Raffination
(aus: M. Bockisch, Nahrungsfette- und Öle, Ulmer Verlag, ISBN 3-8001-5817-5)
Fette und Öle enthalten, abhängig von der Art des Öls, der Behandlung von Saat und Öl und vom Gewinnungsprozeß unerwünschte Begleitstoffe, die entfernt werden müssen. Solche Begleitstoffe können Geschmack, Geruch und Aussehen negativ beeinflussen, so daß sie die Akzeptanz beim Verbraucher und damit die Verwertbarkeit einschränken. Sie können aber auch störend bei der Weiterverarbeitung sein. Schließlich gibt es einige Stoffe, die auch gesundheitsschädlich sein können oder von der Öffentlichkeit so betrachtet werden, auch wenn die Menge objektiv nicht zur Gesundheitsgefährdung ausreicht.
Zu den letzteren gehören Umweltkontaminaten, die heute ubiquitär sind, wie Pestizide, Herbizide und Schwermetalle. Durch Raffination gelingt es, sie praktisch vollständig aus dem Öl zu entfernen. Dasselbe gilt für Aflatoxine, die Stoffwechselprodukte bestimmter Schimmelpilze. Störende Bestandteile sind unter anderem Blutfarbstoffe und deren Abbauprodukte bei tierischen Fetten und Pflanzenfarbstoffe und -teilchen bei pflanzlichen Fetten. Metalle würden die Oxidationsneigung fördern.
In der Bundesrepublik Deutschland unterliegt die Behandlung der tierischen Fette der Fleischverordnung. Diese Verordnung verbietet generell das Raffinieren von tierischen Fetten. Ebenso verboten ist die Behandlung von Milchfett. In vielen anderen Ländern bestehen solche Regelungen nicht, so daß über die EG-Bestimmungen auch raffinierte tierische Fette in Lebensmitteln enthalten sein können, die auf dem deutschen Markt sind. Für die Ausfuhr hingegen dürfen tierische Fette raffiniert werden. Es handelt sich hierbei also nicht um Bestimmungen zum Schutze des Verbrauchers, sondern um protektionistische Maßnahmen. Die Länderbehörden können Ausnahmen vom Raffinationsverbot für tierische Fette erlauben, allerdings nur dann, wenn das raffinierte Fett für die Margarine- oder Futtermittelherstellung, für technische Zwecke oder den Export verwendet wird.
Die Raffination besteht normalerweise aus vier Schritten. Sie kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen, nämlich dem konventionellen Weg der (chemischen) Raffination und durch physikalische Raffination. Das physikalische Verfahren ist technisch aufwendiger als die konventionellen Verfahren. Es kommt dafür mit nur zwei Verfahrensschritten aus, während es beim konventionellen Verfahren bis zu sechs Schritte sind. Der wesentliche Vorteil, durch den das physikalische Verfahren immer attraktiver wird, ist die geringere Umweltbelastung. Es entsteht dabei fast kein Abwasser mehr und die Fettsäure fällt als Fettsäure an, d. h. es muß keine Seife gespalten werden. Darüber hinaus sind die Raffinationsverluste kleiner.
Nachteilig an diesem Verfahren ist, daß manche Öle wesentlich besser entschleimt werden müssen als für das konventionelle Verfahren notwendig. Nicht alle Öle können jedoch heute schon physikalisch raffiniert werden. Die meisten zur Zeit existierenden Anlagen sind gemischt aus verschiedenen Typen von Teilanlagen oder Apparaten zusammengesetzt, wobei entweder die einzelnen Komponenten so ausgewählt sind, daß sie dem jeweiligen Zweck bestmöglich angepaßt sind oder die gesamte Anlage historisch gewachsen ist.
Batch-Anlagen zum Entsäuern haben eine praktisch unbegrenzte Lebenszeit, so daß sich ihr Ersatz durch modernere Geräte in kleinen Betrieben oft nicht lohnt. Es besteht hier ein wesentlicher Unterschied zwischen Anlagen, die große Mengen einer immer gleichen Ölsorte durchsetzen (meist kombiniert mit einer Ölmühle) und Anlagen, die kleine Mengen immer unterschiedlicher Öle bzw. Ölkompositionen verarbeiten (z. B. Margarinefabriken mit breitem Produktionsspektrum). Besondere Behandlung verlangt meist Palmöl, da es relativ hohe Gehalte an freien Fettsäuren hat und erhebliche Mengen an Carotinoiden enthält. Die Raffinationsverfahren haben sich in den vergangenen etwa 30 Jahren erheblich verbessert. Neben der wesentlich höheren Produktqualität wird das global deutlich, wenn man Kapazitäten, Ölverluste und Energieaufwendungen gegenüberstellt. Diese Entwicklung wird in den kommenden Jahren so weitergehen und vor allem vom Gedanken des Umweltschutzes getrieben sein.
Wirtschaftliche Bedeutung der Raffination
Praktisch die gesamte auf der Welt erzeugte und in den industriell entwickelten Gebieten verkaufte Menge an Samenölen und -fetten wird raffiniert. Lediglich Olivenöl wird in größeren Mengen als Jungfernöl unraffiniert verkauft. Bei den tierischen Fetten wird praktisch das gesamte Fischöl (üblicherweise nach Härtung) raffiniert. Die Schlachtfette bleiben zum Teil, vor allem wegen der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen unraffiniert, sofern man die während der Gewinnung angewandten Reinigungsverfahren nicht auch als Raffination versteht. Milchfette werden selten raffiniert. Ohne Raffination wäre der überwiegende Teil der Fette und Öle nicht für die Ernährung zu nutzen.
1) Entschleimung
Phosphatide, Eiweiß- und Kohlenhydrathaltige Stoffe, pflanzliche Schleimstoffe sowie kolloidale Verbindungen setzen die Haltbarkeit des Öls stark herab und fördern hydrolytische und oxidative Fettspaltung. Für die Raffination sind sie hinderlich, da sie den Raffinationsverlust stark erhöhen. Auf andere Operationen üben sie ebenfalls negativen Einfluß aus. So behindern sie die Kristallisation bei der Fraktionierung und verstopfen die Poren des Katalysators bei der Härtung. Im fertigen Öl würden sie sich mit der Zeit als Bodenschlamm absetzen und es so verdorben erscheinen lassen.
Aus all diesen Gründen werden bestimmte Öle, die einen nennenswerten Gehalt dieser Stoffe haben, entschleimt werden. Unter Entschleimen versteht man in diesem Zusammenhang das Entfernen der gesamten Gruppe dieser Stoffe, unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um Schleimstoffe handelt oder nicht. Lediglich das Entfernen des Lecithins bei Sojaöl wird unter anderem Blickwinkel speziell auch als Entlecithinieren bezeichnet.
Es gibt zwei Arten von Phosphatiden, hydratisierbare und nicht hydratisierbare. Erstere werden entfernt, indem man sie hydratisiert. Dadurch verlieren sie ihren lipophilen Charakter, werden ölunlöslich, fallen aus dem Öl aus und können abgetrennt werden. Nicht hydratisierbare Phospholipide müssen mit Säuren zerstört werden. Die Säure muß dabei gerade so stark sein, daß sie die Phospholipide zerstört, das Öl aber nicht angreift. Es sind viele Arten von Säuren dafür vorgeschlagen worden. Angefangen von Salz- und Zitronensäure (HVOLBY 1971, PAULITZ 1983) über Salpeter-, Schwefel- und Phosphorsäure (PAUL 1968) und schweflige Säure (MERAT 1955) bis hin zu Oxalsäure (OHLSON 1976), die der einfacheren Abwässer wegen eingesetzt wurde, sind fast alle Säuren versucht worden.
Heute werden überwiegend Phosphor- oder Zitronensäure verwendet. Auch zur Steigerung der Effektivität (bessere Hydratisierung) werden oftmals Säuren (auch hier Zitronen- oder Phosphorsäure) zugesetzt. Verwendet man Schwefelsäure, so werden die Öle ohne weitere Raffination als technische Öle verwandt. Einige Öle wie z. B. Leinöl können auch hitze-entschleimt werden. Das Öl wird auf 240 bis 280 Grad erhitzt, die Schleimstoffe fallen aus und können abgetrennt werden. Diesen Vorgang nennt man auch "Brechen des Öls".
2) Bleichen
Öle und Fette werden gebleicht, um unerwünschte Farbstoffe zu entfernen. Teilweise würden diese Farbstoffe aufgrund ihrer Zusammensetzung den Geschmack des Öls negativ beeinflussen, teilweise würde die Farbe vom Verbraucher als störend empfunden. Sie schränkt daher die Genußtauglichkeit oder die Verkaufsfähigkeit negativ ein. Außerdem induzieren ein erheblicher Teil der beim Bleichen abgetrennten Partikel und Verbindungen den Verderb des Öles, vor allem durch prooxidative Eigenschaften. Zum Bleichen wird das Öl mit einem oberflächenaktiven Stoff in Berührung gebracht, der die unerwünschten Bestandteile adsorbiert. Adsorbens und adsorbierte Teilchen werden abfiltriert, das Öl verläßt mit der gewünschten Farbe die Anlage. Äußerlich ist der Bleicherfolg lediglich über die Farbe des Öls erkennbar. Die Farbe wird auch (z. B. Lovibond-Farbe) oft zur Überprüfung des Bleichergebnisses herangezogen. Für genauere Untersuchungen nutzt man die Extinktion bei bestimmten Wellenlängen.
3) Desodorierung (Dämpfung)
Öle und Fette enthalten unerwünschte Geruchs- und Geschmacksstoffe, die entfernt werden müssen. Es handelt sich dabei um arteigene Geruchs- und Geschmacksstoffe oder um Stoffe, die während Lagerung und Transport von Saat oder Öl entstanden sind und zwar hauptsächlich um
- Kohlenwasserstoffe- Lactone
. Aldehyde
- freie Fettsäuren
- Ketone
GROSCH (1987) gibt einen Überblick über die enzymatische Bildung von Aromastoffen aus Lipiden, EICHNER (1986) berichtet über Carbonylverbindungen mit niedrigen Geruchs- und Geschmacks-Schwellenwerten bei der oxidativen Veränderung von Lipiden. In größeren Menge wirken auch diese störend. Die Anzahl der Substanzen, die für Fehlgeruch und -geschmack verantwortlich sind, ist sehr groß. So fanden SMOUSE (1967) und CHANG (1967) beispielsweise allein in rückläufigem Sojaöl folgende flüchtige Stoffe, die alle zum Geschmacks-Fehler beitrugen:
- 22 Säure-Komponenten- 18 Aldehyde
- 8 Ketone
- 8 Alkohole
- 2 Ester
- 6 Kohlenwasserstoffe
- 3 Lactone
- 4 andere Verbindungen.
Dabei ist zu beachten, daß die Kohlenwasserstoffe nur zu Geruch und Geschmack beitragen, wenn sie ungesättigt sind. Ihre Menge ist außerordentlich klein. So identifizierte MARCELET (1936) in Olivenöl 70 ppm und in Erdnußöl 20 ppm ungesättigte Kohlenwasserstoffe, die für einen abstoßenden Geschmack verantwortlich sind. Stärker als der Einfluß der ungesättigte Kohlenwasserstoffe ist der der Aldehyde und Ke- tone. Der Schwellenwert dieser Substanzen, d. h. der Wert bei dem 50% der Mitglieder einer Testgruppe den Stoff erkennen, liegt teilweise erheblich unter 1 ppm. Es besteht dabei ein Unterschied zwischen Geruch und Geschmack und der Matrix in der der Geruchs-/Geschmacksstoff vorliegt. Der Geschmackseindruck ist bei C4 und C6 ranzig, darüber muffig und seifig. Die Aldehyde und Ketone bilden sich hauptsächlich autokatalytisch aus Hydroperoxiden. Die Hydroperoxide lagern sich nach gewisser Zeit zu Aldehyden und Ketonen um. Einige Aldehyde und Ketone konnten mit dem Fehlgeschmack, den sie hervorrufen, identifiziert werden.
Geschichte der Dämpfung
Die Dämpfung wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal von CASSGRAND (1854) für eßbare Fette und Öle angewandt, nachdem sie in der Chemie zur Reinigung organischer Verbindungen schon längere Zeit bekannt war. 1855 wurde BARDIES das erste Patent erteilt. Einen detaillierteren Überblick über die Anfänge der Desodorierung geben MARKLEY (1961), LÜDE (1962), SWERN (1964) und die DGF (1981). Im Jahre 1893 wurde das erste deutsche Patent erteilt, nach dem auch tatsächlich gearbeitet wurde. Es beschreibt die Desodorierung von Kokosfett. Nach einem ähnlichen von SCHLINCK (1921) ausgearbeiteten Verfahren stellte die Fa. P. Müller und Söhne in Mannheim ein Kokosfett her, das heute noch unter dem Namen Dr. Schlinck's Palmin auf dem Markt ist. Später gelang es, durch Verwendung von Spezialstählen die Dämpftemperaturen zu erhöhen und mit besseren Anlagen die Arbeitsdrücke zu senken, was die Anlagen wesentlich effektiver machte. Auch die Fortschritte im Apparatebau sind sehr genau von der DGF (1988) beschrieben.
4) Entsäuern (Neutralisation)
Nach der Ernte, bei Fruchtfleischfetten auch schon während der Reife, beginnen lipolytische Prozesse enzymatischer (Enzyme aus Samen oder Fruchtfleisch) oder mikrobieller (letztendlich auch enzymatischer) Natur, die das Fett spalten. Dazu kommen chemisch hydrolytische Vorgänge und Autoxidation. die zur Bildung freier Fettsäuren (FFA, free fatty acids) führen. Diese Fettsäuren müssen entfernt werden, da sie die Genußtauglichkeit und Verwendungsfähigkeit erheblich einschränken. Handelsübliche Rohöle und -fette enthalten 1 bis 3% FFA, gute Partien 0,5% und weniger. In manchen Chargen von Palm-, Oliven- oder Fischöl können jedoch auch FFA > 20% gefunden werden. Bei gut raffinierten Ölen muß der Gehalt an freien Fettsäuren unter 0,1 % liegen. Es gibt verschiedene Methoden der Neutralisation, die alle auf ihre großtechnische Verwendbarkeit hin geprüft wurden. Die meisten Verfahren, die entwickelt wurden, sind jedoch nicht geeignet, großtechnisch angewandt zu werden oder haben sich zumindest nicht durchsetzen können. Grundsätzlich kann unter. schieden werden in physikalische und chemische Methoden. Physikalische Methoden sind:
- destillatives Entfernen der FFA- Wasserdampfdestillation
- selektive Adsorption der FFA
- selektive Extraktion der FFA.
Chemische Methoden sind:
- Rückverestern der FFA mit Glycerin
- Neutralisieren der FFA mit Alkalilaugen
- Neutralisieren der FFA mit Ammoniak
Alle Methoden bedingen unterschiedlich begründet Neutralölverluste, die in den gesamten Raffinationsverlust eingehen.