• Geschichte der Öl- und Fettherstellung

    (aus: M. Bockisch, Nahrungsfette- und Öle, Ulmer Verlag, ISBN 3-8001-5817-5)

    Seit alters her hat der Mensch mit seiner Nahrung über Pflanzen, Fische und Fleisch unbewußt Fett zu sich genommen. Die Nutzung von Ölen und Fetten setzt jedoch schon einfache Techniken voraus. So war es erst mit der Entdeckung der Fähigkeit, Feuer zu machen, möglich, das Fett erlegter Tiere auszuschmelzen und so aufzubewahren. Zu einer solchen Lagerung gehört auch die Fähigkeit, Gefäße z. B. aus Ton zu fertigen. Die aus der Frühzeit bekannten Fette und Öle waren (HANSSEN, WENDT 1965) Hammeltalg, Schweineschmalz und später Butter, Sahne und Fischöl bei den tierischen Fetten; bei den pflanzlichen Fetten waren es Oliven und Sesamsaat sowie eventuell Leinsaat.

    Mit der Nutzung der Fette und Öle als Lebensmittel ging bis in das letzte Jahrhundert ihre Verwendung als Brennstoff Hand in Hand, wobei sie überwiegend zu Beleuchtungszwecken genutzt wurden. Darauf deutet bei bestimmten Qualitäten von Olivenöl heute noch der Name "lampante" hin. Als Salbengrundlage und Basis für Kosmetika finden sie wie in fühesten Zeiten auch noch heute Verwendung. Aus Bildern weiß man, daß schon früh Lebensmittelbetriebe bestanden. So findet man bei WOOLEY (1929) die Darstellung einer ägyptischen Meierei, wobei unter anderem der Butterungsprozeß dargestellt wird. ERMAN und RANKE (1923) bilden den Arbeitsablauf einer ägyptischen Großbäckerei von Ramses III. in Theben um 1200 v. Chr. ab; dort wird ein schneckenartiges Gebäck in Öl gebacken.

    Im Mittelmeerraum und in Asien verwendeten die Menschen lange vor denen in Mitteleuropa Öl. Dieses war leicht zugänglich, da im Mittelmeerraum mit der Olive und im Bereich von Euphrat und Tigris mit dem Sesam Ölpflanzen zur Verfügung standen, die in den gemäßigten Breiten nicht gedeihen. Auch die Bibel erwähnt Öl an vielen Stellen. So forderte es Moses als freiwillige Gabe für die Lampen der Stiftshütten, und Kuchen sowie Fladen wurden mit ungesäuertem Öl gebacken (2. Mose 29). Es war üblich, sich mit Öl zu salben, und Jakob salbte so einen Stein, um ihn zu heiligen. Erzählungen bei Lukas zeigen, daß Öl ein in größerem Maßstab vorhandenes Handelsgut war, denn es wird beschrieben, daß jemand einem anderen 100 Faß Öl schuldete (Lukas 16, Vers 5.6).

    Die Wichtigkeit des Ölbaums für die Völker des Mittelmeeres kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß er im alten Athen der Göttin der Weisheit, Athene, geweiht war und später als das Symbol für Frieden und Verheißung stand. So kommt nach der Sintflut die Taube mit einem Ölblatt im Schnabel zu Noah (1. Mose 8.11), ein Symbol für den Fortbestand der Welt.

    PLINIUS beschreibt die zu seiner Zeit übliche Art der Gewinnung von Olivenöl aus reifen Früchten durch Auspressen zwischen Schraubenpressen. Auch Butter ("dichter, fester Milchschaum") wird erwähnt, jedoch nur als Ersatz für Olivenöl in Notzeiten oder zum Backen. Mit dem Umschmelzen von Schweineschmalz zu Reinigungszwecken war eine weitere Praxis der Fettechnologie bekannt.

    Die römische Fettechnologie war im ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Ausgrabungen in Tunis zeigen die Verbreitung in Nordafrika, in Pompeji und Herculaneum wurden ganze Verarbeitungsanlagen bestehend aus Ölmühlen, Ölpressen, Ölläden und Öllagerräumen freigelegt (UNION 1959). Öl wurde, da die Fettsäuren Kupfer angriffen, in Bleigefäßen transportiert, aber auch in Tankwagen. Dies waren Karren, die eisenumreifte Rinderhäute trugen, in denen das Öl aufbewahrt wurde. Obwohl in Pfahlbauten der Schweiz, die aus dem 25. Jahrhundert vor Christus stammen, Mohnsamen entdeckt wurden, es also wahrscheinlich ist, daß die Bewohner schon Mohnöl kannten, dürften die Menschen nördlich der Alpen Öl in größerem Maße erst durch die Besetzung der römischen Truppen kennengelernt haben.

    Überliefert ist, daß Öl auch aus Bucheckern gewonnen wurde. Sie wurden dazu zerstampft, dann in Tücher gewickelt und zwischen Metall- oder Steinplatten gepreßt. Jeder größere Hof schlug sein Öl selbst. Später machte der Ackerbau weitere Fortschritte, und Raps und Leinsaat kamen als weitere Ölfrüchte hinzu. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich der Beruf des Ölmüllers, der im Lohnverfahren die Saaten der Bauern verarbeitete. Das Öl wurde durch Mahlen, Stampfen oder Pressen gewonnen. Später ging man zu Schraubenpressen über. Als Antrieb nutzte man in Windmühlen die Kraft des Windes. Im Zuge der weiteren Entwicklung entstanden hydraulische Pressen und ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es die Möglichkeit, Öle und Fette mittels Lösungsmitteln aus der Saat zu extrahieren.

    Mit der Eroberung der Welt durch die seefahrenden europäischen Nationen wurden die Resourcen erweitert und bisher unbekannte Ölfrüchte mit viel höheren als den gewohnten Öl-/Fettgehalten nach Europa gebracht. Bis der Anbau von Sojabohnen extrem ausgeweitet wurde, lieferten diese den wesentlichen Teil der in Europa verbrauchten pflanzlichen Fette und Öle. Die explosionsartige Vermehrung der Bevölkerung in den industrialisierten Ländern der Erde während der industriellen Revolution führte, verbunden mit der Urbanisierung, zu einer neuen Situation. Die in den Städten geballte Bevölkerung mußte ernährt werden. Dazu war ein völlig neues Verteilsystem für die Lebensmittel notwendig, das sich an den Wandel von der Eigenversorgung in kleinen Einheiten (Höfen, Dörfern oder kleinen Städten) zur industriellen Herstellung anpaßte. Daraus entstanden neue Anforderungen an die Lebensmittel, vor allem an deren Haltbarkeit.

    Neue Produkte wie die Margarine und neue Techniken wie die Härtung trugen wesentlich dazu bei, diese Herausforderungen zu bestehen. Handelte es sich im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwiegend um die Befriedigung von Grundbedürfnissen, so geht es in unserer heutigen Industriegesellschaft nicht mehr um ein Mengenproblem. Nach den durch die Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise verursachten Einbrüchen, während derer noch einmal jeweils für begrenzte Zeit das "Sich- Ernähren" im Vordergrund stand, ist der wesentliche Aspekt der 60er und 70er Jahre der des Genießens gewesen. Lebensmittel dienten vorrangig nicht mehr der Zufuhr von Kalorien, sondern dem Geschmackserlebnis.

    Demzufolge ging das Hauptaugenmerk weg von der Erzeugung von Mengen, die sowieso vorhanden waren, und hin zur Qualität. Insbesondere hat das Entstehen der "Gesundheitswelle" den Wunsch nach Qualität gefördert. Hier lieferte gerade die Fettindustrie besondere Beiträge. Der Zusammenhang zwischen Herzinfarkt und Ernährung wurde frühzeitig erkannt. Diesem Wissen wurde mit einem speziellen Angebot an Produkten, die bei der Prävention helfen, (z. B. becel) Rechnung getragen. Der zu hohe Fettverzehr der Gesamtbevölkerung und die Folgen von Übergewicht führten zur Entwicklung von Halbfett-Varianten verschiedenster Lebensmittel (z. B. du darfst). Im Falle der Margarine war dazu zum Beispiel eine Gesetzesänderung notwendig.

    Ausgehend von Margarinen sind hier Gruppen von Lebensmitteln entstanden, die eine niedrigkalorische Ernährung ermöglichen oder die, wie im Falle von becel, cholesterin- freie oder -arme Varianten verschiedener Lebensmittel liefern.

    In den letzten Jahren kann man einen neuen Trend beobachten, der Teile der Bevölkerung erfaßt. Sensibilisiert durch steigendes Umwelt- bewußtsein wird Wert auf "Natürlichkeit" gelegt. Wenn auch die daraus resultierenden Forderungen zum Teil überzogen sind und keine eindeutige Grundlage mehr haben, so wird dies doch, zumindest in den wohlhabenderen Ländern, in einigen Bereichen zu Änderungen der Technologie führen. In den ärmeren Ländern, die alle Anstrengungen unternehmen müssen, um Lebensmittel rein für die Ernährung, das heißt für das Überleben, zu produzieren, stoßen diese Trends größtenteils auf Unverständnis. Hier liegt die Priorität eindeutig auf der Basisversorgung der Bevölkerung. Das starke Bevölkerungswachstum der Erde führt zwar zu Problemen, die kaum hoch genug eingeschätzt werden können, jedoch stieg die Fettproduktion immer stärker als die Bevölkerungszahl.