(aus: M. Bockisch, Nahrungsfette- und Öle, Ulmer Verlag, ISBN 3-8001-5817-5)
In Europa standen Ende des 19. Jahrhunderts als einheimische Fettrohstoffe, die für den menschlichen Verzehr geeignet waren, neben Talg und Schmalz überwiegend Seetieröle in größeren Mengen zur Verfügung. Die Mengen an tierischen Fetten allein reichten nicht aus, um die sich in der Zeit nach Beginn der industriellen Revolution in den Städten ballende Bevölkerung aus dieser Quelle zu ernähren.
Überseeische Fette waren rar und teuer. In den USA war die Situation ähnlich, wenn auch dort die Mengensituation wegen eines großen Angebotes an Baumwollsaatöl besser war. Die im allgemeinen in Deutschland auf dem Markt befindlichen Seetieröle waren ausgesprochen schlecht haltbar und stellten in der Regel keine Öle im heute verstandenen Sinne dar, sondern Trane mit all jenen negativen Eigenschaften, die heute mit dem Begriff assoziiert werden.
Zur Herstellung von Backfetten und vor allem Margarine, die Ende des Jahrhunderts ihre Verbreitung begann, war man jedoch auf die konsistenzgebenden Eigenschaften von Fetten angewiesen, wobei die damals verfügbaren Quellen jedoch in überwiegendem Maße Öle lieferten. Darüber hinaus war eine Qualität gefordert, die eine längere Haltbarkeit ohne wesentliche Qualitätseinbuße ermöglichte. Dies war u. a. bedingt durch die verstärkt industrielle Herstellung der Lebensmittel mit weiten Verteilwegen der Fertigprodukte.
In dieser Phase wurde die Methode der katalytischen Härtung von Ölen durch Anlagerung von Wasserstoff an die Doppelbindungen der veresterten Fettsäuren entwickelt und reifte innerhalb kurzer Zeit zu einem der wesentlichen Verfahren im Spektrum der Technologien der Lebensmittel-Herstellung. Es gelang damit, das natürliche Überangebot an Ölen den Erfordernissen des Marktes anzupassen und, besonders bei Seetierölen, eine erhebliche Verbesserung der Haltbarkeit und der geschmacklichen Qualität zu erreichen.
Neben der Fraktionierung und Umesterung ist dieses dritte Verfahren, das es erlaubt, Einfluß auf die, vor allem physikalischen, Eigenschaften der Fette und Öle zu nehmen, mit einer jährlichen Menge von weltweit über 4 Mio.Tonnen gehärteter Öle und Fette das bedeutendste.
Neben den eßbaren Fetten und Ölen werden auch technische Fette und vor allem Fettsäuren nach diesem Verfahren hydriert.
Im Jahre 1897 wurde an der Universität Toulouse von den Franzosen P. SABATIER und J. B. SENDERENS die Möglichkeit entdeckt, C-C-Doppelbindungen in organischen Verbindungen durch Anlagerung von Wasserstoff abzusättigen. Als Katalysatoren schlugen sie dazu disperse Metalle wie Kupfer und die drei Eisenmetalle, Eisen, Kobalt und Nickel vor. Ihre ersten Versuchsanleitungen schrieben vor, die verdampfte Verbindung zusammen mit dem Wasserstoff über den Katalysator zu leiten; es handelte sich also um die Reaktion einer homogenen Phase von gasförmigen Reaktionspartnern an einem festen Katalysator.
Diese Erfindung wurde von dem Deutschen W. NORMANN aufgegriffen, der seinerzeit in der Herforder Maschinen- und Ölfabrik L eprince & Sieveke tätig war. Er entwickelte die Methode weiter, indem er insbesondere postulierte, daß Öle bzw. geschmolzene Fette zu härten seien, ohne sie in die gasförmige Phase zu überführen, was darüber hinaus, zumindest wirtschaftlich, kaum möglich gewesen wäre. Nachdem er entgegen allen Vorbehalten zäh an seiner Idee festgehalten hatte, konnte NORMANN die Versuche im Jahre 1901 erfolgreich abschließen und 1902 ein Patent anmelden, das 1903 erteilt wurde.
Die Verbreitung des Verfahrens wird in einer Gemeinschaftsarbeit der DGF (Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft 1978 bis 1980) aus einem Artikel NORMANNs (1938) zusammengefaßt beschrieben. Hier seien nur die wesentlichen Stationen genannt:
In den Jahren bis 1920 etablierte sich das neue Verfahren, nachdem sich gezeigt hatte, daß es unbedenklich zu Modifikation von eßbaren Fetten und Olen eingesetzt werden konnte und bisher nur schwer verwendbaren Ölen in nunmehr guter Qualität als Fett neue Märkte erschloß. Neben der Lebensmittelindustrie adaptierte auch die Seifenindustrie das Verfahren; es wurde zur Härtung industrieller Fette und Öle angewandt und ermöglichte die großtechnische Herstellung bestimmter Fettsäuren und ihrer Derivate.
In den folgenden Jahren bis etwa 1940 lernten die Hersteller durch Variation der Reaktionsparameter, vor allem der Temperatur, des Drucks und der Art und Beschaffenheit des Katalysators, die Zusammensetzung und das Verhalten der Endprodukte zu beeinflussen. In den letzten Jahren gehen die Anstrengungen dahin, unerwünschte Nebenreaktion wie z. B. die Bildung von trans-Isomeren zu eliminieren, indem man die Katalysatoren weiter verbessert und die Reaktionsführung optimiert. Die weitere Modifikation der hydrierten Fette und Öle durch Umesterung und vor allem Fraktionierung wird dabei zu noch besseren Ausgangsprodukten für vor allem die Lebensmittelindustrie führen. Ziel aller Forschungen ist zur Zeit, die enzymatische Hydrierung, wie sie als Vorbild in der Natur z.B. im Magen der Kuh abläuft, für die technische und dann großtechnische Anwendung nutzbar zu machen.