auch mithelfen, den zweiten Vierjahresplan unseres Führers zu verwirklichen!

    Bildhinweise aus: L.Ubbelohde, Handbuch der Chemie und Technologie der Öle und Fette. Band IV, Leipzig 1926. Abschnitt: Die Technik der Fetthärtung

    1) Abb. 51 Seite 306

    2) Abb. 62 Seite 316

    3) Abb. 57 Seite 313

    Historische Bilder zur Fetthärtung
    Anlage 1903
    Erster Originalapparat zur Fetthärtung, Leprince & Siveke, Herford, 1903

    Apparat 1903
    Erstes Reaktionsgefäß für Fetthärtung. Konstruiert von Wilhelm Normann, Leprince & Siveke, Herford, 1903

    Anlage 1907
    Erste technische Fetthärtungsanlage. Eigenhändiger Entwurf von Wilhelm Normann, Leprince & Siveke, Herford 1907

    Anlage 1912
    Fetthärtungsanlage, Ölwerke Germania, Emmerich 1912

    Anlage Härtung 1914
    Ölwerke Germania, Emmerich. Die Härtungsanlage 1914

    Borsig 1923 Wasserstoff
    Wasserstoff-Speicher Für Versuchszwecke hergstellt von A. Borsig G.m.b.H., Berlin-Tegel etwa 1923

    Borsig 1923 Kat
    Katalysator-Herstellungs-Anlage. Für Versuchszwecke hergestellt von A. Borsig G.m.b.H., Berlin-Tegel etwa 1923

    Borsig 1923 Härtung
    Ölhärtungs-Anlage. Für Versuchszwecke hergestellt von A. Borsig G.m.b.H., Berlin-Tegel etwa 1923

    Borsig Raffination
    Ölraffinations-Anlage. Für Versuchszwecke hergestellt von A. Borsig G.m.b.H., Berlin-Tegel etwa 1923

    Karte 1914
    Anlagen nach dem Normann'schen Verfahren im Jahr 1914

    1922
    Im Jahr 1922

    1939
    Im Jahr 1939

    1951
    Im Jahr 1951